Philippsburger Medizinprofessor war Doktorvater von Biontech-Gründer Uğur Şahin
Ein kongeniales Forscherduo
Philippsburg (hb). Die Mainzer Firma Biontech hat der Welt mit ihrem Impfstoff einen Weg aus der Pandemie ermöglicht – und die Spuren ihres Erfolgs führen auch nach Philippsburg-Rheinsheim. Von dort nämlich stammt Prof. Dr. Michael Pfreundschuh, Doktorvater von Biontech-Gründer und -Chef Uğur Şahin. Nach dem Abitur studierte Şahin Medizin an der Universität Köln, wo er unter Pfreundschuh Anfang der 90er-Jahre mit „summa cum laude“, der höchsten Auszeichnungsstufe, zur Immuntherapie bei Tumorzellen promovierte. Pfreundschuh war in Köln 1987 zum Universitätsprofessor ernannt worden - nach Studium und Promotion in Heidelberg und Zwischenstationen in New York und Hannover.
1992 folgte Şahin seinem akademischen Mentor an die Universität des Saarlandes nach Homburg, wo Pfreundschuh im Jahr zuvor den Lehrstuhl für Innere Medizin übernommen hatte und zum Direktor der Medizinischen Klinik I berufen worden war. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Şahin entwickelte der gebürtige Rheinsheimer Mitte der 90er-Jahre die SEREX-Technologie, eine Methode, die die Identifikation und Charakterisierung menschlicher Tumorantigene erleichtert.
Şahin lernte in Homburg auch seine spätere Frau Özlem Türeci kennen, die ebenfalls zu Pfreundschuhs engstem Mitarbeiterstab gehörte und Biontech mitgründete. Als Pfreundschuh, schon zuvor national und international gewürdigt, 1998 für seine Entdeckungen mit dem mit 300 000 Dollar dotierten Krebsforschungspreis des Cancer Research Institutes New York ausgezeichnet wurde, erläuterte das „Deutsche Ärzteblatt“: „Prof. Pfreundschuh und seinen Mitarbeitern – Dres. Christoph Renner, Özlem Türeci und Ugus Sahin (sic) – gelang es nachzuweisen, daß der menschliche Körper in der Lage ist, eine Vielzahl von Krebsarten selbst zu erkennen.“ Nach Şahins Habilitation in Molekularer Medizin und Immunologie 1999 trennten sich die Wege der beiden kongenialen Forscher im Jahr 2000, als Şahin zunächst nach Zürich und dann nach Mainz wechselte – der Rest ist Geschichte.
Pfreundschuh, 1968 Abiturient am Bruchsaler Schönborn-Gymnasium, erhielt indessen weitere Preise, u.a. als erster Deutscher den William B. Coley Award für herausragende Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Immunologie. Auch die Gründung des José-Carreras-Zentrums für Immun- und Gentherapie in Homburg wird mit seinen Namen verbunden bleiben, legte er doch 2004 zusammen mit dem von Leukämie genesenen Startenor den Grundstein für das Forschungszentrum. „Das Land ist Professor Pfreundschuh zu Dank verpflichtet“, sagte der damals amtierende saarländische Ministerpräsident Peter Müller, heute Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Deutsche Jose-Carreras-Leukämie-Stiftung hatte zuvor die „hervorragenden und international anerkannten Ergebnisse von Professor Pfreundschuh in der Leukämie-Forschung“ als „auschlaggebend“ für die Unterstützung des Baus in Millionhöhe bezeichnet.
Von Müllers Nachfolgerin im Amt, Annegret Kramp-Karrenbauer, erhielt Pfreundschuh im November 2016 sogar das Bundesverdienstkreuz am Bande. „Prof. Dr. Michael Pfreundschuh hat sich durch sein erfolgreiches Wirken große Verdienste um die medizinische Forschung erworben. Er hat als hochkompetenter und stets engagierter Arzt zahlreichen tödlich erkrankten Patienten das Leben gerettet“, hob die heutige Verteidigungsministerin in ihrer damaligen Laudatio hervor. „Er ist ein außergewöhnlicher Wissenschaftler, der auch als Vorgesetzter besondere Beachtung und Respekt bei Studenten und Mitarbeitern erfährt.“
Auch nach seinem plötzlichen Tod keine 14 Monate später trägt Michael Pfreundschuhs Werk weiter Früchte und gibt Menschen in aller Welt bei einer Krebsdiagnose Hoffnung. In seinem Nachruf ging etwa Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Direktor der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie in Göttingen, auf die Verdienste „von Michael Pfreundschuh und seinem Schüler Uğur Şahin“ bei der Entwicklung des SEREX-Verfahrens ein. Dadurch seien bis dato „mehr als 2000 tumorspezifische und -assoziierte Antigene identifiziert worden, mit dem Ziel diese als Targets für eine individualisierte Immuntherapie zu nutzen.“ Genau das war im Jahr 2008 auch der Gründungszweck von Biontech und soll - allen Erfolgen bei der kurzfristig nötig gewordenen Pandemiebekämpfung zum Trotz - der Fokus des Mainzer Unternehmens bleiben. „Die Entwicklung von individualisierten Krebstherapien ist das Herzstück von Biontech“, stellte CEO Şahin im Juli gegenüber dem „Handelsblatt“ unmissverständlich klar.
Wie eng der heutige Ruhm von Prof. Dr. Uğur Şahin und Dr. Özlem Türeci mit dem Rheinsheimer und Wahl-Saarländer Michael Pfreundschuh verknüpft ist, zeigt eine Anekdote aus dem Homburger Stadtrat im Februar dieses Jahres. Die FDP-Fraktion hatte den Antrag gestellt, Şahin und Türeci zu Ehrenbürgern zu ernennen „und/oder“ eine Straße beziehungsweise einen Platz nach ihnen zu benennen. In der anschließenden Diskussion jedoch kritisierte die Fraktion Die Linke laut Sitzungsprotokoll, dass diese mit der Stadt Homburg „nie etwas zu tun gehabt hätten“ und erklärte: „Wenn jemand geehrt werden müsste, z.B. mit einem Straßennamen, dann wäre das Prof. Pfreundschuh.“ Ein passender Ort, um eines großen Forschers, eines großen Sohnes zu gedenken, dürfte sich finden lassen – im Saarland wie im Badischen.
Autor:Henning Belle aus Wochenblatt Rhein-Neckar |
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