Livemusik am See mit Alpenpanorama
Montreux Jazzfestival: Legenden und Newcomer

Anklicken zum Anzeigen des Hochformatfotos: Sonnenuntergang an der Freddy Mercury Statue in Montreux | Foto: Jens Vollmer
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Wochenblatt-Redaktion on Tour:

von Jens Vollmer

Festival.Die 52. Ausgabe des legendären Montreux Jazzfestivals geht 2018 vom 29. Juni bis zum 14. Juli über die Bühne. Wenngleich das Festival am Genfer See in der französischen Schweiz gerne am Staraufkommen gemessen wird, was mit Jamiroquai, dem Chick Corea Trio, Van Morrison, Deep Purple, Jack White, Alice Cooper, Billy Idol, Iggy Pop, Rag'n'Bone Man und vielen weiteren bekannten Acts durchaus gegeben ist, so erschließt sich das eigentliche Festival doch erst dem, der in die „Programmation“ des Montreux Jazzclubs, des Montreux Jazz Labs, der Workshops und der Bühne im Park tiefer einsteigt.

Hier ist Montreux immer wieder für Überraschungen und Neuentdeckungen gut.Der größte Fehler wäre es, das Montreux Jazzfestival nur wegen eines bestimmten Künstlers für die Dauer seines Konzertes aufzusuchen. Montreux pulsiert, bringt jeden Tag ein anderes Programm und somit auch ein anderes Publikum hervor, das sich am Genfer See zu guter Musik einfindet. Das Festival erwacht langsam schon um die Mittagszeit, zahlreiche bekannte Musiker können rund um die Festivalhalle zu Soundcheckzeiten, aber auch in der Nacht nach dem Konzert gesichtet werden. Selbst bei einer Besichtigungstour des benachbarten Schlosses Chillon kann einem beispielsweise ein Ray Parker junior über den Weg laufen.
Erste Musik ertönt ab dem frühen Nachmittag von der Bühne im Park Vernex, meist wird mit hörenswerten Big Bands aus der ganzen Welt begonnen. Im Laufe des Abends verschiebt sich das Programm in andere Richtungen – vielseitig, innovativ und hochwertig.
Nachmittägliche Workshops im Petit Palais des altehrwürdigen Vorzeigehotels Montreux Palace ermöglichen den Festivalbesuchern, Stars näher zu kommen, Fragen zu stellen oder ein gemeinsames Foto zu erhaschen. Im Anschluss daran präsentiert sich täglich ein Award-Teilnehmer. So manche Karriere hoffnungsvoller Talente hat in Montreux schon ihren Anfang gefunden, bisher gab es eher Competitions in Gesang, Piano, Gitarre oder Saxophon. Hier geht das Festival dieses Jahr mit einem Band-Award neue Wege.
Gegen Abend füllt sich die Festivalmeile, das dort angebotene internationale Essensangebot wird stark nachgefragt und die Konzertbesucher genießen vor einem atemberaubenden Alpenpanorama die letzten Sonnenstrahlen auf einer der zahlreichen Catering-Terrassen, die anlässlich des Festivals in den See hineingebaut wurden, bevor die heiligen Hallen - das Stravinsky Auditorium, der Montreux Jazzclub oder das Montreux Jazzlab – betreten werden.
Beim angebotenen Programm wurde der Begriff „Jazzfestival“ noch nie puristisch interpretiert – im Gegenteil! Abgesehen von Volksmusik, Klassik und Schlager ist fast jede Gattung vertreten und dieser Schmelztiegel der Stilarten macht das Festival auch aus. Ganz im Sinne des mittlerweile verstorbenen Festivalbegründers Claude Nobs werden hier immer wieder neue Kontakte unter den Stars geknüpft, Experimente gestartet und besondere Shows geplant, die es so noch niemals gab. Gerade deshalb lohnt sich immer ein intensiveres Studieren des Festivalplans, ein Durchklicken durch die Hörbeispiele der beteiligten Künstler, der Konzertbesuch eines unbekannten Künstlers. Im Gedächtnis bleiben die Überraschungen, die persönlichen Entdeckungen im Laufe eines Festivals.
Wer einen kompletten Festivaltag erlebt, hat bei vollem Einsatz bis zu 14 Stunden Livemusik gehört und sitzt nachts erschöpft, aber glücklich in einem der zahlreichen Shuttle-Busse, welche die Festivalbesucher kostenlos in die umliegenden Orte zurückbringen. Dort findet sich genügend Stille, um am nächsten Tag mit aufgeladenem Akku in einen weiteren – wieder ganz anderen - Festivaltag einzutauchen.
116 Acts werden in diesem Jahr an 16 Abenden in 48 kostenpflichtigen Shows zu sehen sein, hinzu kommen vier schon ausverkaufte Jazz-Züge und drei Jazz-Schiffe. 74 internationale Bands werden über die 16 Tage die Gratis-Bühne im Parc Vernex entern und täglich wird gratis ein Workshop am Nachmittag und ein Jazztalent am frühen Abend im „House of Jazz“ präsentiert.
Nach vielen Jahren ist Jamiroquai endlich wieder in Montreux am Start und wird den letzten Konzertabend gestalten, unvergessen sind nicht nur die beiden Konzerte Anfang der 2000er, sondern auch die nächtlichen Sessions, zu denen Sänger Jay Kay noch erschien. Für ihn rückt Dauergast Deep Purple – schließlich entstand hier deren größter Hit „Smoke On The Water“ - in die erste Festivalwoche. Die Altrocker sind nicht die einzigen Stars aus früheren Zeiten. Was ein wenig wie das Wachsfigurenkabinett eines Hardrockcafés klingt, wird hier Wirklichkeit – live on stage: Alice Cooper, Iggy Pop, Billy Idol, Steve Winwood, Van Morrison, aber auch Gary Numann werden sich ihren Fans präsentieren.
Mit Rag'n'Boneman, Jamie Cullum, Aloe Blacc oder Gregory Porter finden sich aber auch jüngere Vertreter im Programm des Stravinsky oder des Jazzclubs. Im Lab wird es – wie der Name schon sagt – eher experimentell, hier findet das Festival eine neue Zielgruppe, vermeidet mit seiner angestammten Zuhörerschaft über die Jahre (zu) alt zu werden.
Positiv ist die Veränderung des Jazzclubs. Einst war er im Casino angesiedelt, der ersten Spielstätte des Festivals. Nach einem Casino-Umbau wurde er in das Kongresszentrum verlegt, war aber auf Grund der niedrigen Deckenhöhe in einer Zwischenetage dann zwar sehr intim, aber doch zu klein, niedrig und stickig mit verminderter Sicht auf die Bühne. Im Petit Palais, während des Festivals umgetauft in „House of Jazz“ hat das Jazzprogramm - immer noch als Herzstück des Festivals zu sehen - nun einen neuen, würdigen Platz gefunden. Hohe Decken, breite Räume und ein doppelt so großes Platzangebot lassen auf tolle Konzerte hoffen, allen voran mit der Chick Corea Acoustic Band mit Dave Weckl und John Patitucci, aber auch Stanley Clarke, Brad Mehldau, dem Bassisten Avishai Cohen oder Cory Henry & The Funk Apostels.

Kommentar:
Es wird für mich persönlich mein 17. Festivaljahr - von bisher insgesamt 52 immerhin fast ein Drittel der Festivalgeschichte. Seither hat sich schon vieles verändert. Das Festival ist einem ständigen Wandel unterzogen, der positive wie auch negative Veränderungen mit sich bringt, aber das ist Ansichtssache.
Sicherlich waren die Konzertabende früher länger und beinhalteten jeweils mehr Acts, es gab mehr Workshops, bei denen noch kein Foto- und Filmverbot bestand. Die nächtlichen Sessions wurden von den Stars noch häufiger besucht und mitgestaltet. Montreux war noch viel mehr Schmelztiegel für Neues, aber hat sich immer noch viel von seinem alten Zauber erhalten – der Mythos lebt. Das Festival ist nach wie vor noch weit weg von einem Standardkonzertbesuch in einer gewöhnlichen Tourlocation. Das spürt das Publikum auch bei den Konzerten der Künstler: Montreux ist und bleibt eben Montreux!

Vom 1.bis 14. Juli wird hier täglich über das Montreux Jazzfestival berichtet. 
Oder einfach das Themenfeld "Montreux Jazzfestival" anklicken

Autor:

Jens Vollmer aus Wochenblatt Kaiserslautern

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