Fast 5.500 Vollzeitbeschäftigte können in Kaiserslautern nicht von ihrer Arbeit leben
Niedriglöhne verhindern eine fundierte Daseinsvorsorge
DGB. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist statistisch betrachtet nach wie vor gut, doch die Statistik hat einen gravierenden Schönheitsfehler, denn Deutschland hat einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind inzwischen – unter Berücksichtigung der Teilzeit- und Nebenjobs – bundesweit mehr als neun Millionen Menschen davon betroffen.
Der Bruttolohn von 10,80 Euro ist die nach internationalen Standards in Deutschland geltende Grenze für Niedriglohn. „Besonders dramatisch ist, dass es inzwischen deutschlandweit mehr als vier Millionen Menschen gibt, die in einem Vollzeitjob arbeiten, deren Lohn aber nicht ausreicht, um ein auskömmliches Leben zu führen“, so Marcel Divivier-Schulz, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds Westpfalz.
Allein in Kaiserslautern waren 2017 im Jahresdurchschnitt 5.478 Menschen in Vollzeit beschäftigt zu Stundenlöhnen von weniger als 10,80 Euro. Das entspricht 15,9 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten. Besonders hoch ist der Anteil bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss (40,2 Prozent), sowie bei Frauen (24,5 Prozent) und bei Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (38,2 Prozent).
Der Gegensatz von extremem Reichtum von Wenigen, deren Einkommen immer weiter steigt und Millionen von Menschen, die trotz Arbeit keine Chance auf ordentliche Entlohnung haben, muss viel wirksamer bekämpft werden. Niedriglöhne schüren soziale Ängste und Unsicherheiten und verhindern eine fundierte Daseinsvorsorge für das Rentenalter.
Zentraler Punkt ist die Stärkung der Tarifbindung, denn immer mehr Arbeitgeber sind ohne Tarifvertrag – auch durch so genannte Mitgliedschaften ohne Tarifbindung – in den Arbeitgeberverbänden. Stärkung heißt vor allem Erleichterung von Erklärungen zur Allgemeinverbindlichkeit, Verbesserung der Nachwirkung von Tarifverträgen, sowie Einführung von umfassenden Tariftreueregelungen im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe.
Zugleich muss die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtert werden. Denn gerade in den Branchen, die Niedriglöhne zahlen, ist die Tarifbindung extrem gering, wie zum Beispiel in der Gastronomie. Außerdem muss der gesetzliche Mindestlohn perspektivisch auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben werden. Notwendig ist auch ein deutlich verbessertes Anreiz- und Unterstützungssystem, das Geringqualifizierten hilft, einen beruflichen Abschluss zu erwerben. Denn zu oft gehen niedrige Löhne einher mit niedriger Qualifikation.
Daher fordert Marcel Divivier-Schulz alle handelnden Akteure in den Jobcentern, Arbeitsagenturen, aber vor allem auch die Arbeitgeber dazu auf, Geringqualifizierten Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten, um ihnen damit den beruflichen Aufstieg und eine anständige Entlohnung zu ermöglichen. Zugleich kommt es darauf an, auch die berufsbezogene Sprachförderung für Menschen mit Migrationshintergrund als Voraussetzung für eine spätere abschlussorientierte Qualifizierung noch stärker zu forcieren.ps
Autor:Frank Schäfer aus Wochenblatt Pirmasens |
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