Caritasverband zeichnet die „Bayreuther Aktion“ mit Nardini-Preis aus
Pfarrei geht mit Besuchsdienst hinaus zu den Menschen
Auszeichnung. Bereits im sechsten Jahr engagieren sich katholische Christen in Ludwigshafen in einem besonderen Besuchsdienst: Einmal im Vierteljahr sind Engagierte aus der heutigen Pfarrei Heilige Cäcilia an einem Samstag zu Besuch im Brennpunkt Bayreuther Straße. Mit einem Bollerwägelchen mit Kaffee und Kuchen ziehen sie ins Viertel und suchen dort den Kontakt zu den Menschen. Die Besuchsaktion der Pfarrei wird in diesem Jahr vom Caritasverband für die Diözese Speyer e.V. mit dem Nardini-Preis ausgezeichnet. Verliehen wird der Preis beim Caritas-Tag der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Samstag, 23. November, in der Stadthalle Germersheim.
Nardini-Preis würdigt das pastorale und karitative Projekt
Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert. Er erinnert an den selig gesprochenen Pfälzer Priester Paul Josef Nardini, der sich in Pirmasens Mitte des 19. Jahrhunderts in der Armen-, Kranken- und Waisenfürsorge einsetzte. Die Jury des Nardini-Preises will mit der Auszeichnung insbesondere den Aspekt des „Hinausgehens zu den Menschen“ würdigen, der hier mit einfachen Mitteln umgesetzt wird. Die „Bayreuther-Aktion“ ist gleichermaßen ein pastorales wie karitatives Projekt. In zwei Wohnblockbereichen leben dort Flüchtlingsfamilien, Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen und Personen, die sonst gänzlich ohne ein Dach über dem Kopf wären oder deren persönliche wie finanzielle Situation es verhindert, dass sie anderswo eine Wohnung finden.
Mit Bollerwagen und Kaffee und Kuchen
Beim jüngsten Besuch am 12. Oktober hatten die haupt- und ehrenamtlich Engagierten Kuchen, Kaffee und Kaltgetränke mit dabei. Sie gingen zusammen von Tür zu Tür und luden Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu Kaffee und Kuchen ein. Es war ein sonniger, warmer Herbsttag. Dennoch hielten sich außer ein paar Kindern und ein paar jungen Männern keine Leute im Hof der beiden Wohnblockanlagen auf. Ein Teil der Gebäude ist nicht anders als heruntergekommen zu bezeichnen. In einer Wohnung fehlt das Fensterglas, der Bereich oberhalb der Fensteröffnung ist schwarz verrußt – hier hat es gebrannt. Die Flure im Innern des Gebäudes sind nur schwach beleuchtet, einfache Stahltüren grenzen die einzelnen Wohnungen ab. Wände, Boden und Treppenhäuser sind schmutzig. Klingeln gibt es selten. Hier öffnet ein Mann, dort ein Kind. „Das fällt uns jedes Mal auf: Alle sind sehr freundlich, sie bedanken sich für den Kuchen“, berichtet Pfarrer Dr. Udo Stenz von der Pfarrei Heilige Cäcilia. „Woher wir kommen, werden wir selten gefragt. Aber manche wissen dennoch, dass wir mit der Kirche zu tun haben.“
Zusammen mit Valérie André, Danuta Kambakamba, Anna-Maria Kroschewski sowie den Diakonen Stefan Häußler und Jean-Jacques Kambakamba war Udo Stenz an diesem Samstag unterwegs im Viertel. Zunächst wurde in der Pfarrei Kaffee gekocht und der selbstgebackene Kuchen aufgeschnitten. Zwischen 12 und 15 Uhr war die Gruppe in der Bayreuther Straße. „Meistens sind wir mehr, so dass wie zwei Gruppen bilden können.“ Das Gute an dieser Aktion: Wer Zeit, Lust und Interesse hat, kann sich anschließen. „Es gibt einen harten Kern, aber immer wieder kommen neue Leute dazu.“ Es tut gut, miteinander in der Gruppe unterwegs zu sein, sagt der Pfarrer. Es ist zu spüren: Das Besuchsteam ist gut eingespielt, man versteht sich auch ohne viele Worte, wenn Kuchen auf Teller verteilt oder Kaffee in bereitgehaltene Tassen ausgeschenkt wird.
Bei der Aktion im Sommer begleiteten die Pfarreivertreter einen Eiswagen, der gesponsert wurde. Im Advent wird es nicht nur Kaffee und Kuchen geben, sondern auch Schoko-Nikoläuse für die Kinder im Viertel. Und vor Ostern wurden Bücher und Spielzeuge verschenkt. Auch die Italiener aus der St. Dreifaltigkeits-Kirche im Hemshof haben schon mitgemacht bei der Besuchsaktion: Damals wurde frisch gebackene Pizza serviert. Das kam natürlich auch gut an. „Dass wir hierher fahren und etwas mitbringen, soll eine ganz normale Angelegenheit sein“, bekräftigt Danuta Kambakamba. Es sei ein überschaubares Engagement, eigentlich keine große Sache, sagt sie. Und Anna-Maria Kroschewski ergänzt: „Wir machen das gerne und möchten zeigen, dass die Leute hier auch zu uns, zu unserer Pfarrei gehören.“ Entstanden war die Idee im Pfarrgemeinderat St. Dreifaltigkeit. Pfarrer Stenz: „Wir erwarten nichts von den Menschen dafür. Es ist an uns, den Menschen hier etwas zu geben.“ Selbstverständlich wird bei den Besuchen zu den Gemeindefesten in der Pfarrei eingeladen. Und wirklich – manch einer lässt sich dort blicken und bereitet so, ohne es vielleicht zu ahnen, den Engagierten eine große Freude.
„Die Menschen sind nicht vergessen, obwohl sie nicht so viel Glück im Leben hatten“
„Inzwischen kommen wir ja seit Jahren hierher, also kennen wir einige der Bewohner und ihre Schicksale schon besser“, sagt Valérie André. Die französisch-stämmige Ludwigshafenerin weiß genau, warum sie hier Dienst tut: „Ich finde, man muss unbedingt den Leuten hier zeigen, dass auch sie zu unserer Gesellschaft gehören und dass wir sie nicht vergessen, obwohl sie nicht so viel Glück im Leben hatten wie wir.“ Wichtig sei, den Menschen Zeit zu schenken, ihnen zuzuhören, wo sich Gespräche ergeben. „Ich glaube, viele in Ludwigshafen wissen gar nicht, dass es dieses Viertel hier gibt, oder sie waren nie hier.“ Valérie André räumt ein, vorher auch nichts von den Menschen in den Sozialwohnungen geahnt zu haben. Und sie kritisiert die Stadtverwaltung für den „erbärmlichen, entwürdigenden Zustand der Häuser. Es sieht so aus, als habe man sich um das Viertel jahrelang nicht gekümmert, sondern einfach immer nur die Sozialfälle hierher geschoben.“
Als ein Segen empfindet die Gruppe aus der katholischen Pfarrei die neu entstandene städtische Kindertagesstätte im Gebiet, die Einrichtungen von Caritas, Ökumenischer Fördergemeinschaft und Tafel sowie die Ideen und Planungen für die entstehende Heinrich Pesch Siedlung.
Ein preiswürdiges Projekt für die Jury
„Für uns ist das ein absolut preiswürdiges Projekt, ganz im Sinne der Sozialraumorientierung. Niederschwellig, innovativ und eine Form von Graswurzelarbeit. Dahin gehen, wo die Menschen sind und im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbare Grenzen überschreiten“, begründet Christiane Arendt-Stein die Preisvergabe. „Die Gruppe geht in das Viertel, um das die meisten Menschen lieber einen Bogen machen und suchen den Kontakt zu Menschen, die man nicht im Blick hat, die aber auch zur Pfarreigemeinschaft gehören.“ „Das ist Hinwendung zum Nächsten. Es ist ein Projekt, für das es zu Beginn ganz sicher auch Mut gebraucht hat. Mit einem Wägelchen mit Kaffee und Kuchen einfach in das Viertel gehen, und aushalten, dass das die Bewohner zunächst befremdlich finden, dass muss man sich trauen“, schätzt Melanie Müller von Klingspor das Engagement der Gruppe. „Für mich ist alles drin, was der Nardini-Preis möchte: Innovativ, raus aus den Kirchengebäuden, eigentlich gar nicht aufwändig und leicht nachzumachen und in den Spuren des Engagements von Paul Josef Nardini, der sich den Menschen am Rand der Gesellschaft zugewandt hat“, freut sich der Caritas-Vorsitzende Karl-Ludwig Hundemer über die Initiative. ps
Autor:Charlotte Basaric-Steinhübl aus Ludwigshafen |
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