Wochenende für neue Dramatik
Stück für Stück

Mannheim. Als Zentrum für neue Dramatik präsentiert das Theaterhaus G7 mit „Stück für Stück“ auch dieses Jahr wieder beim Wochenende für neue Dramatik von Freitag, 17., bis Sonntag, 19. November, sechs neue Texte und ihre Autoren.
Miniaturinszenierungen und Lesungen machen erfahrbar, wie die internationale Theaterlandschaft die Jetztzeit reflektiert. „Was bewegt Theatermacher aktuell?“ Geladenene Autoren aus ganz Europa, Dramaturgen und Übersetzer diskutieren die Stücke mit dem Mannheimer Publikum! Die Verbindung von sinnlicher Erfahrbarkeit und schlaglichtartiger Einblicke zog bereits im letzten Jahr ein interessiertes Publikum an, das das persönliche Gespräch mit den Künstlern in der auszeichnenden persönlichen Atmosphäre genoss.
Freitag, 17. November, 20 Uhr: „Nachts im Ozean“, szenische Lesung, ein Stück von Michel Decar, Einrichtung Inka Neubert.
Moskovitz, ein privat und beruflich frustrierter Autor, erhält einen Anruf aus Montevideo. Er soll ein Stück für das Teatro Nacional über den Untergang der Admiral Graf Spee im Río de la Plata schreiben. Als er zur Premiere anreist, läuft zunächst alles wie vorgesehen. Doch dann findet Moskovitz das Teatro Nacional unter der angegebenen Adresse nicht. Die Stimmung zwischen ihm und dem Theaterdirektor Cáceres verschlechtert sich. Dafür begegnet er dessen Assistentin im Hotelpool, nachdem ihm eine goldene, eng anliegende Badehose aufs Zimmer geschickt worden war … Immer tiefer verstrickt sich Moskovitz in einem Netz seltsamer Begebenheiten. Wer führt Regie in diesem Verwirrspiel?
Samstag, 18. November, 15 Uhr: „Zu unseren Füßen, das Gold, aus dem Boden verschwunden“, Lesung, Stück von Svealena Kutschke, Einrichtung Melanie Schmidt
Ein Mietshaus in Pankow, Seitenflügel. Darin wohnen ein lesbisches Paar, ein getrenntes Ehepaar, ein alter Trinker und ein Geflüchteter. Und ein Netz aus Projektionen, Begehren und Neid, Schuldgefühlen und Hoffnungen, gespeist durch die nicht wirklich aufgearbeitete Nazi-Geschichte, die nicht verdaute DDR und eine nicht anerkannte Migrationsgesellschaft. Die Bewohner berichten von den sich dynamisierenden und auf eine Tragödie zulaufenden Ereignissen aus ihrer eigenen Perspektive so wortgewandt und reflektiert, dass es kaum auffällt, dass einer nicht spricht: der Syrer Nabil
Samstag, 18. November, 17 Uhr: „Ich will die Menschen ausroden von der Erde“, Lesung, ein Stück von María Velasco, aus dem Spanischen von Franziska Muche, Einrichtung Milica Čortanovački
Familienausflug ins Grüne. Es gibt fettes Fleisch und Alkohol und ein junges Mädchen schreibt, an einem Baum gelehnt, in ihr Tagebuch – bis sie bemerkt, dass ihre Haare am Harz des Baumes festkleben, und der Vater mit der Schere anrückt. Dasselbe Mädchen wird später von der Mutter ihres Exfreundes belehrt, begräbt ihren Onkel, prostituiert sich zur Finanzierung ihrer Promotion, versagt bei der Verteidigung in den Augen der männlichen Prüfer und kehrt schließlich zum Baum zurück. Ein subtiles, schmerzhaftes Stück über Misogynie und Rollenmuster, für das María Velasco mit dem Internationalen Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes und dem Max Award 2022 für das beste Theaterstück ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr wurde es im Rahmen von Stück für Stück bereits als szenische Lesung gezeigt. Dieses Jahr ist „Ich will die Menschen ausroden von der Erde“ Teil der Eurodram-Auswahl.
Samstag, 18. November, 20 Uhr: „brand“, szenische Lesung, ein Stück von Volker Schmidt, Einrichtung Pascal Wieandt
In nicht allzu ferner Zukunft ist das Schicksal der Welt besiegelt. Mittel- und Südeuropa sind kaum mehr bewohnbar und werden von apokalyptischen, städtefressenden Bränden geplagt. Die Menschen ergehen sich in politischen oder spirituellen Weltfluchten. Im Norden haben sich die verschanzt, die dazu die Möglichkeiten haben. Von dort kommt Maëlle und trifft kurz vor Wien auf Koé, der sich als Fluchthelfer verdingt. Die beiden kommen sich näher und treffen in Wien auf eine das Leben feiernde Community – und Andrii. Andrii bringt die Verhältnisse endgültig zum Tanzen, während die Flammen sich nähern…
Sonntag, 19. November, 15 Uhr: „Himmelweg“, Lesung, ein Stück von Juan Mayorga, aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold, Einrichtung Aurélie Youlia
Während der Nazi-Diktatur bekommt ein Delegierter des Internationalen Roten Kreuzes die Erlaubnis, ein „Internierungslager für Zivilisten“ zu besuchen. Was er sieht, sind spielende Kinder, Spaziergänger, ein Liebespaar … Doch die heile Welt bekommt Risse, denn die Szenen sind einstudiert und die Inszenierung entgleitet dem damit beauftragten „Bürgermeister“ immer mehr, der als Kollaborateur versucht, Menschen zu retten, und dabei selbst Schuld auf sich lädt.
Himmelweg ist der zynische Euphemismus für die Rampen, die in den Konzentrationslagern der Nazis zu den Gaskammern führten. Juan Mayorga greift die tatsächliche Inszenierung einer heilen Welt im „Vorzeigelager“ Theresienstadt auf, um in seinem Text Fragen der Inszenierung der Wirklichkeit zu stellen. Der Text des Spaniers ist Teil der dies-jährigen Auswahl des Eurodram Komitees.
Sonntag, 19. November, 18 Uhr: „Der Mann im Tauchanzug“, szenische Lesung, ein Stück von Freek Mariën, aus dem Flämischen von Barbara Buri, Einrichtung Jana Nerz
In Norwegen geht ein Architekt mit seinem Hund spazieren und findet einen Tauchanzug mit Knochenresten darin. Es ermittelt Kommissar Westermann mit seinem Praktikanten Magnussen. Dann gibt es einen zweiten Fall. Das Stück beginnt wie ein normaler Krimi, in rhythmischer Sprache, mit Typen und fachlichen Ausschweifungen, mit Befragungen und falschen Fährten – bis sich die Realität einschleicht und eine Geschichte an die Oberfläche bringt, die sich für den Vorabend nicht eignet und für die Polizei ein Grund ist, die Akten zu schließen.
Freek Mariën konfrontiert mit dem Mann im Tauchanzug auf listige Weise mit den drängendsten Fragen der europäischen Gegenwart. Das preisgekrönte Stück ist Teil der diesjährigen Auswahl des Eurodram Komitees.
Im Anschluss an die Vorstellungen finden jeweils Hausgespräche statt. hät/red

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Autor:

Kristin Hätterich aus Mannheim

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