Offener Brief an die Bildungsministerin RLP und die ADD
Lediglich die Stühle des Kellertheater am Europa-Gymnasium in Wörth müssen derzeit leer bleiben
Der Schulelternsprecher des Europa-Gymnasium Wörth, Hr. Steffen Weiß, verfasste folgenden offenen Brief an das Bildungsministerium Rheinland/Pfalz und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier :
Der Schulelternbeirat des Europa-Gymnasiums Wörth am Rhein
An die Bildungsministerin des Landes Rheinland-Pfalz
An den Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD
Sehr geehrte Frau Ministerin Dr. Hubig,
sehr geehrter Herr Präsident Linnertz,
seit dem 26.10. sind die Schulen in Rheinland-Pfalz wieder aus den Herbstferien im „normalen“ Unterrichtsbetrieb. Seit dem 2.11. gelten die bundesweit beschlossenen und nahezu einheitlich in Landesrecht umgesetzten Maßnahmen des sogenannten „Lockdown light“.
Außer einem Schreiben der Ministerin am 30.10. tagsüber sind die neuen Verordnungstexte erst wieder am Freitagabend nach 18 Uhr gekommen, sollten aber ab Montagmorgen umgesetzt sein.
Dieses Mal mit der Besonderheit, dass konkrete Maßnahmen für die Schulen, nämlich die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht ab der 5. Klasse, direkt in der Corona-Bekämpfungs-Landesverordnung stehen, die konkreten Vorgaben an die Schulen zur Ausgestaltung aber erst am 4.11. veröffentlicht und versendet wurden.
Dies ist nur ein Beispiel, wie die derzeit unzulängliche Kommunikationspraxis der Politik die Beteiligten des Systems „Schule“, und hier allen voran Schulleitung, Lehrerschaft, aber auch Eltern und Schüler und deren Vertreter, in eine unsägliche und unbefriedigende Situation bringt.
Daneben muss man aber auch klar feststellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung immer noch mitzieht, dass die Mehrheit der Schüler und Eltern das „Maskentragen“ einfach mal angenommen haben und auf ein optimierendes Nachsteuern vertraut haben und vertrauen, viele aber auch einfach weiter damit zurechtkommen werden. Andere das wiederum nicht wollen oder können.
Seit dem 30.10. sind wir als Mitglieder des Schulelternbeirates, und viele zusätzlich als Klassenelternvertreter, genau wie die Schülervertreter, Lehrer und Mitglieder der Schulleitungen permanent damit beschäftigt, Regeln und Erläuterungen nachzulesen, uns diese selbst, dann anderen zu erklären, zu erläutern. Wir beruhigen, bitten um Geduld und versuchen, um Verständnis zu werben.
Die Vorbedingung, um Schulelternbeiratsmitglied zu werden, ist es, eigene Kinder auf der jeweiligen Schule zu haben. Das heißt, wir müssen das alles auch unseren eigenen Kindern erklären, mit diesen diskutieren, beruhigen, Masken besorgen usw.
Gegenüber anderen Eltern, die uns als Vertreter gewählt haben, müssen wir neben dem Erklären und Beruhigen auch „Rechenschaft ablegen“, müssen uns in Einzelfällen beschimpfen lassen – stellen uns aber auch vor die Schulleitung und die Lehrer unserer Schule.
Dass das alles nicht einfach ist, müssen wir Ihnen sicher nicht erklären.
Aber wir hätten gerne eine Erklärung, warum die Situation so ist, wie sie ist.
Im Frühjahr waren wir in einem sehr dynamischen Krisenmodus. Bereits im Februar beim Sturm „Sabine“, der dann doch weniger schlimm als befürchtet war, aber am Montagmorgen viele Busse und Bahnen lahmgelegt und Straßen blockiert hatte, hatte die Kommunikation von Ministerium und Schulbehörde mit Schulen und Öffentlichkeit am Freitag nicht wirklich funktioniert.
Als sich dann die Corona-Situation am 13. März so weit verschärft hatte, dass – entgegen anderer Aussagen zuvor – dann im Laufe des Nachmittags Entscheidungen zu generellen Schulschließungen getroffen werden mussten, konnte man die Versäumnisse und Fehler in der Kommunikation noch nachvollziehen. In den Folgewochen im Krisenmodus mit „Homeschooling“ haben sich alle in der Schulgemeinschaft angestrengt und bemüht, dann kamen an einzelnen Schulen Modelle mit halben Klassen im Präsenzunterricht, an anderen Schulen wurde wochenweise wechselnd unterrichtet.
Parallel haben viele Arbeitgeber reagiert, haben Homeoffice-Lösungen angeboten, Betreuungsprobleme pragmatisch gelöst, waren wir alle im „Krisenmodus“.
Zum Sommer hin die Entspannung, in den Schulen wurde nachgebessert, wurden Konzepte verbessert, Abläufe optimiert. Und aus dem Ministerium kam kurz vor Ende der Sommerferien das „Hygienekonzept für Schulen“ in seiner 5. überarbeiteten Fassung vom 17.08.2020.
Es kam spät, aber es kam. Eltern konnten sich auf die dort genannten Szenarien im Stufenmodell einstellen, konnten mit Arbeitgebern, Kollegen, innerhalb der Familie und mit ihren Kindern Regelungen und Absprachen treffen.
Die Bundes- und Landesregierung haben mehrfach viel Geld zu Verfügung gestellt für Vertretungslehrer, für bessere digitale Vernetzung, für mehr Endgeräte, zuletzt für Lüftungsgeräte, wo dies notwendig sei.
Viele Familien haben selbst nachgebessert, haben ihre Internetbandbreiten erweitert, technisch aufgerüstet – gerade Familien mit mehreren Kindern haben parallel nutzbare Geräte angeschafft usw.
Und dann kam nach den Sommerferien in allen Bundesländern und zum Beginn der Herbstferien in Rheinland-Pfalz die erwartete und im o.g. Hygienekonzept bereits vorgesehene und bedachte „zweite Welle“ in Deutschland an.
Doch das „Konzept“ spielte und spielt plötzlich keine Rolle mehr. „Offenhalten um jeden Preis“ scheint die neue Devise. „Schulen seien kein Infektionstreiber“, so hört und liest man. Dennoch sollen Schüler ab der 5. Klasse den ganzen Tag mit Maske in der Schule sitzen. In ausgekühlten Räumen mit vielen weiteren Einschränkungen.
Die Schülerbeförderung findet immer noch in meist überfüllten Bussen und Bahnen statt, weil das Buspoolkonzept vor allem auf dem Papier existiert, Busse und Busfahrer landesweit da zu sein scheinen, aber leider oft nicht dort, wo sie gebraucht werden.
Eltern und Schüler finden oft in ihrer Verzweiflung vermeintliche „Hilfe“ im Internet. Dort gibt es Hinweise auf angebliche Datenschutzverstöße bei der Attestpflicht zur Maskenbefreiung, Verweise auf bestehende berufsgenossenschaftliche Vorschriften und Arbeitsstättenrichtlinien – die ja aber dem Grunde nach nur für Lehrer gelten -, trotzdem meist nur „Empfehlungen“ sind und dann für Schüler allenfalls „grobe Anhalte“ darstellen. Das alles prüfen und hinterfragen und erklären wir Elternvertreter, oft parallel dazu die Lehrer und Schulleiter.
Schaut man sich die Corona-Seiten der Landesregierung Rheinland-Pfalz, des Bildungsministeriums und der ADD an, so wurde dort sehr viel „virtuelles Papier“ produziert. Vieles davon verwirrt inzwischen mehr als es nutzt. Sie überfordern die Schulgemeinschaft, Sie strapazieren das Zusammenhalten der Schulgemeinschaft – Sie haben das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und die Handlungswilligkeit von politischen Verantwortungs- und Entscheidungsträgern beschädigt.
Und das ohne echte Not. Wann wurde Ihnen klar, dass das Hygienekonzept vom 17.08. nichts taugt? Warum gilt das Konzept mit dem Stufenmodell denn noch, wenn es nicht angewendet wird?
Oder geht es darum, dass dabei einzelne Gruppen auf der Strecke bleiben könnten?
Ja, es ist schwieriger für Alleinerziehende. Ja, es ist schwieriger für Geringverdiener. Ja, es ist schwieriger für Menschen, die ihren Kindern bei schulischen Themen vielleicht nicht so gut helfen können.
Aber für alle diese Gruppen gibt es auch in den Unterlagen und Förderprogrammen Lösungen und Angebote!
Sie scheinen nicht zu sehen und zu verstehen, dass es zunächst mal unterschiedliche Problemstellungen bei unterschiedlichen Altersgruppen gibt und die jahrgangsbezogen unterschiedliche Maßnahmen zulässt. Die Jahrgänge 12 und 13 könnten Sie beispielsweise ins grundsätzliche Homeschooling schicken und gezielte und abgestimmte Präsenzveranstaltungen stunden- oder tageweise durchführen, die 8. bis 11. Klassen könnten sie in Stufe 2 des Stufenkonzeptes schicken, dort kann sich die Schule gezielt um einzelne Härtefälle kümmern.
Und die weitere Präsenzbetreuung für 5.-7. Klasse in den weiterführenden Schulen ist mit mehr Platz in Bussen und Bahnen und in den Schulen möglich. Für die Grundschulen und Kitas hätte seit dem Sommer das Betreuungspersonal aufgestockt werden können.
Sie wollen alles einheitlich regeln, das ist weder sinnvoll noch notwendig und steht auch so nicht in Ihrem Konzept.
Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und holen sie das verlorene Vertrauen zumindest ein Stück weit zurück! Gewiss wird man es nie allen recht machen können, dafür ist die Bandbreite der Forderungen von „sofortige Schulschließungen“ bis „Normalbetrieb ohne Masken“ viel zu groß.
Die Maskenpflicht im Unterricht gehört nach unserer Auffassung nicht in die CoronaBeLVO, sondern in das „Hygienekonzept für Schulen“, als eine von vielen möglichen Maßnahmen.
Schaffen Sie im Hygienekonzept die Möglichkeit, abgestufte Maßnahmen zu treffen, formulieren Sie den Stufenplan besser aus, wenden Sie ihn auch mal an.
Und fangen Sie bei künftigen Maßnahmen damit an, diese vernünftig zu kommunizieren.
Spätestens am Donnerstag, 12 Uhr, sollten die Regelungen für den kommenden Montag den Schulen bekannt und spätestens Donnerstagabend im Internet veröffentlicht sein. So können am Freitag alle Schüler informiert werden, können vorbereitende Maßnahmen getroffen werden. Übrigens nicht nur in den Schulen, sondern auch in den Betrieben, bei denen die Eltern der Schüler beschäftigt sind.
Es ist Wahnsinn, was derzeit Schulleiter, Lehrer, Schüler und Eltern leisten müssen, was die Arbeitgeber und Kollegen dieser Eltern leisten und hinnehmen müssen, darf man aber auch nicht vergessen.
Den von uns vertretenen Eltern und unseren Kindern können wir versuchen, die Maßnahmen und die Situation zu erklären – was für viele schwierig ist, für manche unmöglich, ist es, diese Maßnahmen und das politische Handeln zu verteidigen.
Wörth am Rhein, 12.11.2020
Für den Schulelternbeirat des Europa-Gymnasiums Wörth
Steffen Weiß, Schulelternsprecher
genehmigt zur Veröffentlichung durch Hr. Steffen Weiß
Autor:Klaus Jenczelewski aus Edenkoben |
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