Wie eine Autobahn mitten durchs Dorf: So wehren sich Bürger gegen Güterzüge auf der Strecke Wörth - Germersheim
Wörth / Landkreis Germersheim. Ende Juli starteten Ulrike Newill, Heike Kromer und Dieter Oelsner eine Online-Petition gegen mehr Güterverkehr auf der Strecke Wörth - Germersheim und damit verbunden gegen einen Ausbau der Strecke Wörth - Lauterburg. Aufgrund einer Umleitung befahren seit Anfang August rund 40 bis 60 Güterzüge die Strecke zwischen Germersheim und Wörth - viele Anwohnende fühlen sich durch den zusätzlichen Lärm gestört und beklagen die mangelnde Informationsbereitschaft der Deutschen Bahn AG. Die Petition soll Aufmerksamkeit bringen und Verantwortliche zum Handeln bewegen. Im Gespräch mit dem "Wochenblatt" erklärt Ulrike Newill, wie es zu der Petition kam, die nicht nur auf Befürworter stößt.
Kritiker merken an, dass Güterverkehr im Vergleich zur Alternative LKW wesentlich verträglicher sei. Und dass eine gewollte und angestrebte Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene nun einmal zwangsweise zu mehr Bahnverkehr und Lärm führt. Sie kritisieren die Initiatoren der Petition im Internet heftig, unterstellen ihnen, sie wollten eine Verlagerung nur weg von ihren eigenen Häusern.
Sorge vor schleichender Zunahme des Güterverkehrs
???: Frau Newill, bitte erklären Sie den Hintergrund Ihrer Petition: Gegen was richtet Sie sich, an wen ist sie gerichtet, was wollen Sie mit der Petition genau erreichen?
Ulrike Newill: "Wir sind direkte Anwohner an der Bahnlinie Germersheim-Wörth und Wörth-Lauterburg. Die Strecke Wörth - GER wurde bis zur Elektrifizierung im Jahre 2010 hauptsächlich für den Personennahverkehr genutzt. Einige wenige Güterzüge verkehrten auf der Strecke. Danach war sie für Straßenbahnen vorgesehen und ÖPV. Die DB beteiligte sich nicht einmal zur Hälfte an den Kosten für die Elektrifizierung mit dem Hinweis, sie brauche diese Strecke nicht. So wurde auch kein Lärmschutz oder ähnliches notwendig. Eigentümer der Strecke ist die DB Netz AG. Die Strecke Wörth-Lauterburg ist einspurig und soll mit Geld aus der Schweiz ausgebaut werden - für den Güterverkehr Rotterdam - Genua. Inzwischen verkehren ca. 6 bis 8 Güterzüge am Tag und in der Nacht zusätzlich zur S-Bahn. Das können wir alle tolerieren. Die Petition richtet sich gegen eine weitere Zunahme des Güterverkehrs. Mit unserer Petition wollen wir erreichen, dass es zu keiner schleichenden Zunahme der Lärmbelastung kommt! Gerichtet ist die Petition an die DB (Deutsche Bahn), das Verkehrsministerium, den Kreis- und Landtag und Dr. Brandl."
???: Warum sollen im August (mehr) Güterzüge auf der Strecke fahren? Und wie haben Sie davon erfahren?
Ulrike Newill: "Vom 9.8. bis 30.8. ist die ICE-Strecke und Güterstrecke von Mannheim nach Basel auf der badischen Seite voll gesperrt. Dies bedeutet eine zusätzliche Belastung von ca. 50 Güterwagen pro Tag und in der Nacht. Das ist nicht schön, aber das kann man nachvollziehen. Laut offizieller Auskunft der Bahn ist die Strecke dann nicht für eine weitere Nutzung vorgesehen. Ein Lärmschutzplan soll frühestens in 10 Jahren kommen. (Anfrage von Frau Dr. Rehak-Nitsche im Landtag, 17. Wahlperiode), Dr. Gebhart beantwortet die Anfrage mit vorgesehenen Verbundstoffbremssohlen und Nichtzulassung von lauten Güterwagen (2021), Dr. Brandl erhält auf seine Anfrage im Landtag die Antwort, dass die DB verpflichtet sei, die Bestellungen von Zugleistungen jederzeit auf ihrem Netz durchzuführen (2022). Das sieht doch alles nach einer schleichenden Zunahme aus!
Oder warum wurde das Stellwerk in Wörth optimiert? Wo sollen die Güterzüge rollen, die durch die Erweiterung des Wörther Hafens aufkommen? Mercedes plant ein neues Verladeterminal und Palm ebenso. Wo rollen die denn dann?
Aus der Umleitung darf kein Alltag werden
???: Schildern Sie kurz, wo Sie wohnen und wie der Bahnverkehr Ihr Leben beeinträchtigt oder verändert?
Ulrike Newill: "Ich wohne ca. 50 Meter Luftlinie von der Bahn, Dieter Oelsner ca. drei m und Heike Kromer auch drei Meter von den Schienen entfernt. Es ist eine unzumutbare Lärmbelastung am Tag und in der Nacht. Eine Toleranzschwelle wird bei weitem überschritten. In vielen Orten führt die Strecke mitten durch den Ort. Daraus resultieren lange Wartezeiten an den Bahnschranken, sowohl für den innerörtlichen Verkehr als auch für Rettungsfahrzeuge. Eine Wertminderung der Immobilie sowieso".
???: Was gibt es für Alternativen zum Güterverkehr auf dieser Strecke und zum Ausbau des Güterbahnverkehrs im Allgemeinen?
Ulrike Newill: "Das sollten Sie unsere Volksvertreter fragen".
Auf die Problematik aufmerksam machen: Zum Schutz aller Bürger
???: Sie fordern eine „menschenfreundliche, alternative Streckenführung“? Güterzüge werden gebraucht, wenn sie nicht an Ihrem Haus vorbeifahren, dann stören sie woanders die Ruhe. Was sagen Sie Kritikern, die Sie des Sankt-Florian-Prinzips bezichtigen? Und haben Sie Ideen, wo entlang eine, wie von Ihnen geforderte, alternative Strecke führen könnte, wo es nicht zu Lärmbelästigung kommt?
Ulrike Newill: "Es geht nicht darum, jeglichen Güterverkehr zu verbannen. Mit der momentanen Situation können wir leben. Aber nicht mit einer Zunahme des Güterverkehrs durch die Hintertür und ohne alternative Streckenführungen auszubauen. Wir wollen auch nicht, dass der Güterverkehr bei anderen vorbeirollt. Wir wollen eine moderne und menschenfreundliche Verkehrspolitik. Das heißt Güterverkehr muss an den Ortschaften vorbeigeführt werden, auch mit Hilfe von Tunneln und Lärmschutzmaßnahmen.
Grundsätzlich geht es uns in der Petition nicht darum, eine Alternative für den Güterverkehr zu suchen. Es wäre etwas vermessen, als Normalbürger eine Lösung für den zunehmenden Verkehr aus dem Hut zu zaubern. Das ist Aufgabe der Verkehrsplaner und der Politik. Von ihnen erwarten wir eine Planung und eine Lösung für den Güterverkehr zum Schutz aller Bürger, sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene. Güterzüge sind sicherlich der richtige Weg, um die Straßen zu entlasten. Aber nicht mitten durch die Ortschaften. Es käme ja auch niemand auf die Idee, eine Autobahn für den Gütertransport mitten durch die Dörfer zu führen.
Wir fordern eine neue Streckenführung für die Südpfalz, die nicht durch Ortschaften führt. Die Strecken Lauterburg-Wörth-Germersheim dürfen nur dem öffentlichen Nahverkehr dienen."
???: Rechnen Sie sich Chancen aus, mit dieser Petition gegen den Großkonzern Deutsche Bahn etwas ausrichten zu können?
Ulrike Newill: "Wir wissen natürlich, dass die DB eine starke Stellung hat und mehr oder weniger machen kann, was sie will. Aber: Wer sich nicht wehrt, wird überrollt im wahrsten Sinne des Wortes. Wir wollen keine schleichende Zunahme des Güterverkehrs vor unserer Haustür. Wir tragen schon lange die Belastung durch den Güterverkehr, aber mehr wollen und können wir nicht aushalten".
Weiterführende Informationen
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
Heike Schwitalla auf Facebook |
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