Der lokale Handel in der Corona-Krise
"Wir Unternehmer leben auch nicht nur von Luft und Liebe"
Kandel/Wörth. Der inhabergeführte Einzelhandel hat es in den deutschen Städten auch vor Corona schon nicht gerade leicht gehabt – es ist schwer sich gegen große Ketten oder gar die Konkurrenz aus dem Internet zu behaupten. Nach einem Jahr Corona ist die Situation der kleinen Unternehmen noch dramatischer - viele kämpfen ums Überleben und fühlen sich von der Politik allein gelassen.
Bücher nicht systemrelevant?
Die versprochenen Soforthilfen sind oft kompliziert zu beantragen, werden nicht schnell genug ausgezahlt oder reichen nach einem Jahr im Pandemie-Modus einfach nicht mehr aus. Sandra Nagel, seit 2009 Inhaberin von „S´Buchlädel“ im Wörther Maximiliancenter, kann ein Lied davon singen. „Aufgrund von Corona mussten Buchhandlungen schon im ersten Lockdown schließen, wobei es – wie auch jetzt im zweiten Lockdown – regionale Unterschiede gibt. In manchen Bundesländern wurden Bücher als systemrelevant eingestuft, in Rheinland-Pfalz leider nicht, das ist natürlich schade“, sagt sie. Auch ihre Mitarbeiter leiden unter der Krise. Ganz aktuell habe sie eine 450-Euro-Kraft entlassen müssen, berichtet sie: „Meine Buchhändlerin in Vollzeit ist bereits seit 1.Januar in Kurzarbeit- null", meine Auszubildende ist seit Mitte Februar – nach Ablauf der sechswöchigen Schutzfrist – ebenfalls in Kurzarbeit“, fasst die Unternehmerin ihre schlimme Lage zusammen.
Online-Shop und Abholservice
Und das obwohl sie alles versucht hat, um ihre Buchhandlung am Laufen zu halten. „Seit es am 16. Dezember in den zweiten Lockdown ging, bieten wir eine Abholstation an. Das heißt, wir sind zu bestimmen Zeiten im Laden telefonisch und per E-Mail erreichbar. In diesen Zeiten können vorbestellte Bücher direkt an einem entsprechend umgebauten Tisch bei uns an der Tür abgeholt werden. Und unser Onlineshop ist natürlich rund um die Uhr geöffnet“, erzählt sie. Dazu habe sie ihre Aktivitäten in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram ausgeweitet. „Da können wir unsere Kunden direkt ansprechen“, sagt Sandra Nagel. Dennoch reiche all das nicht, um nur annährend normale Umsätze zu erzielen. Denn gerade der stationäre Buchhandel hat es auch schon vor Corona schwer gehabt, zu groß die Konkurrenz aus dem Internet.
Schon im März 2020 hat Sandra Nagel deshalb die staatliche Corona-Soforthilfe für Unternehmer in Anspruch genommen. „Ich habe Ende März 2020 die Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro beantragt“, erzählt die Buchhändlerin. „Der Antrag zur Soforthilfe 2020 war relativ einfach zu stellen, wenn man alle benötigten Daten bereit hatte. Wir haben die Soforthilfe auch bekommen, aber bis zur Auszahlung hat es knapp vier Wochen gedauert – in der damaligen Situation viel zu lange. Das kann sich ja keiner vorstellen. Man saß regelrecht auf glühenden Kohlen. Denn die Lohnzahlung für die Mitarbeiter und alle anderen Kosten liefen weiter und es war fraglich, ob die Hilfe rechtzeitig vor der Auszahlung Ende April überhaupt ankommen würde. Es hat dann gerade noch gereicht.“
"Man steht selbst mit leeren Händen da"
Die Anspannung bei Unternehmern wie Sandra Nagel ist groß und ähnlich groß ist die Enttäuschung über den mangelnden Rückhalt aus der Politik: „Wenn Sie mich fragen, ob die Politik während Corona genug für uns kleine Unternehmen tut: Ein klares und sehr deutliches Nein! Man selbst als Unternehmer steht nämlich mit leeren Händen da. Die Soforthilfe war im Nachgang für mein Unternehmen ein großer Reinfall. Beispielsweise wurde Berechnung des dreimonatigen Zeitraums für die Soforthilfe nicht an dem Tag der Antragstellung begonnen, sondern mit dem Beginn des Monats der Antragstellung. „Ich habe den Antrag am 30. März gestellt, die Umsätze wurden aber vom 1.März an berechnet, obwohl wir erst am 18. März schließen mussten. Man durfte keinen Unternehmerlohn ansetzen, so dass man selbst zwar mehr gearbeitet als vor dem Lockdown, da Mitarbeiter in Kurzarbeit waren, aber nichts verdient hat“, klagt sie.
Das Gleiche gelte für die aktuellen Hilfen in diesem Jahr. Auch hier geht es bei der Überbrückungshilfe III lediglich um einen Teil der Fixkosten, nicht aber um den Unternehmerlohn. „Außerdem mussten wir Ende 2020 wir die Soforthilfe zurückzahlen. Man lebt aber doch auch als Unternehmer nicht von Luft und Liebe. Das wird von der Politik in keinster Weise gesehen. Außer, dass unser Arbeitsminister Heil 2020 gesagt hat, die Selbstständigen sollen doch Hartz 4 beantragen gehen. Das schürt nur noch mehr Wut“, fasst Sandra Nagel ihren Frust zusammen.
Auch die aktuellen Maßnahmen empfindet sich als notwendig, aber auch ungerecht: „Warum wird in Supermärkten nicht kontrolliert? Warum dürfen sich dort die Menschen tummeln? Ist dort, so wie es aktuell läuft, das Ansteckungsrisiko nicht vorhanden? Warum dürfen dort Bücher, Kleidung und ähnliches verkauft werden, während der Fachhandel geschlossen bleibt? Darauf hätte ich gerne Antworten von der Politik.“
Dauerlockdown kann keine Lösung sein
Die Maßnahmen müssen langsam aber sicher enden, findet sie. „Wenn es danach noch Einzelhändler und Gastronomen geben soll, die mit Herzblut ihr Unternehmen leiten, muss jetzt endlich etwas geschehen. Die Dauerverlängerung des Lockdowns kann doch nicht die Lösung sein. Wir alle haben Konzepte entwickelt, haben dafür gesorgt, dass in unseren Läden größtmögliche Sicherheit herrscht, haben auch sehr ärgerlichen Kunden die 10-qm-pro Person-Regel erklärt und alles gegeben, was möglich war."
Die Aussicht bei einer Inzidenzzahl von 35 öffnen zu können sei äußerst trüb. Das ist in ihren Augen keine Perspektive. „Wann werden wir das erreichen? Es muss andere Wege geben. Die Politik muss jetzt endlich die existenziellen Nöte der Unternehmer und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen in den Blick nehmen“, findet die Inhaberin von „S`Buchlädel“ in Wörth.
Immer wieder viele Änderungen
Mitarbeiter entlassen musste Beatrix Kirchhoff von „Sportmode Frey“ in Kandel zwar noch nicht, aber auch ihr Unternehmen befindet sich seit Februar in Kurzarbeit. Und auch sie ist verärgert: „Die Überbrückungshilfe beantragen wir erst noch, weil es doch immer wieder Änderungen gibt. Außerdem ist der Aufwand ist wie immer sehr groß“, klagt sie. Zudem werde der entgangene Umsatz bzw. Gewinn nicht erstattet. „Da sollte man wenigstens einen Anteil erstattet bekommen“, findet die Unternehmerin. Auch ihr Geschäft ist seit 16. Dezember geschlossen: „Seither bieten wir einen Abholservice vor dem Geschäft an. Auch können wir Ware im näheren Umkreis liefern“, berichtet sie Der Abholservice funktioniere recht gut, sei aber nicht mehr als ein 'Tropfen auf den heißen Stein'. „Wir würden uns doch noch einige Kunden mehr wünschen, die das nutzen. Es ist ja auch ganz einfach: Anrufen, abfragen ob die Ware da ist – und zu einer verabredeten Zeit abholen. Auch anprobieren ist kein Problem. Zum Beispiel unsere Wanderschuhe kann man direkt vor dem Geschäft testen.“
Die Corona-Maßnahmen hält sie für richtig und wichtig: „Allerdings sollte man den Einzelhandel, gerne auch mit sehr strengen Maßnahmen – wie etwa 20 bis 30 Quadratmeter pro Person - wieder öffnen lassen“, findet sie. „Wir hoffen nach der Öffnung auf eine gute Kaufunterstützung seitens unserer Kundschaft und hoffen, dass die Schließung im März aufgehoben wird“, blickt sie zumindest ein bisschen optimistisch in die nahe Zukunft.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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