Für Demokratie, Solidarität und Vielfalt
„Annweiler bekennt Farbe“
von Britta Bender
Annweiler. Ein breites Bündnis von Vereinen, den beiden Kirchen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, sowie die Parteien im Stadtrat, mit Ausnahme der AfD, luden am vergangenen Sonntag zur Protestkundgebung auf dem Rathausplatz in Annweiler ein. Gut fünfhundert Menschen hatten sich versammelt, um gemeinsam für Demokratie, Solidarität und Vielfalt zu demonstrieren. Sebastian Burger, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Zukunft Annweiler, moderierte die Veranstaltung.
Verbandsbürgermeister Christian Burkhart betonte gleich zu Anfang seiner Rede: „Hier ist kein Platz für Intoleranz, Hass und Demokratiefeinde!“ Solche Kundgebungen seien wichtig, um Aufmerksamkeit zu schaffen und zum Nachdenken anzuregen, denn es gebe Personen und Parteien, die nicht mit beiden Beinen auf dem Boden der Demokratie stünden. Seit Einzug der AfD in den Kreistag 2019 könne man erleben, wie menschenverachtend die Partei sei und vor allem sei sie gegen das Grundgesetz, weiß der Verbandsbürgermeister aus eigener Erfahrung zu berichten. Über politische Forderungen der Partei müsse aufgeklärt werden. Er zitierte den Deutschen Städte- und Gemeindeverbund:„die AfD hegt ein fundamentales Misstrauen gegenüber dem Staat und den Parteien in Deutschland, bis in die kommunalen Ebenen hinein“. Und: die AfD habe ein eigenes ethnisches Verständnis, welches Bürgerinnen und Bürger nicht deutscher Abstammung ausschließt. „Da müssen wir dagegen stehen und andere Menschen wachrütteln“, so Burkhart. Kluge Köpfe hätten einst das Grundgesetz entworfen, das damals wie heute gut funktioniere und welches es unbedingt zu schützen gelte.
Annweiler ist offiziell "Ort der Demokratiegeschichte"
Der erste Beigeordnete der Stadt, Benjamin Burckschat, der in Vertretung für den Stadtbürgermeister Benjamin Seyfried vor Ort war, zeigte sich überwältigt, ob der vielen Menschen, die gekommen waren, um „für ein buntes Deutschland, für eine bunte Demokratie, Farbe zu bekennen“. Gleich zwei Anträge wurden in der letzten Stadtratssitzung gestellt und beschlossen, die gezeigt haben, dass Annweiler für Demokratie einsteht: zum einen die Kündigung des Mietvertrags im Hohenstaufensaal mit der AfD, welche nun wegen versäumter Unterschrift der Partei, vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße vorerst stattgegeben wurde. Es wird also keinen „Bürgerdialog“ mit dem AfD-Chef Tino Chrupalla geben am Samstag, 23. März. Zum zweiten wurde im Stadtrat bestimmt, den Antrag für die Trifelsstadt zur Aufnahme als „Ort der Demokratiegeschichte“ zu stellen. Welcher inzwischen angenommen wurde. In seiner Ansprache warnte Burckschat vor Populismus: In einer immer komplexer werdenden Zeit mit unglaublicher Informationsflut, suchten die Menschen nach einfachen Antworten. Das sei gefährlich, denn manchmal seien Probleme nunmal nicht so einfach zu lösen und schon gar nicht in der Politik. Und vor allem seien die vermeintlichen Lösungen der AfD menschenverachtend und nicht auf Kompromisse aus. Man müsse genau hinschauen und darauf aufmerksam machen. Der erste Beigeordnete rief dazu auf, sich aktiv für die Demokratie einzusetzen, sich zu engagieren und wählen zu gehen.
Der evangelische Pfarrer Thomas Lang sprach - auch im Namen der katholischen Kirche in Annweiler - und freute sich, dass so viele Menschen gekommen waren, „um Farbe zu bekennen und denen zu zeigen, die behaupten „wir sind das Volk“, offensichtlich kundzutun: das sind sie nicht!“ Man habe die Freiheit über alles reden zu können. Freiheit könne bereichern und hilfreich sein, aber auch das Gegenteil bewirken, deshalb bräuchte Freiheit auch Regeln, „die die Vielfalt und das Bunte schützen sollen“. Die „Sache mit der Demokratie“ sei es wert, sich um sie zu bemühen. Zu streiten, Kompromisse zu finden und zu guten Lösungen zu kommen.
David Rosenberg vom jüdischen Studierendenverband, konnte nicht nach Annweiler kommen, hatte es sich aber nicht nehmen lassen, eine Ansprache aufzunehmen, die auf dem Rathausplatz in Annweiler zu Gehör gebracht wurde. Derzeit befände er sich auf dem Flug von Budapest nach Frankfurt. Er habe dort eine lebendige jüdische Gemeinde erlebt und erfahren, wie jüdisches Leben Teil der Gesellschaft ist, was er sonst nur aus Israel kennt. In Deutschland sei der Antisemitismus auf dem Vormarsch. Er wies auf die Bedrohung durch die AfD hin. Man dürfe nicht zulassen, dass die Intoleranz und der Hass, den sie verbreiten, unsere Gesellschaft vergifte. Man müsse für eine bessere Zukunft kämpfen.
Steffen Vey, Konrektor an der Realschule plus Annweiler, sagte, man sei hier, um Gedanken und Meinung frei zu äußern - eine Tatsache, die Schülerinnen und Schüler noch nie anders erlebt haben. Selbstverständlich sei dies aber nicht. Dass es aber andere Zeiten gab und man dieses hohe Gut schützen muss, ist Teil der Arbeit an Schulen. Hier würden die Weichen gestellt gegen Rassismus. Beispielsweise gab es eine Kunstaktion für alle Klassen während der „Internationalen Woche gegen Rassismus“. Die Werke werden ab kommender Woche ausgestellt sein. Oder: ab Klassenstufe sieben werden alle Schülerinnen und Schüler parallel zu der im Juni stattfindenden Europawahl die Juniorwahl durchführen, um das System von Wahlen, der freien Meinungsäußerung kennenzulernen, um sie auch in Zukunft aktiv ausüben zu können.
Schülersprecher André Kesse-Kuntz informierte über die Aktionen an der Realschule plus. Im letzten Schulhalbjahr habe es einen Workshoptag zum Thema „Mutmacher“ gegeben, den er der Menschenmenge vorstellte: „Mut begleitet uns überall und außerdem auch in der Demokratie. Mut, um seine Meinung zu äußern.“ Und es bräuchte Zivilcourage und Toleranz im Alltag. Deswegen sei es wichtig, sich gegen Mobbing und Diskriminierung einzusetzen. Im Mai wird er und weitere Schüler*innen am Demokratie-Tag Interessierte zum Thema aufklären. Er lud ein, in der Zeit vom 2. bis 15. Mai an der Schule vorbeizukommen und „wir machen Ihnen das Thema Demokratie schmackhaft.“
Jerome Spitzley, Sozialkundelehrer an der Realschule plus, ergänzte: „Die da oben“ machen doch eh, was sie wollen, so sei die Meinung. Dass dem nicht so ist, sei Ziel der Demokratie-Wochen. Mit den 7. Klassen wird man sich mit den Gefahren von Hass und Intoleranz im Internet und sozialen Netzwerken auseinandersetzen. Die 8. Klasse dürfen bei der Verbandsgemeindeverwaltung „reinschnuppern“ und lernen, wie Gemeindepolitik wirklich funktioniert. Mit den 9. Klassen wird das Hambacher Schloss besucht. Die 10. Klassen erkunden bei einem Planspiel, wie Zusammenleben und Zusammenhalten funktioniert, wie komplex manche Entscheidungsprozesse sein können.
Sebastian Hey-Brenkert, Gewerkschaftssekretär bei Verdi: „wer Demokratie behalten will, muss sich auch erinnern und erkennen, warum nur die Demokratie die Antwort sein kann.“ Die Gewerkschaften fordern: „kein fußbreit den Faschisten!“
Omas gegen Rechts
„Als wir Frauen mehr Rechte gefordert haben, meinten wir keine Nazis!“ so Petra Fischerkeller, von den „Omas gegen Rechts“. Man habe für Gleichberechtigung gekämpft und müsse es weiterhin tun. Mir großem Entsetzen sehe man jetzt eine Partei an die Macht streben, die das Rad wieder zurückdrehen wolle. Frauen zurück als „Heimchen am Herd“. Ein weiteres von vielen angeführten Beispielen, die Fischerkeller aufzählte: „Alleinerziehende Frauen sollen nach dem Willen der AfD keine staatliche Unterstützung mehr erhalten, weil sie nicht in einer ,normalen’ Familie leben.“ Und: Frauen sollen laut AfD bei „entsprechender Eignung“, zu einer Eizellenspende verpflichtet werden.
Unser Grundgesetz wird am 23. Mai diesen Jahres 75 Jahre alt. Damals befand sich Deutschland am Tiefpunkt seiner Geschichte. „Damals stand eine ungeschrieben Überschrift über dem Text und die lautete: nie mehr wieder!“ Diese stünde dort auch noch heute und für die Zukunft. Öffentlich und im privaten Umfeld Haltung zeigen, für eine gute Zukunft, dazu rief Fischerkeller auf, „denn sonst haben wir alle bald ein gewaltiges Problem!“
Die Aussagen der AfD ernst nehmen
Auch Alexander Schweitzer, Südpfälzer und Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz, warnte ebenfalls - wortgewaltig. Es sei eine Illusion zu glauben, die Aussagen der AfD seien nur Wichtigtuerei, die nicht ernstzunehmen sei, weil zu skurril. „Die meinen jeden einzelnen Satz genau so, wie sie ihn sagen“, rief Schweitzer mit Nachdruck den Menschen auf dem Rathausplatz zu. Alle, die dieser Partei nicht ins Konzept passen, werden Probleme bekommen. Selbstverständlich auch alle, die derzeit auf die Straße gehen, sich für Demokratie einsetzen. „Wir dürfen uns das Land nicht aus der Hand nehmen lassen“, so der Minister,„die Rechtsradikalen müssen sehen, dass wir die Mehrheit sind“.
Viele würden sich fragen: „was kann ich denn tun?“ Einer der Aufrufe von Schweitzer: „Nutzen sie ihr Wahlrecht und wählen sie eine Demokratische Partei. Es gibt viele davon. Suchen sie sich eine aus. Jede einzelne ist besser als die rechtsradikale AfD.“
Terminhinweis
Am Samstag, 23. März, bietet sich ab 12.30 Uhr vor dem Hohenstaufensaal eine weitere Möglichkeit, Farbe zu bekennen. Unter dem Motto „Trifelsland bleibt bunt statt blaubraun“, bereiten der Verein für Toleranz und Menschlichkeit Südpfalz (ToM), die Gewerkschaft Verdi und die Omas gegen Rechts Landau diese Veranstaltung vor.
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
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