"Wir wollen unsere Hermine wieder haben"
Ottersheim/Lingenfeld/Römerberg. Ihre Kunden nennen sie liebevoll "Hermine" und halten mitunter auch schon mal ein Tässchen Kaffee parat, wenn Katrin Geng an der Tür klingelt. Bei einer ihre Stammkundinnen kündigt sich die 28-Jährige schon im Hof mit einem lauten "Juhu" an - schließlich soll sich die Dame nicht erschrecken, wenn die Fahrerin, die im Auftrag von Hermes unterwegs ist, ein Paket bringt.
Mit ihrem Spitznamen kann die zierliche junge Frau gut leben. "Ich mag Harry Potter, das passt also", sagt sie lächelnd. Überhaupt lächelt Katrin Geng sehr viel. Sie mag ihren Job. Und sie mag ihre Kunden. Stets hat sie einen freundlichen Spruch auf den Lippen. Mit vielen ihrer Kunden hält sie einen kleinen Schwatz - gerade, wenn kleine Kinder im Haus sind. Man duzt sich - und man sieht sich regelmäßig. Da kommt es schon auch mal vor, dass man ihr ein Baby in den Arm drückt, um mal eben rasch etwas zu erledigen.
"Katrin, Du gehörst doch schon dazu - wann ziehst Du endlich nach Römerberg?" - Diese Frage wird ihr öfter gestellt. Doch noch fühlt sich die gebürtige Brandenburgerin in Landau sehr wohl - und kommt nur zum Arbeiten nach Römerberg. Heute sind rund 100 Stopps auf ihrer Tour eingeplant - noch ist Ferienzeit und das Paketzusteller-Geschäft derzeit eher ruhig. "Wenn man sich 'verbabbelt', dann dauert die Tour eben etwas länger", erklärt sie schulterzuckend. Normalerweise ist sie zwischen sechs und sieben Stunden unterwegs.
Anschnallen lohnt sich nicht - und für Paketzusteller gilt eine Ausnahmeregelung. Alle paar hundert Meter hält Katrin Geng den Transporter an, greift sich ein Paket und geht zur Türklingel. Zur Orientierung dienen ein Tablet sowie der gelegentliche Blick auf den Tourenzettel. Gleich die zweite Kundin in Lingenfeld öffnet nicht - obwohl das Fenster offen steht und der Hund bellt. Kein Problem, im System ist ein Ablageort hinterlegt. Dort verstaut Katrin Geng das Paket und schreibt eine Benachrichtigung, die sie locker unter die Briefkastenklappe steckt, damit die Kundin sie bei ihrer Rückkehr gleich entdeckt.
"Da ist vermutlich keiner da, das Auto steht nicht vor der Tür", weiß die Paketzustellerin an einem anderen Haus. Die Nachbarin, die heute ebenfalls ein Paket erhält, will ihr selbstgemachte Tomatensuppe mitgeben, doch Katrin Geng mag keine Tomaten. Bei weißer Schokolade oder Kaffee sagt sie allerdings selten nein. Geduldig erklärt sie einem ihrer Kunden, wie das mit dem Unterschriftenpad funktioniert, beim nächsten nimmt sie eine Retoure mit zurück, zuerst zum Transporter und später ins Lager.
Nicht immer läuft alles rund: Für einen Kundin sollten laut Plan zwei Pakete da sein. Katrin Geng findet nur eines. "Du, wenn ich es noch finde, dann bringe ich es Dir später vorbei - und falls ich es im Depot vergessen habe, dann morgen, okay?" - "Nicht schlimm." Die Kundin sieht es entspannt, sie weiß, dass man sich auf Katrin verlassen kann. "Wenn man sich kennt, dann geht das." - Diesen Satz sagt Katrin Geng an diesem Tag mehr als einmal.
Wenn sie die Kunden nicht kennt und nichts vereinbart ist, dann gibt sie ein Paket weder beim Nachbarn ab, noch steckt sie es in den Briefkasten. Sie kommt einfach am nächsten Tag wieder. Denn wenn das Paket abhanden kommt, wird sie in Haftung genommen. Das kam bei ihr allerdings noch nie vor. Sie klingelt an der nächsten Tür. Und gibt der älteren Kundin, die sich schwer tut, zur Tür zu laufen, das Päckchen direkt durchs offene Fenster, das allerdings so hoch liegt, dass voller Körpereinsatz notwendig ist.
Die nächste Kundin ermahnt Katrin, nicht zu viel zu arbeiten. Die Paketzustellerin ist gerührt: "Die Kunden schauen auch nach einem." Die nächste Zustellung dann im Mehrfamilienhaus: Alle sechs Klingeln probiert sie durch, doch keiner öffnet ihr die Tür, obwohl im Erdgeschoss die Fenster offen stehen. Karin Geng winkt ab: "Sind sicher alle im Garten und hören die Klingel nicht, das kam schon ein paar Mal vor." Auch hier wird sie morgen nochmal vor der Tür stehen.
Wie beliebt Katrin Geng in Lingenfeld und Römerberg ist, davon weiß ihr Chef Yusuf Özgüler, der in Ottersheim die Firma Z & Y Logistik betreibt, ein Lied zu singen. Einmal nämlich, da wollte er die junge Frau, die seit drei Jahren für ihn arbeitet, anderweitig einsetzen. Vor allen Dingen in Römerberg war man davon wenig angetan und sammelte sogar Unterschriften. Der Tenor: "Wir wollen unsere Hermine wieder haben". Am Ende hat's geklappt. Und Katrin Geng fährt wieder ihre alte Tour. [cobc]
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.