BRUCHSALER KULTURFENSTER
Aufruf an alle „Freundinnen der Armen“

Foto: Stadtarchiv

Die Zeichnung von zwei Händen mit ausgestreckten Zeigefingern zeigen von rechts und links auf die Überschrift. „Aufruf!“ steht da in dicken Frakturlettern und darunter die Erläuterung: Um der „Noth des Augenblickes“ zu begegnen, werden „hiesige Frauen, deren Verhältnisse es immer erlauben“ aufgerufen, sich einem neuen Wohltätigkeitsverein anzuschließen. Diese Anzeige druckte das „Bruchsaler Wochenblatt“ am 24. Januar 1854 zwischen Mietannoncen und Kurznachrichten. Einige Tage später, am 1. Februar 1854, folgte dann die Einladung zur Gründungsversammlung im Rathaussaal. Dort wurde am 3. Februar die Gründung eines Frauen-Vereins beschlossen und über Statuten beraten. Dass der Verein demokratisch aufgebaut war, zeigt sich nicht nur an der Wahl eines fünfköpfigen Vorstandes und eines Ausschusses, sondern auch daran, dass über die ausgearbeiteten Statuten bei einer Folgesitzung noch einmal beraten wurde sowie die Zusicherung erging, dass über die Verwendung der Mittel „gewissenhaft Rechenschaft“ abgelegt werden würde. Dass der Verein jedoch einer traditionellen Auffassung von Armenfürsorge anhing, wird in der Bedingung deutlich, dass eine „sittliche Würdigkeit“ der hilfsbedürftigen Personen vorliegen musste. Wen genau dies ein- oder ausschloss, darüber entschied der Vereinsausschuss selbst. Wer waren die Mitglieder der Gremien? Die Frauen kamen überwiegend aus dem Beamten- und Handwerksmilieu, waren verheiratet, in ihren 40ern oder 50ern und religiös gemischt, neben den Katholikinnen waren auch mindestens zwei evangelische und zwei jüdische Frauen vertreten.
Im weiteren Verlauf des Jahres meldete sich der Frauen-Verein immer mal wieder mit Veranstaltungsankündigungen oder Tätigkeitsberichten in der Zeitung. So wurde ein Wohltätigkeitskonzert mit der Musikschule organisiert und eine Lotterie. Neben einer direkten Hilfe mit Nahrungsmitteln und, in Ausnahmefällen, Geld, wurde in den Monaten Februar bis Mai an mehreren Tagen der Woche Suppe ausgegeben. Ein Bericht im Mai informierte über ausgegebene 60 Laib Brot, 70 Sester Kartoffeln (z.T. als Saatkartoffeln), Fleisch, Reis und Gerste sowie 320 Suppenportionen und etwas Bargeld. Eine Arbeitsschule für die Kinder verarmter Familien mit Unterricht im Nähen wurde ebenfalls angeboten. Der Verein hatte dazu eine Lehrerin eingestellt und einen Raum für über 80 Kinder angemietet. Im Dezember bedankte man sich für Geschenke, die an die Zöglinge ausgeteilt wurden. Die Auswertung der Tätigkeit des Frauen-Vereins im Stadtarchiv muss sich quellenbedingt leider auf die Zeitungsberichte beschränken und kann noch bis ins Jahr 1859 fortgesetzt werden.
Text: Stadtarchivarin Dr. Tamara Frey

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