Das wird der Barockstadt Bruchsal nicht gerecht

Auch wenn man in Bruchsal viel dafür getan hat, diese Stadt über die Jahrzehnte hinweg autogerecht zu machen, so tat sich bis vor wenigen Tagen doch ein kleines Hemmnis auf, das den einen oder anderen Autofahrer, der, von der Ampelanlage am Schönbornplatz kommend in die Huttenstraße - früher sagte man „Kaffeegass'“ - abbiegen wollte, aller mindestens nervte, vielleicht auch ärgerte. Denn einige Wochen konnte die Huttenstraße nur bis etwas unterhalb vom Gässchen „Am Alten Schloss“, das hinunter zur Pfeilerstraße und zum Bürgerzentrum führt, befahren werden. Meterhohe, mit Werbeplanen bespannte Baugitter versperrten die Zufahrt zur weiteren Huttenstraße, dem Altenzentrum oder dem Paulusheim, denn es wird derzeit in der Huttenstraße, schräg gegenüber von der Gasse „Am Alten Schloss“ gebaut.

Am 1. März 1945 wurde das Gebäude in der Huttenstraße 15, auf diesem Grundstück wird derzeit gebaut, total zerstört, lediglich ein magerer Gebäuderest, ein Torbogen, eine zugemauerte Tür und vermauerte Fenster erinnerten über die letzten 74 Jahre an diesen schlimmsten Tag in der Geschichte unserer Stadt, den Fliegerangriff, der über 1.000 Bruchsalerinnen und Bruchsalern das Leben kostete. Nun wurde diese letzte Kriegsruine unserer Stadt abgeräumt – für den Neubau „einer ertragsstarken Immobilie“, so die Pressestelle der Bauherrin, der Bruchsaler Bürgerstiftung, einer Gewerbe-Immobilie, die die „Handlungsfähigkeit der Bürgerstiftung Bruchsal“ sichern soll.

Dies ist auf jeden Fall eine gute Sache, da durch diese kommerzielle Verwertung des Grundstückes durch Vermietungen, beispielsweise an die angrenzende Steuerberatungskanzlei, die Stiftung Erträge erwirtschaften kann, mit denen die Stiftungszwecke, wie beispielsweise Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Umwelt- und Naturschutz, Landschafts- und Denkmalschutz oder auch Heimatpflege erreicht werden können. In ihrem Leitbild betont die Bürgerstiftung Bruchsal: „Bruchsaler haben über Generationen hinweg ein einmaliges Stadtbild geprägt. Charakteristische Gebäude, ein funktionierendes Wirtschaftsleben, soziale Einrichtungen sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen“. Die Bürgerstiftung ist mittlerweile ein äußerst wichtiger Player in der Bruchsaler Stiftungsszene. Nicht umsonst wurde deren Vorsitzender Vorstand Gilbert Bürk kürzlich mit dem Bundesverdienstkreuz „für sein übergroßes soziales Engagement“ ausgezeichnet.

Nun kann man sicher nicht alles Alte bewahren, denkmalschützerisch war diese Ruine in der Huttenstraße sicher nicht wertvoll, die historische Substanz der Mauerreste war wohl zu gering. Und eingedenk eines in Bruchsal oft zu hörenden Seufzers, irgendwann müsse doch in dieser Stadt das Gedenken und Erinnern mal ein Ende haben, ist der Abriss dieser Kriegsruine nur folgerichtig. Die letzten Erinnerungsreste an den 1. März 1945 sind jetzt eben weg. Da hilft kein Lamentieren, kein Klagen oder Jammern. Der Investor hat von der Stadtverwaltung die Freigabe zum Abriss bekommen. Der Architekt hat einen einfachen Zweckbau präsentiert. Geschichtsbewusste Bürgerinnen und Bürger mögen dies beklagen, doch Denkmal- oder Ensembleschutz konnten keinerlei Einhalt bieten, diese historisch so wichtigen Fragmente zu entfernen.

Nun könnte man es dabei belassen. Weg ist weg. Schade. Doch durch den geplanten Neubau entstehen andere Probleme für unser Stadtbild. Wie mittlerweile bekannt wurde, soll dort, wo bis vor kurzem die letzten Mauerreste des am 1. März 1945 zerstörten Anwesens standen, ein mächtiges Gebäude entstehen, das, so die derzeitige Diskussion in Bruchsal, den für unsere Stadt so wichtigen, historisch bedeutsamen und sensiblen barocken Straßenzug der Huttenstraße wohl auf Dauer beschädigt. Bisher zeigte die Huttenstraße eine weitgehend einheitliche barocke Struktur im Straßenzug. Doch die Planungen präsentieren einen groß dimensionierten Bau, der diese wertvolle Barockstruktur jäh unterbricht und zerstört, und dies in einer Stadt, die sich gerne mit dem Attribut „Barockstadt“ schmückt.

Dass man auch anders mit unserem städtischen Erbe umgehen kann, zeigte die Städtische Baubehörde bereits kurz nach dem Krieg, als der Wiederaufbau unserer Stadt anstand. Kurz nach dem 2. Weltkrieg, in den Jahren 1946/48, wurden große Teile der Huttenstraße wieder aufgebaut. Damals befürwortete die Städtischen Baubehörde einen Wiederaufbau im Sinne des Denkmalschutzes und war sich der enormen Wichtigkeit der Huttenstraße für unsere Stadt sehr wohl bewusst. Und dies trotz widriger Umstände: Völlige Zerstörung des Stadtzentrums, Handwerkermangel oder fehlendes Baumaterial. Wie äußerst wichtig unseren Altvorderen ihre Stadt war zeigt ein Schreiben vom 7. Januar 1948: „Mit Rücksicht auf die kunsthistorische Bedeutung der Huttenstraße ist unbedingt auf eine einheitliche Lösung der Dachformen Bedacht zu nehmen.“  Die Bauherren der 1948er Jahre nahmen dies für ihre Heimatstadt in Kauf, trotzdem sie durch diese Auflagen in einer Zeit, wo es eh wenig Geld gab, finanziell schwer belastet wurden.

Es ist schade, dass dieser Entwurf zugelassen wurde und umgesetzt werden soll. Ein Entwurf, der dem Anspruch „Barockstadt“ nicht gerecht wird. Es wäre schade, wenn das Ensemble in der Huttenstraße, in einer Stadt, deren bauliche Substanz zu 80 % einem Fliegerangriff zum Opfer fiel, jetzt vernichtet würde. Ob sich das Ruder noch herumreißen lässt?

Autor:

Rolf Schmitt aus Bruchsal

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