Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal
Es gibt kein Sparen ohne Schulden!
In normalen Zeiten laden wir am JKG externe Expert*innen in unsere Schulaula ein – so z. B. Gregor Gysi im Herbst 2019. Aufgrund der derzeitigen Situation ist dies jedoch nicht möglich. Die Verlagerung des Unterrichts ins Home-Office bringt jedoch neue Möglichkeiten mit sich. So wird der Leistungskurs Politik von Herrn Fuchs derzeit in Online-Sitzungen durchgeführt.
In unserer Online-Stunde am 29.04.2020 hatten wir den renommierten Volkswissenschaftler Heiner Flassbeck (u.a. langjähriger Chefökonom der UNO im Bereich Welthandel und Entwicklung; Staatssekretär im Finanzministerium), aus der Region Genf zugeschaltet. In Form eines einstündigen Radiointerviews beantwortete er die vielen Fragen der Schüler*innen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise. Flassbeck war bereits 2016 zu Gast am JKG (siehe Foto) und warnte damals vor den Folgen der starken Exportabhängigkeit Deutschlands, die er auch diesmal nochmals bekräftigte.
Für ihn stellt die Corona-Krise einen wirtschaftlichen Schock dar, den man bisher nicht kannte, weil er bewusst von der Politik "verursacht" worden sei, um Menschenleben zu schützen. Im Vergleich zur Weltwirtschaftskrise von 2008 befürchtet er dieses Mal einen viel größeren Einbruch des Bruttoinlandsproduktes in der Bundesrepublik Deutschland, der mehr als 10% oder im schlechtesten Falls sogar mehr als 15% betragen könnte.
Auf die Frage einer Schülerin, ob der Staat bereits nach einem Jahr wieder zur "Schwarzen Null" zurückkehren sollte, antwortete Flassbeck, dass Deutschland selbst nur eine "Schwarze Null" halten könne, wenn andere Länder bereit wären sich zu verschulden, um in Deutschland einzukaufen. Dies sehe er in der gegenwärtigen Situation jedoch nicht. Dabei bringt er es auf eine kurze Formel: "Es gibt kein Sparen ohne Schulden!" Grundsätzlich stellt er somit das Prinzip der "Schwarzen Null" in Frage, weil es wirtschaftspolitisch nicht logisch sei.
Laut Flassbeck wäre es nun viel wichtiger die vielen Unternehmen zu stützen, die um ihre wirtschaftliche Existenz bangen müssten. Dabei seien Kredite, aber auch andere Staatshilfen notwendig, bis sich die Lage wieder stabilisiert habe. Bezüglich der Auszahlung von Kurzarbeitergeld habe er sich bereits zu Beginn eine Garantie von 100% des Lohnes z. B. für drei Monate für die Beschäftigten gewünscht, um ihnen die entsprechende Sicherheit zu geben, bis die schwierige Phase vorüber sei. Dies sei allein deshalb notwendig, um die Nachfrage nach dem „Shutdown“ wieder zu generieren.
Der Experte antwortete auf die Frage eines Schülers nach der Dauer der Krise, dass wir mit den wirtschaftlichen Folgen leider noch lange zu tun haben werden. Für Flassbeck steht außer Frage, dass dabei die EU und die EZB eine viel wichtigere Rolle spielen sollten und die nationalen Alleingänge beendet werden müssten.
Insgesamt resümierte der Kurs, dass das Interview mit Heiner Flassbeck eine sehr interessante Erfahrung war, vor allem, weil man die eigenen Fragen von einem Wirtschafts- und Finanzexperten direkt beantwortet bekam.
Text/Foto: M. Fuchs
Autor:Patrick Wippel (JKG Bruchsal) aus Bruchsal |
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