Das Goethe-Gymnasium Germersheim beim Schüler-Landtag
Antrag zur Nutzung von Microsoft Teams
Germersheim. 1985 führte der Landtag Rheinland-Pfalz einen Schüler-Landtag ein. Das parlamentarische Rollenspiel hat sich seitdem zu einem anspruchsvollen Projekt der politischen Bildung entwickelt, mit dem Jugendliche direkt Einfluss auf die Landespolitik nehmen können. Schulklassen aus verschiedenen Schularten und unterschiedlichen Regionen des Landes bilden "Fraktionen". Sie beraten Anträge zu landespolitischen Themen, die sie zuvor in ihren Schulen intensiv vorbereitet und selbst ausgearbeitet haben.
Brandaktuelles Thema Fernunterricht
Auch die Klasse 10a des Goethe-Gymnasiums Germersheim ist dieses Jahr mit dabei und ihr Antrag könnte kaum aktueller und brisanter sein. Die Fraktion, die sich „Goethe Goes Digital" (GGD) nennt fordert die verpflichtende Nutzung der Programme „Big Blue Button/Moodle“ beim Fernunterricht zu Gunsten der Plattform "Microsoft Teams" abzuschaffen. Bereits ab Sommer 2021 sollte den Schulen die Zulassung für "Teams" datenschutzrechtlicher Bedenken entzogen werden, die Schonfrist ist nun bis 2022 verlängert. Alternativ werden vom Land die Programme „Big Blue Button/Moodle“ bereitgestellt, die jedoch in den letzten Monaten durch ihre mangelnde Funktionsfähigkeit und Stabilität starker Kritik ausgesetzt waren und bei den Schüler nicht besonders beliebt sind. Und das hat Gründe: Im Fernunterricht "pendeln" die Schüler zwischen "Moodle", der Aufgabenplattform und "Big Blue Button (BBB)", dem Tool für Videokonferenzen. "Teams" bietet all diese Funktionen mit einem zusätzlichen Aufgabenbereich und Kalender in einer Anwendung. Die Schüler bemängeln auch ganz konkret die Instabilität der Programme und ihrer Server. Julian Felker, Schüler am Goethe und in der GGD-Fraktion zum Vizepräsidenten gewählt, erklärt: "Während wir in `Teams` problemlos mit 40 oder mehr Schülern in einer Sitzung sind, bricht bei BBB oftmals mitten in der Stunde einfach alles zusammen, das kostet nicht nur Zeit, sondern unterbricht auch das Lernen." Die Präsidentin in der Fraktion, die 15-jährige Angelika Bopp ergänzt: "Der Fernunterricht ist doch schon schlimm genug. Stellen Sie sich mal vor, Sie sitzen den ganzen Tag vor einem schwarzen Bildschirm, weil man in BBB, um Serverkapazitäten zu sparen, die Kameras ausschalten muss. Das ist furchtbar. In `Teams` können wir die Kameras wenigstens anlassen, wir können und sehen, dann ist der Fernunterricht wenigstens ein bisschen erträglicher."
Sitzung am 15. Juni - in Mainz oder virtuell
Die Klasse geht nicht unvorbereitet in die Schüler-Landtagssitzung am 15. Juni - die je nach Pandemie-Lage digital und vor Ort in Mainz durchgeführt wird. Sie haben recherchiert und Fakten zusammengetragen, die für eine dauerhafte Nutzung von `Teams` sprechen. Besonders Lisa Hoffmann, die 16-jährige Fraktionsvorsitzende, hat ihre Freizeit geopfert, um sich und ihre Mitschüler zu informieren. Vom Datenschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg hat sie Informationen zum Teams-Modellprojekt erhalten und auch in die Schweiz, wo Microsoft bereits DSGVO-konform agiert, gab es Kontakte. Dazu gab es weiter Expertengespräche mit einem Vertreter des Landesdatenschutzbeauftragten in Rheinland-Pfalz, mit dem Datenschutz-Verantwortlichen der Schule und dem Politiker Martin Brandl. Der Landtagsabgeordnete war in Mainz auf die Teilnahme der Germersheimer Schule aufmerksam geworden und bat spontan Unterstützung an.
So haben die Schüler aus Germersheim schnell Fürsprecher für ihren Antrag bekommen. Klassenintern war das erst einmal gar nicht so einfach, da musste er sich gegen das Thema "Legalisierung von Cannabis" durchsetzen, wie Julian Felker berichtet. "Wir sind aber sicher, dass das auch für die anderen teilnehmenden Schulen und für alle Schüler im Land ein wichtiges Thema ist. Es ist aktuell und betrifft direkt unser Leben", sagt Merle Fischer, 15 Jahre alt und stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
Andere Anträge befassen sich mit der Kostenübernahme der Krankenkassen für Liposuktionen bei Lipödem und mit Maßnahmen zur Beförderung des ökologischen Umbaus der Landwirtschaft. Komplexe Themen, auf die die Klasse bei der Sitzung am 15. Juni ebenfalls gut vorbereitet sein muss, schließlich soll der Schüler-Landtag auch darüber entscheiden, außerdem können die Fraktionen vor der eigentlichen Sitzung auch Änderungsanträge einbringen. Deshalb werden die anderen Anträge gerade in Gruppenarbeit aufbereitet und dann in der Klasse präsentiert, erklärt der verantwortliche Lehrer Michael Breckheimer, der Deutsch und Sozialkunde unterrichtet.
Was kann ein Antrag aus dem Schüler-Landtag bewirken?
Die Beschlüsse des Schüler-Landtags werden an die zuständigen Fachausschüsse zur weiteren Behandlung überwiesen - und haben so die Chance, in das Tagegeschäft der Landtagspolitik Einzug zu halten. Selbst wenn die Goethe-Schüler mit ihrem Antrag nicht durchkommen sollten, haben sie Hoffnung etwas zu bewegen: "Wir hoffen natürlich, dass unser Antrag durchkommt. Er passt gut in den Landtag und die Politik interessiert sich ja auch für dieses Thema", sagt Julian. Merle ergänzt: "Und selbst wenn wir `Teams` nach 2022 wirklich nicht weiter nutzen dürfen, schaffen wir es vielleicht, dass sich die Landesregierung dann mit Moodle und Big Blue Button beschäftigt und beide Programme und Server optimiert, damit man damit ordentlich arbeiten kann."
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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