Forschungsergebnis
Windräder in Wäldern gefährden Fledermäuse
Berlin / Wilgartswiesen (Südwestpfalz). In die Diskussion, ob auch Wälder für Windkraftanlagen in Frage kommen, bringt aktuell ein Forschungsteam des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW, Berlin) spezifische Untersuchungsergebnisse ein. Für bedrohte Fledermausarten könnte Windenergieerzeugung an solchen Standorten mit „erheblichen Nachteilen“ verbunden sein, lautet das Resultat.
Derzeit wird über Windkraftanlagen im Pfälzerwald kontrovers diskutiert, darunter auf dem 610 Meter hohen Langerkopf in der Südwestpfalz (Gemarkung Wilgartswiesen, Verbandsgemeinde Hauenstein). Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz lehnt nach bisheriger Positionierung diesen Standort ab. Der Status des deutsch/französischen UNESCO-Biosphärenreservates Pfälzerwald-Nordvogesen dürfe keinesfalls gefährdet werden (wir berichteten).
Mittlerweile befänden sich in Deutschland mehr als acht Prozent der Windkraftanlagen in Waldgebieten, teilen die Forscherinnen und Forscher des Leibniz-IZW mit. Eine deutliche Zunahme sei zu erwarten, weil in der offenen Fläche geeignete Standorte rar würden. Vor diesem Hintergrund untersuchten sie Fragestellungen aus ihrem Fachgebiet. In einem in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Current Biology (englisch) veröffentlichten Aufsatz kommen sie nun zum Ergebnis, Windenergieerzeugung in Wäldern könnte mit erheblichen Nachteilen für bedrohte Fledermausarten verbunden sein. Die Spezies Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) hätten ein hohes Kollisionsrisiko und sei zudem vermehrt an Windkraftanlagen in Wäldern anzutreffen, wenn diese in der Nähe ihrer Quartiere stehen. Fern ihrer Quartiere hingegen würden solche Anlagen gemieden, was praktisch zu einem Lebensraumverlust führe.
„Große Abendsegler leiden den Ergebnissen der Untersuchung nach doppelt unter dem Windenergieausbau im Wald. Sie sind der wachsenden Gefahr ausgesetzt, mit den Anlagen zu kollidieren und dadurch getötet zu werden, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren gebaut werden“, wird geschildert. Demzufolge müsse „der Windkraftausbau in Wäldern mit großer Sorgfalt und Umsicht erfolgen“. Zu Quartierstandorten von Fledermäusen sollte ein Mindestabstand von 500 Metern eingehalten werden, lautet die Empfehlung.
„In Wäldern kommt eine Vielzahl von Fledermausarten vor, da es hier viele Baumquartiere und zudem viele geeignete Jagdlebensräume mit hohen Insektenvorkommen gibt“, schildert Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Darunter sind auch Arten wie der Große Abendsegler, der in Deutschland am häufigsten an Windkraftanlagen zu Tode kommt. Laut dem Bundesamt für Naturschutz nehmen die Bestände dieser Art deutschlandweit ab.“ Es sei „deshalb dringend geboten, die Interaktion der Fledermäuse mit den Windkraftanlagen im Wald genauer unter die Lupe zu nehmen“, betont er.
„Wir stellten fest, dass Große Abendsegler besonders dann mit hoher Wahrscheinlichkeit Windkraftanlagen anflogen, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren standen“, berichtet Christian Voigt. Fledermäuse würden exponierte Strukturen oftmals als sozialen Treffpunkt nutzen und vermutlich deshalb vermehrt die hochragenden Windkraftanlagen anfliegen, wenn diese in der Nähe ihrer Quartiere stehen. Dies berge für die Tiere ein hohes Risiko mit den Rotorblättern zu kollidieren. „Windkraftanlagen müssten demnach in ausreichender Entfernung zu bestehenden Baumquartieren aufgestellt werden“, fordert Christine Reusch, Erstautorin des Aufsatzes und warnt: „Da Quartiere jedoch auch neu entstehen können, besteht die Gefahr, dass vermeintlich sichere Windkraftanlagen, die während der Genehmigungsphase in ausreichend großem Abstand zu Fledermausquartieren aufgestellt wurden, später zur Todesfalle werden“.
Eine Datenanalyse, in der alle Ortungen in der Nähe von Quartieren unberücksichtigt blieben, habe zusätzlich ergeben, dass Große Abendsegler jenseits von Baumquartieren Windkraftanlagen meiden. „Was sich nach einer guten Nachricht anhört, birgt auch ein Problem: Durch das Meidungsverhalten verlieren Große Abendsegler wichtige Jagdlebensräume“ , fürchtet Christian Voigt. „Ein naturverträglicher Ausbau ist angesichts der komplexen Interaktion der Fledermäuse an Windkraftanlagen in Wäldern eine große Herausforderung“, folgern er und Christine Reusch abschließend.
Das Team untersuchte das „Raumnutzungsverhalten“ von 60 Großen Abendseglern mit Hilfe miniaturisierter GPS-Logger. Diese speziellen Satelliten-Navigationsgeräte dokumentierten die Flugpfade dieser Fledermäuse über eine bis zwei Nächte und fielen dann restlos vom Tier ab.
Autor:Werner G. Stähle aus Hauenstein |
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