Woher stammt der Brauch?
Gruseln an Halloween: Wissenschaftler der DHBW Karlsruhe erklärt den Brauch aus neurowissenschaftlicher Sicht

Foto: Bild: DHBW Karlsruhe//RAS

Woher stammt der Brauch?
Am 31. Oktober, der Nacht vor Allerheiligen, ist es wieder soweit: Die Halloween-Nacht. Bereits die Kelten feierten das Fest Samhain. Um die bösen Geister zu verjagen, verkleideten sie sich furchteinflößend. Kleine Gaben („treats“) vor den Häusern sollten sie besänftigen. Im 19. Jahrhundert brachten irische Einwanderer diesen Brauch mit nach Amerika, der mittlerweile auch in Deutschland sehr beliebt ist. Zombies, Vampire und Horror-Clowns treiben nun auch hier ihr Unwesen und sorgen für Angst und Schrecken.

Neurowissenschaftliche Perspektive
Doch wie lässt sich dieses schaurige Vergnügen neurowissenschaftlich erklären? Eine Einordnung dazu gibt Jan Michael Rasimus, Leiter des Eye Tracking-Labors der DHBW Karlsruhe.

Warum haben Menschen Angst?
Angst ist eine Basis-Emotion. Sie versetzt den Körper bei Gefahr blitzschnell in Alarmbereitschaft. In der Evolutionsgeschichte war es oft überlebenswichtig, bei plötzlichen Bedrohungen (zum Beispiel durch den Säbelzahntiger) sofort körperlich zu reagieren noch bevor eine Situation im Detail erfasst wurde. Dieses Notfallprogramm ist bis heute tief im Menschen verankert.

Welche Prozesse laufen im Gehirn ab?
Einfach erklärt geht es um das Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Hirnarealen, um auf bedrohliche Sinneswahrnehmungen aus der Umwelt zu reagieren.
• Der schnelle Weg geht über die Amygdala (Mandelkern). Sie ist als Teil des limbischen Systems, einem evolutionsgeschichtlich sehr alten Hirnareal, für die emotionale Bewertung der Situation verantwortlich. Schlägt sie Alarm, erfolgt eine unmittelbare körperliche Reaktion auf bedrohliche Reize. Das Angstzentrum wird aktiv und versetzt den Körper instinktiv in den „Fight-or-Flight-Modus“ (kämpfen oder fliehen), noch bevor uns bewusstwird, dass wir Angst haben. Wir produzieren Stresshormone, wie Adrenalin und Cortisol. Herzschlag und Atmung werden beschleunigt. So können wir uns voll und ganz auf die Bedrohung fokussieren. Wir werden leistungsfähiger, aufmerksamer und nehmen Umgebungsreize stärker wahr.
• Der langsamere Weg geht über den Kortex, einem viel jüngeren Hirnareal. Er ist unter anderem für die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen zuständig. Im Austausch mit dem Hippocampus wird das Erlebte mit bereits vorhandenen Erinnerungen abgeglichen. So wird die Gefahrensituation rational bewertet, möglicherweise Entwarnung gegeben und die Emotionen wieder reguliert. Der Botenstoff Endorphin reduziert den Stress und sorgt für angenehme Glücks- und Entspannungsgefühle.

Woher kommt die Freude am Gruseln?
Das Gruseln ist eine Ambivalenz zwischen einer vermeintlichen Gefahr bei gleichzeitig empfundener Sicherheit. So wird das Alarmsystem zwar gereizt, weil unsere Sinne Bedrohungen wahrnehmen, jedoch ist uns bewusst, dass wir die Situation jederzeit unter Kontrolle haben. Dieses Wechselspiel zwischen starker An- und Entspannung wird oft als Hochgefühl empfunden. Für viele Menschen ist das eine willkommene Stimulation zum sonst eher monotonen Alltag. In der Psychologie wird dies als „Angstlust“ bezeichnet und erklärt unter anderem auch die große Faszination für True Crime-Formate.

Wieso wirken Clowns gerade an Halloween so bedrohlich?
Zum einen ist es die Dissonanz (Widersprüchlichkeit) in der Wahrnehmung. Ein Clown oder eine Puppe sind zunächst eigentlich positiv besetzt. Wenn an Halloween aus dem lustigen Clown ein „Horror-Clown“ und aus einer netten Puppe, „Chucky die Mörderpuppe“ wird, ist dieser Widerspruch im Verhalten kaum zu ertragen. Für viele ist es auch irritierend, dass sich durch die Schminke oder Maske die Mimik eines Clowns nicht verändert und sich Emotionen so nicht mehr erkennen lassen. Die Angst vor Clowns ist eine gar nicht so seltene Phobie, die als „Coulrophobie“ bezeichnet wird. Durch die Verkleidung kann zudem der so genannte „Uncanny Valley-Effekt“ (englisch für unbekanntes Tal) entstehen. Dieses Unbehagen erleben wir auch bei Robotern, die echten Menschen sehr ähneln oder sich wie diese bewegen, aber eben nicht wirklich menschlich sind.
www.karlsruhe.dhbw.de

Autor:

Susanne Diringer aus Karlsruhe

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