Europäisches Verbraucherzentrum informiert
Was ist ein "Reisemangel"?
Region. Nicht immer ist eine Reise ein Vergnügen, läuft alles glatt, ist die Reise auch eine Erholung. Was aber ist ein "Reisemangel" „Ärger während einer Reise kann die Urlaubsfreude massiv trüben", so Sabine Blanke, Juristin im "EVZ", im "Europäischen Verbraucherzentrum" in Kehl, das von der EU unterstützt wird: "Es kann hilfreich sein, die eigenen Rechte schon vor dem Urlaub gut zu kennen und zu wissen, was im Ernstfall zu tun ist."
Nicht jeder Fall ist "klar"
Als Faustregel gilt: Wird der Pauschalurlaub (Link: https://www.evz.de/reisen-verkehr/reiserecht/pauschalreise.html) nicht vertragsgemäß durchgeführt, darf man von einem Reisemangel ausgehen, so die "EVZ"-Experten. Aber nicht jeder Fall liegt so klar auf der Hand, wie bei einer Polarreise, bei der entsprechende Winterkleidung fehlte. Und nicht alles, was einen auch stört, ist rechtlich ein Mangel.
Im genannten Beispiel sollte eine Pauschalreise in die Polarregion für ein deutsches Paar ein unvergessliches Abenteuer werden - das wurde sie auch, aber nicht unbedingt wegen glitzerndem Schnee, atemberaubenden Nordlichter oder Schlittenfahrt mit Glühwein. Denn vor Ort sank die Urlaubsfreude schnell unter den Gefrierpunkt: Die im Reisevertrag zugesagte warme Kleidung und Schneeausrüstung wurden nicht gestellt. Den Urlaubern war es bei eisigen Temperaturen unmöglich, an den Outdoor-Aktivitäten teilzunehmen oder überhaupt länger nach draußen zu gehen. Erst nach dem Einkauf wetterfester Winterkleidung konnten sie in ihr Abenteuer starten. Die Urlauber wandten sich im Nachgang an das "Europäische Verbraucherzentrum" in Deutschland.
In anderen Fällen, in denen sich Urlauber gestört fühlen, ist es aber vielleicht doch eher eine "landestypische Besonderheit", andere Dinge gelten dagegen auch als "rein subjektiv". Erfahrungsgemäß glauben sogar viele Urlauber, einen höheren Anspruch zu haben, als ihnen zusteht", so die "EVZ"-Experten: Summen von 50 Prozent oder gar 100 Prozent des Reisepreises gibt es nur selten zurück!
Hinzu kommt, dass die Durchsetzung von Reiserechten leider auch immer mal wieder auf Hürden stößt, was auch daran liegt, dass Reisende Mängel beweisen müssen. „Entscheidend dafür, dass es Geld zurückgibt, ist nicht nur die Art der Störung und Reise, sondern auch richtiges Verhalten vor Ort“, erklärt die Juristin.
Reisemängel richtig reklamieren
Richtiges Verhalten vor Ort heißt, Mängel schnell, konkret, schriftlich und mit einer Fristsetzung der Reiseleitung oder dem Reiseveranstalter melden, dazu Beweise wie Fotos beizufügen - und Abhilfe zu verlangen. Die Hotelrezeption und das den Urlaub vermittelnde Reisebüro sind unter Umständen nicht die richtigen Ansprechpartner. Eine vorschnelle Abreise ist auch eine schlechte Idee, selbst wenn man den Urlaubsort am liebsten verlassen möchte. "Der Reiseveranstalter muss den Mangel beseitigen dürfen", so die Experten vom "Europäischen Verbraucherzentrum".
Erst, wenn das nicht klappt, dürfen Urlauber selbst aktiv werden und etwa ein anderes Zimmer buchen. Bei sehr großem Ärger oder wenn der Urlaub gar zum Alptraum wird, dürfen die Betroffenen die restliche Reise kündigen, sogar Schadenersatz wegen der verlorenen Zeit verlangen und die Heimreise antreten, wenn auch auf eigenes Risiko. Denn ob ein Gericht die Störung hinterher wirklich als Mangel ansieht, ist nie ganz sicher. „Um Enttäuschungen in einer späteren Auseinandersetzung mit dem Reiseanbieter zu vermeiden, lohnt sich zur Orientierung ein Blick in eine der Reisetabellen. Sie bieten eine gute Übersicht zu Gerichtsurteilen, wie etwa die Kemptener (Link: https://reiserechtfuehrich.com/kemptener-reisemangeltabelle-marz-2023/) oder Frankfurter Tabelle (umfangreiche Auflistung mit Fällen unter https://assets.adac.de/image/upload/v1654171525/ADAC-eV/KOR/Text/PDF/reisepreisminderungstabelle_1_ijbc4d_qmeisa.pdf)“, rät Blanke.
Ausgleichszahlung und Reisemangel - bekomme ich zweimal Geld?
Zum genannten Fall: Auf seiner Polarreise besorgte das Paar selbst Winterkleidung und bekam die Ausgaben hierfür erstattet. Für die Zeit, in der es an den Aktivitäten nicht teilnehmen konnte, blieb der Reisemangel jedoch bestehen.
Vergleichbar sind Fälle, in denen während einer Pauschalreise das Gepäck nicht am Urlaubsort ankommt. Reist der Koffer nicht mit, ist das ein Reisemangel. Erstattet die Airline, müssen Urlauber aber damit rechnen, dass die Zahlung auf den Reisemangel angerechnet wird. Keine generelle Anrechnung erfolgt hingegen bei einer Flugverspätung, für die die Airline eine Verspätungsentschädigung zahlt und durch die Urlauber etwa einen Urlaubstag verlieren. Dies hat der EuGH in einem wegweisenden Beschluss vom 28.05.2020 in der Sache C-153/19 (Details unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=226963&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1) entgegen der bis dahin gängigen Praxis der deutschen Gerichte, einschließlich des BGH, klargestellt.
Tipps für Urlauberinnen und Urlauber
- Verspätungen einplanen: Planen Sie ausreichend Pufferzeiten ein, vor allem, wenn Sie eine Pauschalreise mit Ausflugsprogramm buchen oder eine Pauschalreise mit einer selbst organisierten Anreise kombinieren.
- Beweise sammeln: Fotografieren Sie Mängel und sammeln Sie Nachweise, um Ihre Ansprüche so konkret wie möglich untermauern zu können.
- Angebote zur Nachbesserung prüfen: Bietet der Reiseveranstalter eine alternative Unterkunft oder Ersatzleistungen an, überlegen Sie gut. Abgelehnte, gleichwertige Angebote können später gegen Sie verwendet werden.
- Fristen: Frist für Abhilfe vor Ort setzen und Ansprüche nach dem Urlaub möglichst schnell, spätestens aber innerhalb von zwei Jahren nach Ende der Reise beim Reiseveranstalter anmelden.
- Hilfe holen: Bei Problemen mit Reiseveranstaltern oder Fluggesellschaften aus dem europäischen Ausland können sich Verbraucher auch kostenfrei an das "EVZ" wenden.
Infos unter https://www.evz.de/fragen-beschwerden.html
Autor:Jo Wagner |
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