Prozessauftakt
Attentäter gesteht zum Messerangriff in Ludwigshafen

Der Prozessauftakt zum Messerangriff in Oggersheim am Freitag, 10. Februar.  | Foto: JAG
  • Der Prozessauftakt zum Messerangriff in Oggersheim am Freitag, 10. Februar.
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Von Julia Glöckner

Frankenthal. Nach dem Attentat von Oggersheim hat der mutmaßliche Angreifer Maxamed S. zum Prozessauftakt gestanden. Seit Freitag, 10. Februar, muss sich der 26-jährige Somalier wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes vor dem Schwurgericht Frankenthal verantworten. Er hat am Tattag im Oktober 2022 drei junge Männer angegriffen: Jonas S. starb am Tatort, Sascha K. im Krankenhaus. Nur der schwer verletzte Marcel K. überlebte nach einer Not-OP.

Die Staatsanwaltschaft sieht die typischen Merkmale für Mord erfüllt: Eifersucht, Rache, Heimtücke, also das Ausnutzen der Arglosigkeit der Opfer. Der Angeklagte habe geglaubt, seine Ex-Freundin habe einen neuen Partner. Dabei habe er gewusst, dass keiner der drei angegriffenen Männer der neue Partner von Samira ist. Besonders der 20-jährige Jonas S. sei zum Objekt seiner Wut geworden, dessen Unterarm er abtrennte und auf den Balkon seiner Ex-Freundin warf.

Dann hat der Angeklagte das Wort. Die vorsitzende Richterin stellt viele Fragen, ist sichtbar bemüht, die Beweggründe der Tat von Maxamed S. zu verstehen.

Hintergrund war seine vierjährige Beziehung zu Samira P. aus Ludwigshafen. Die beiden führten eine On-Off-Beziehung. Etwa zehn Tage vor dem Tattag, machte Samira wieder mal Schluss. Laut Maxamed S. hat Samira ihm zudem per SMS geschrieben, dass sie einen Neuen hat, um ihn zu reizen.

Trotzdem telefonierten sie in diesen Tagen manchmal, Maxamed S. suchte sie in ihrer Wohnung auf. Samira schickte ihn einige Male weg, lies ihn aber manchmal auch herein. Es gab immer wieder Streit. Sie warf ihn raus. Die Polizei erteilte vier Platzverweise, dann ein Annährungsverbot, brachte Maxamed S. in ein psychiatrisches Krankenhaus.

Man braucht Zeit, um Maxamed S. Einlassungen zu folgen, die nie linear sind, stolpern, schneller und langsamer werden. Während des gesamten Geständnisses blinzelt er nervös. Seine Stimme klingt aufgeregt. Maxamed S. Schilderungen der Begegnungen mit dem Nachbarn von Samira wirken wirr. Mehrmals widerspricht er sich, betont, dass er nicht verrückt sei.

Rund eine Woche vor dem Tattag hätten die Gespräche mit dem vermeintlichen Nachbarn angefangen. Sie führten sie immer von Fenster zu Fenster. „Er wollte mir Samira wegschnappen und sagte, dass er was mit ihr hatte“, erzählt Maxamed S. „Bei einem weiteren Gespräch ein paar Tage später drohte er, die Kinder anzugreifen und Samira zu vergewaltigen, wenn sie mit ihm nicht einverstanden ist.“ Ferner habe der Nachbar in einer Nacht aus dem Fenster geschrien: „Ich habe ihr was angetan.“

Einmal habe Maxamed S. den vermeintlichen Nachbarn im Flur im Dunkeln flüchtig gesehen. Er kann sich jedoch kaum erinnern, wie er aussah. „Der Mann war bereit zu kämpfen“, sagt Maxamed S. immer wieder. Das habe der Nachbar ihm auch zu verstehen gegeben, nonverbal, aber deutlich genug, indem er ein Messer laut klirrend gegen die Wand schleuderte.

Als der Angeklagte die Tat schildert, ist es im Saal so leise, dass man nur noch die Tastaturen der Notebooks klappern hört. „Vor Wut konnte ich in der Nacht vor dem Tattag, die ich in Neustadt verbrachte, nicht schlafen“, sagt er: „Mit dieser Wut fuhr ich am nächsten Tag nach Oggersheim. Als ich Jonas S. mit Sascha K. in der Philipp-Scheidemann-Straße sah, dachte ich nur: Das ist der Mann. Es gab eine offene Rechnung. Ich wollte ihm schaden, ihn verletzen, kämpfen, bevor er wahr macht, was er angedroht hatte.“
Laut Polizeibericht hat Maxamed S. zunächst auf den 20-jährigen Jonas S. eingestochen, dann auf den 35-jährigen Sascha K., als dieser dazwischen ging. „Ich dachte, schlechte Leute, sie gehören zusammen. Ob die beiden jungen Männer, die in seinen Augen seine Rivalen waren, dabei zu Tode kämen oder verletzt würden, sei ihm egal gewesen.

Danach habe er sich verwirrt gefühlt, sei in eine Bäckerei gegangen, habe wirr rumgeschrien. „Ich glaubte immer noch, Ausschau halten zu müssen. Die älteren Leute, Frauen und Kinder wollte ich nicht haben und habe sie verschont. Vor allem die jungen Männer gehörten für mich dazu“, so Maxamed S.

Im Drogeriemarkt sah er dann den 27-jährigen Marcel K. und stach auch auf ihn ein, bevor die Polizei den Laden betrat und auf Maxamed S. schoss und ihn festnahm. An viele Details kann er sich nicht mehr erinnern. Wie und wo er zugestochen habe und wie oft, wisse er nicht mehr. „Auf jeden Fall wollte ich ihn treffen“, räumt er ein.

Warum er den Arm von Jonas S. abgetrennt auf den Balkon seiner Freundin geworfen habe, fragt die Richterin. „Das ist Dein Geschenk“ hat er dabei gesagt, wie aus Zeugenaussagen hervorgeht. „Es war eine kriegerische Auseinandersetzung“, begründet der Angeklagte. Vielmehr seien seine persönlichen Gegenstände, die er im Rucksack am Haus von Samira ließ, sein Geschenk gewesen.

„Vor der Tat habe ich gebetet, um Pluspunkt zu sammeln. Gott zählt alle Taten zusammen, die guten und die schlechten“, sagt Maxamed S.

Die Auseinandersetzungen von Maxamed S. vor der Bluttat in Oggersheim sind teils aktenkundig: Eine Schlägerei mit seinen Nachbarn, zwei verbale Streits mit Nachbarn, bei der die Polizei je ein Messer und einen Eispickel bei ihm fand. Drei Tage vor dem Tattag bedrohte Maxamed S. seinen Vermieter in seiner Küche, nach einem Streit um ein kaputtes Fenster, wie der Angeklagte selbst einräumt. „Der Mann war bereit zu kämpfen“, sagt er auch in diesem Zusammenhang.

Ungeklärt bleiben noch viele Fragen: Etwa, ob Maxamed S. an einer psychischen Störung leidet. Um dies zu beantworten, ist ein Sachverständiger eingeschaltet, der den Prozess begleitet. Das Urteil wird im Mai erwartet.

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Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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