Neue Wirtschaftswege
Nahtourismus erlebt auch in Ludwigshafen Revival
Ludwigshafen. Am 25. Januar vor 250 Jahren eröffnete der Friseur David Low das erste Hotel der Welt in London. Es schüttete hohe Gewinne aus, doch Low überschlug sich und starb in Armut. Wie überall in Deutschland sind die Hoteliers in Ludwigshafen dagegen aktuell sehr zufrieden, wenn auch nicht euphorisch. Die Übernachtungszahlen steigen, die Auslastung der Hotels und der Markt ist in der Stadt am Rhein seit Jahrzehnten stabil. Warum ist die Industriestadt bei Reisenden so beliebt?
Unter der Woche kommen nun wieder viele Geschäftsreisende nach Ludwigshafen. Vor allem sie prägen die hohen Zahlen an Buchungen. Am Wochenende kommen dann die Pfalztouristen.
Ludwigshafen liegt im Hinblick auf Übernachtungszahlen im deutschen Städtevergleich in der mittleren Spitze. Die Reiselust hierher ist zurückgekehrt. Die Übernachtungszahlen haben 2023 mit rund 360 000 Buchungen (vorläufige Hochrechnung) fast das Vor-Corona-Niveau von 2019 mit 400 000 Gästen erreicht. Von Januar bis September war gegenüber den Vorjahresmonaten in 2022 ein Plus von 19,7 Prozent zu verzeichnen. In den beiden Coronajahren waren die Zahlen stark eingebrochen. Sie sanken 2021 gar auf ein Rekordtief von 222 000 Übernachtungen.
Die Hoteliers sind zufrieden. So auch Hotelchef Alexander Gerung-Schaden vom René Bohn. Er berichtet: „Zwar fallen seit Corona Geschäftskunden weg. Denn viele, die bislang zu uns aus dem Ausland gechattet sind, machen ihre Meetings seit Pandemieende weiterhin digital. Wegen der verkehrsgünstigen Lage Ludwigshafens erholen sich die Zahlen seit 2022 aber wieder deutlich. Auch vom Geschäftstourismus zu Messen und Kongressen nach Mannheim oder in der Metropolregion fällt für uns immer was ab.“ Die Gründe dafür: Die gute Verkehrsinfrastruktur und der gut ausgebaute ÖPNV sorgten laut dem Hotelier dafür, dass man schnell nach Mannheim komme. Er erwarte noch mehr Gäste, wenn die Hochstraßen fertig sind. Gleichzeitig lägen die Hotels in Ludwigshafen in einem stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Dies sei unter Geschäftsreisenden bekannt.
Es ist auch die Nähe zu Pfälzer Tourismushotspots, zu Speyer, Worms etwa oder zur Weinstraße, was die Menschen hierherbringt. Zudem gibt es gerade von März bis Oktober große Kulturevents in der Region. „Wenn es ein großes Konzert in der Eberthalle oder der SAP-Arena gibt, wenn das Holi Festival in Mannheim stattfindet oder eine Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum Vernissage hat, sind wir bereits Monate im Voraus ausgebucht. Auch beim Filmfestival auf der Parkinsel haben wir eine hohe Auslastung“, sagt Gerung-Schaden. Die BUGA in Mannheim hat laut Lukom im Wesentlichen zu den starken Übernachtungszahlen im Jahr 2023 beigetragen. Letztlich führt auch der Rheinradweg jährlich viele Radtouristen nach LU.
Als während Corona der Deutschlandtourismus boomte, hatte das René Bohn einen großen Anteil an Légèr-Kunden, also Urlaubern, im Haus. Zwar bleibt der Hauptkunde der Geschäftsreisende, aber der Anteil an Urlaubern im René Bohn ist seit Pandemieende etwas höher als zuvor geblieben.
Das Hotel ist auch ein beliebter Zwischenstopp von Touristen auf der Reise in den Süden und zurück. „Saisonal besuchen uns viele Holländer. Dann werden ganz schnell 20 bis 30 Zimmer gebucht und wir haben lauter gelbe Kennzeichen vor der Tür“, sagt Gerung-Schaden. „Diese hohen Zahlen an Durchreisenden erklärt er sich auch mit den positiven Bewertungen fürs Hotel, die Gäste auf internationalen Internetportalen hinterlassen.“ Das René Bohn erhalte dort Bestnoten bei Frühstück, Service und Parken, was es hier kostenlos gibt. Rechtsrheinisch zahle man dafür oft bis zu 30 Euro pro Nacht. Am nächsten Tag sei man schnell wieder auf der Autobahn, was bei den Durchreisenden bekannt sei.
Prominenz im René Bohn
Das Gästebuch liest sich wie das Who’s who deutscher Berühmtheiten. Altkanzler Helmut Schmidt, Frank-Walter Steinmeier, Jens Spahn, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Sängerin Dionne Warwick, die beiden Schauspieler Ulrich Matthes und Jan-Josef Liefers, Kabarettist Götz Alsmann, Fernsehkoch Frank Rosin, Profiboxer Axel Schulz. Während des Filmfestivals kommen viele Schauspielstars. Das erstrangige Hotel steht sei 1989 auch externen Gästen offen, nachdem es Jahrzehnte lang nur Techniker und Betriebsleiter beherbergte, die BASF besuchten. Nach der Sanierung 2001 und mit dem Frühstückpavillon hat es sich zum führenden Businesshotel der Stadt entwickelt.
Stabiler Markt
Stabile Preise seit über 30 Jahren sorgen für eine stabile Auslastung und einen stabilen Hotelmarkt in LU. „Der Markt hat sich in den letzten 20 Jahren nicht massiv verändert, abgesehen vom Moxy und B’n’B ist die Hotelsituation die gleiche geblieben, obwohl man viele Ideen hatte. So war am Rhein ein 300-Zimmer-Hotel geplant, eine Idee, die man wieder verwarf“, erzählt Gerung-Schaden. „In Mannheim drängen ständig neue Hotels auf den Markt. Vor 20 Jahren waren das Dorint, Steigenberger und das Maritim die Platzhirsche. Die beiden letzten gibt es nicht mehr, stattdessen viele neue Angebote.“ Der Mix an Hotels tue dem Tourismus in Ludwigshafen gut. Durchs Preis-Leistungs-Verhältnis zögen auch erstklassige Hotels Reisende jeder Zielgruppe an.
Auch durch das Restart-Tourismus-Programm des Lands haben alle Hotels die Pandemie erlebt, mit Ausnahme des Europahotels. „Es war eines der Häuser der ersten Wahl für Reisende und wurde danach an Tulip verkauft. Der Umbau dauerte anderthalb Jahre“, erklärt Gerung-Schaden.
Ludwigshafen hat sich vor allem in den letzten Jahren ein Image im Nah- und Geschäftstourismus erarbeitet. Mit Landesmitteln aus dem Restart Tourismus-Programm haben Tourismusämter wie die Lukom Tourismus-Broschüren aufgelegt, Image-Filme veröffentlicht und online geworben. Die steigenden Übernachtungszahlen zeigen laut Lukom auch, dass diese Maßnahmen gute Erfolge zeigen. „Die Nachfrage in unserer Tourist-Information besagt: Ja das Interesse an der Stadt da und es steigt nach Corona wieder stark an“, sagt Markus Lemberger von der Tourismusbehörde.
Ludwigshafen positioniert sich darin mit seinen kilometerlangen Uferpromenaden und attraktiven Aufenthaltsplätzen am Rhein, als Stadt, in der sich Notalgie und Moderne durchmischen; etwa in den historischen Werkssiedlungen der BASF, bei Industriedenkmälern am Rhein wie der Walzmühle oder beim Sakralbau Mariä Himmelfahrt der Wallfahrtskirche. In den letzten Jahrzehnten wuchs eine belebte, moderne Kulturszene heran, nicht nur mit Pfalzbau, Bloch-Museum, Hack-Museum, dasHaus, auch mit Stadtevents und Kleinkunstfestival.
Städtereisen sind individuell, denn wer mag schon in Tourismusmetropolen mit überfüllen Stränden und Menschenlawinen in der City flanieren. Wer Hafenkräne und Industrieflair mag, wird Ludwigshafen mögen und wer Gegensätze mag ebenso. Erholung versprechen auch Stadtpark, Ebertpark und die schönen Auenwäldchen im Bruch oder Rehbachtal.
Der Schiffstourismus ist vor einigen Jahren in Ludwigshafen eingeschlafen. „In Ludwigshafen steigen üblicherweise keine Touristen neu zu, man bucht eine Reise und die Schiffe machen in Ludwigshafen einen Zwischenstopp. Die Gäste reisen von hier entweder nach Heidelberg oder an die Weinstraße. Eine kaufkräftige Klientel bleibt hier und geht zum Shoppen in die Rhein-Galerie. Dort bemerkt man diese Kundschaft sehr wohl“, erklärt Markus Lemberger von der Lukom. „Das Gro an Gästen, die das erste oder zweite Mal in Berührung kommen mit Ludwigshafen, ist durchaus sehr angetan, etwa von den Ecken am Rhein, den Backsteinkolonien in Nähe der BASF oder den Parks“, erzählt Gerung-Schaden.
Den Tourismus als zusätzlichen wirtschaftlichen Wege zu beschreiten, lohnt sich, zumal der Deutschlandtourismus ein Revival erlebt. Viele leben klimabewusst, vermeiden lange Anfahren oder reisen wegen der Inflation nicht weit weg. Auch von dem Deutschlandreiseboom durch die Unwägbarkeiten von Auslandreisen während Corona ist etwas geblieben. Es bleibt zu hoffen, dass die Kurve weiter nach oben geht und das touristische Potenzial der Stadt noch weiter ausgeschöpft wird. jg
Weitere Informationen:
Das Grand Hotel in London eröffnete am 25. Januar 1774, also vor 250 Jahren, seine Tore für Gäste. Friseur David Lows Hotel war außergewöhnlich luxuriös für die Verhältnisse um 1800. Es gab eine Heizung und Waschzuber. Es hatte eine elegante Lobby, in der sich Ladys, Industrielle und Intellektuelle zum Tee trafen. Low übernahm sich jedoch mit den Investitionen in die Innenausstattung, obwohl das Hotel hohe Gewinne ausschüttete. Er musste es verkaufen und starb als armer Mann. jg
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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