Les Brünettes am 18. Oktober im Mannheimer Capitol
„Haben einiges zu erzählen“
Von Christian Gaier
Mannheim. Vor zehn Jahren gründeten Juliette Brousset, Lisa Herbolzheimer, Stephanie Neigel und Julia Pellegrini in Mannheim das A-Capella-Quartett Les Brünettes. Am Montag, 18. Oktober, 20 Uhr , stellen die einstigen Jazzgesangstudentinnen an der Musikhochschule Mannheim im Capitol ihr viertes Studioalbum vor. Endlich, denn das Releasekonzert von „4“ musste wegen der Corona-Pandemie dreimal verschoben werden. Stephanie Neigel erzählte im Interview mit dem „Wochenblatt“ über die Inhalte des Albums und wie die Band durch die Corona-Zeit kam.
Wir treffen uns hier am Mannheimer Hauptbahnhof. Wo kommst Du her, und wo geht’s nach dem Interview hin?
Ich komme aus dem Studio des Schlagzeugers Tommy Baldu. Wir haben jetzt noch eine Kleinigkeit aufgenommen für unser neues Album, das im Januar erscheinen und „Zwischen den Zeilen“ heißen wird. Es sind nur eigene Songs drauf, die eine Verarbeitung der vergangenen eineinhalb Jahre sind. Im November kommt eine Single raus. Und jetzt bin ich auf der Durchreise im wunderschönen sonnigen Mannheim und dann geht’s bald weiter zu meinen Eltern.
Am 18. Oktober bist Du als Teil der Brünettes wieder in Mannheim – zu einem Release-Konzert, das dreimal verschoben werden musste. Wie war das denn?
Ja, die CD ist vergangenes Jahr im Sommer rausgekommen, nach ein bisschen Verzögerung, verursacht durch die erste Coronawelle. Eigentlich wär’ sie im Mai erschienen und wir hätten auch im Mai im Capitol gespielt . Da ja erst einmal keine Konzerte stattfinden konnten und wir verschieben mussten auf den Herbst, und da auch nichts stattfinden konnte , mussten wir auf den Frühling dieses Jahres verschieben und dann wieder auf den Herbst. Das heißt, das ist der vierte Termin, den wir haben und wir sind einfach froh, dass er jetzt stattfinden kann, auch weil wir endlich unsere Mannheimer live erleben dürfen und mit unserem neuen Programm ,Hallo’ sagen und zeigen können, was wir Neues gemacht haben.
In Eurem dritten Album ging es um die Fab Four, also die Beatles und der Titel „4“ legte nahe, dass es um Euch geht.
Ja, wir schreiben alle selbst Songs und jetzt war es uns wirklich ein großes Bedürfnis, unsere eigene Stimme zum Vorschein kommen zu lassen und die Themen, die uns wirklich beschäftigen als Frauen, als Mütter, als Künstlerinnen in den eigenen Songs ganz klar rauszubringen. Und wir haben einiges zu erzählen, ob das jetzt über Vorurteile gegenüber uns Frauen ist oder über Fragen des Klimawandels, über das, was in der Zukunft auf unsere Kinder zukommen wird. Und natürlich auch über das, was jede Einzelne von uns gerade beschäftigt. Es ist ein sehr persönliches Album, und es ist auch deutlich moderner, deutlich produzierter.
Welchen Vorurteilen begegnest Du denn als Frau, als berufstätige Mutter?
Als ich im siebten Monat schwanger war und noch Konzerte gemacht habe, ganz normal auf der Bühne stand, und danach am CD-Stand war, gab’s drei Situationen, als Leute zu mir gekommen sind und gesagt haben, wenn du dann jetzt aufhörst, wer wird dann für dich weitersingen, und ich dann gefragt habe, wie aufhören, ich bin dann in Mutterschutz und Babypause und dann komme ich wieder zurück. Ach, du singst dann weiter? Und was machst du dann mit deinem kleinen Kind? Da musste man erklären, dass es dazu einen Vater gibt, der ja auch aufpassen kann und dass man sich abwechseln kann und dass es jetzt ja nicht nur meine Aufgabe ist, zuhause zu bleiben. Oder bei einem Konzert wurde ich gefragt, was denn mein Mann davon hält, dass ich hier jetzt ein Konzert singe als schwangere Frau. Da habe ich dann gesagt, mein Mann findet das gut, der spielt gerade selbst ein Konzert und das ist mein Beruf, warum sollte ich nicht hier sein. Jede von uns wurde während oder nach der Schwangerschaft mit solchen Sprüchen konfrontiert, aber keiner unserer Männer hat je so einen Spruch gehört.
Wie ist denn die Resonanz auf die Inhalte Eures neuen Albums und Eure bisherigen Konzerte?
Die Resonanz ist positiv auf diese Inhalte, bis auf den Umstand, dass vielleicht der eine oder andere Herr denkt, wir sollten lieber an den Herd. Natürlich hatten wir durch die Corona-Pandemie keine normale Vorbereitung auf der Veröffentlichung gehabt, es gab tolle Möglichkeiten, Interviews zu geben, wir hätten beim deutschen Kamerapreis gesungen andere und solche Sache, die eben erstmal aufgeschoben worden sind. Aber die Resonanz, die wir trotzdem erfahren haben, ist durchweg positiv, auch bei unseren Konzerten, wo manche Leute vielleicht etwas überrascht sind, dass wir jetzt anders klingen, aber gleichzeitig total dankbar dafür sind, dass wir so ehrliche Einblicke in unsere Welt und unsere Charaktere geben können.
Waren diese Absagen und das ständige Verschieben in den vergangenen Monaten nicht frustrierend?
Absolut, das hat für uns viel Arbeit bedeutet, denn wir mussten die ganze Zeit Termine hin- und herschieben. Wir wussten ja oft nicht, was kommt als nächstes für eine Regelung raus und dann verspürte man natürlich auch eine gewisse Existenzangst auch. Wir haben uns lange nicht richtig sehen können, mussten organisieren, wann und wie wir proben. Im Mai sollte alles stehen, aber im März kam der erste Lockdown, wir waren gerade dabei, die Show fertigzumachen und durften uns aber nicht mehr sehen. Das alles hat uns persönlich als Band ebenso wie als Einzelne auch an die Grenzen gebracht, weil jede von uns in der Kinderbetreuung total eingespannt war. Da ist dann nicht viel Raum für anderes geblieben. Es kam dann bei anderen der Gedanke auf, ist dieser Beruf überhaupt noch das, was ich machen kann und will, wenn man betrachtet, wie die Gesellschaft oder die Umstände sich doch so schnell so wenden können, dass es unmöglich ist, davon zu leben. Zum anderen war dann die Frage, wenn wir uns nicht sehen, uns nicht austauschen können, wir nicht das machen können, was uns verbindet, nämlich die Musik, wo ist dann das verbindende Glied. Ich muss sagen, dass wir wirklich durch eineinhalb harte Jahre gegangen sind, aber wir haben jetzt einen Weg für uns gefunden, wie wir weitermachen können. Wir mussten teilweise umstrukturieren, zwei von uns haben auch andere Jobs parallel angefangen, dann mussten wir schauen, wie können wir das trotzdem arrangieren, dass wir Ersatzsängerinnen haben. Das war ein ganz schöner Prozess.
Wie habt ihr es geschafft, dass es die Brünettes noch gibt?
Wir haben zunächst immer wieder versucht, per Skype oder langen Gesprächen uns auszutauschen, dann aber auch gesagt, jetzt machen wir zwei Monate Pause und jede überlegt, was für sie wichtig ist, und wir haben uns tatsächlich auch über mehrere Monate hinweg in der Mediation, im Gespräch mit einer außenstehenden Person, daran herangetastet, wo unsere gemeinsame Basis ist, auf der wir weitermachen können.
Wenn ihr eine Mediation in Anspruch genommen habt, war es Euch aber auch sehr wichtig, dass es weitergeht.
Es stecken so viel Liebe und Arbeit in diesem Projekt und wir sind jetzt über zehn Jahre zusammen, da gibt man nicht so einfach auf, weil der Wind jetzt gerade mal sehr rau ist. Und das war schon sehr rauer Wind. Wir gehören eben auch nicht zur Topliga wie die Ärzte, so dass wir sagen könnten, ja gut, ich habe noch so viele Rücklagen, da mache ich jetzt in eineinhalb Jahren weiter. Wir mussten schon uns schon überlegen, wie geht’s jetzt weiter, und da war es uns allen wichtig zu schauen, dass wir im Austausch bleiben, und uns gegenseitig die Möglichkeit zu geben, uns zu als Einzelne ebenso weiterzuentwickeln wie gemeinsam.
Nimmt das Publikum, die Möglichkeit wieder Präsenzkonzerte zu besuchen, an?
Die Terminkalender der Veranstaltungshäuser sind voll, weil eben so vieles verschoben worden war und jetzt nachgeholt wird, aber die Leute sind nach wie vor etwas zurückhaltend, was Konzertbesuche angeht. Ich persönlich denke, dass es ein Jahr dauern wird, bis da wieder eine Normalität da ist.
Du bist nach dem Auftritt mit den Brünettes ja noch zweimal in Mannheim: noch zweimal hier, am 20. November mit dem Söhne Mannheims Jazz Department im Capitol und mit Deinem Trio am 26. November im Ella & Louis, wo es wohl auch einen kleinen Vorgeschmack auf das neue Album geben wird.
Ja, ich freue mich sehr auch auf diese beiden Konzerte. Ich habe, auch um nicht durchzudrehen in diesen Corona-Monaten, zu mir selbst gesagt, ich versuche, diese Energie und Gedanken in neue Songs zu verpacken und habe in Tommy Baldu einen genialen Partner gefunden, der total offen ist und die Essenz der neuen Songs wahnsinnig gut verstanden hat. Und jetzt sind wir sehr stolz auf dieses Ergebnis.
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.