Klaus Hartig: Ein Mannheimer im Reich der Mitte
„Das Fremde ist gar nicht so fremd“
von Peter Engelhardt
Mannheim. Mit einem Jahresumsatz von 2,4 Milliarden Euro gehört Fuchs Petrolub SE zu den größten Schmierstoffherstellern der Welt. Nahezu 6000 Mitarbeiter in weltweit 50 Ländern und 58 operativ tätigen Gesellschaften sorgen dafür, dass im Industriesektor auf allen fünf Kontinenten das Geschäft läuft wie geschmiert. Das M-Dax notierte Unternehmen mit Hauptsitz auf der Friesenheimer Insel ist seit der Gründung im Jahre 1931 mehrheitlich in Familienhand. Seit Mitte der achtziger Jahre hat sich Fuchs Petrolub auch in China erfolgreich positioniert.
Der gebürtige Mannheimer Klaus Hartig leitet seit 2004 die geschäftlichen Geschicke in Ostasien. Das Wochenblatt unterhielt sich mit dem Manager von Fuchs Shanghai über seine Tätigkeit, sein Leben im chinesischen Alltag und über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Deutschen und Chinesen.
???: Bereits im Jahre 1996 gingen Sie nach China. Wieso fiel die Wahl ausgerechnet auf Shanghai?
Klaus Hartig: Dort war eine Vakanz, die es zu besetzen galt. Es war ein gutes Angebot von Fuchs. Nach einer Woche „Look and see“ habe ich bei Fuchs unterschrieben.
???: Was waren Ihre Eindrücke in den allerersten Tagen?
Hartig: Das Shanghai zur damaligen Zeit hat sich noch ganz anders präsentiert. Aufgefallen sind die unzähligen Fahrräder, die vielen Menschen in grauen Mao-Anzügen. Auch das Stadtbild mit den vielen alten Häusern, genannt Shikumen, war ein anderes. Es gab keine Hochstraßen und viele Straßenpisten.
???: Was kann bzw. was konnten Sie sich von diesen Menschen und ihrer Art zu leben abschauen?
Hartig: Enormer Fleiß, Familiensinn, Ehrgeiz und Stolz, das sind wesentliche chinesische Charakterzüge. Sie besitzen eine hohe Leidens- und Widerstandsfähigkeit, sind hart in Nehmen.
???: Wie unterschiedlich ist die Kultur in diesem Land? Wie anders verläuft das tägliche Leben?
Hartig: Werte wie Wohlstand, Familie, Fleiß oder Natur sind den Deutschen durchaus ähnlich aber es ist eine andere Priorisierung. Die Chinesen reisen gern und grundsätzlich in großen Gruppen. Sie fühlen sich in der Gemeinschaft einfach wohler. Das liegt daran, dass es primär in allen Bereichen in China immer zuerst um die Belange der ganzen Gesellschaft geht und nur sekundär um das einzelne Individuum. Das ist ein ganz prägender Charakterzug dieses Volkes.
???: Muss man Angst haben vor dem Chinesen?
Hartig: Die Ambitionen der Chinesen sind groß, ohne Zweifel, sowohl territorial als auch ökonomisch. China hat genau die gleichen Ambitionen wie alle anderen Weltmächte auch. Bedingt durch die Öffnung Ende der 70er Jahre durch Deng-Xiao-Ping hat dieses Land in fast allen Bereichen einen enormen Aufschwung erlebt.
???: Welchen Stellenwert hat Deutschland in China?
Hartig: China hat großen Respekt vor den Deutschen, weil sie uns als großen Technologie-Entwickler sehen und weil viele Eigenschaften wie Fleiß, Pünktlichkeit, Familiensinn den ihren ähnlich sind. Deutschland hat einen sehr guten Ruf in China.
???: Was war für Sie bisher am schwierigsten in diesem Land?
Hartig: Die Anfangszeit, weil ich zu dieser Zeit der einzige Ausländer war bei Fuchs. Ich habe anfangs kein Wort Chinesisch gesprochen. Englisch war längst nicht so verbreitet wie heute.
???: Wie chinesisch sind Sie selbst geworden in all diesen Jahren?
Hartig: Je länger man in diesem Land lebt, je besser versteht man natürlich, wie diese Menschen denken und handeln. Man kann und muss sich auch in ihre Kultur und Denkweise hineinversetzen, um sich gut mit ihnen zu verstehen und konstruktiv mit ihnen zu arbeiten.
???: Wie würden sie den chinesischen Humor beschreiben?
Hartig: Sie haben Humor, sie lachen gerne in der Gemeinschaft. Sie tanzen und singen gerne.
???: Kann man die deutsche und chinesische Jugend vergleichen?
Hartig: Die jungen Chinesen wollen das gleiche, was die jungen Westler wollen. Sie wollen sich gut kleiden, sie wollen eine gute Ausbildung, sich amüsieren und die Welt kennenlernen.
???: Wie sieht die Zukunft aus? Wohin geht der Weg dieses riesigen Landes?
Hartig: China wird auch in den nächsten Jahren enorm zulegen. Sowohl technologisch wie auch in der Digitalisierung und der Mobilität. Auch in Sachen ’Künstliche Intelligenz’ sind sie enorm weit. Sie sind innovativ, ehrgeizig und eben enorm fleißig.
???: Wie sehr hat die chinesische Küche bei Ihnen zuhause Einzug gehalten?
Hartig: Sehr stark. Sie ist definitiv einer der besten Küchen der Welt. Bedingt durch die Größe des Landes ist sie natürlich unglaublich vielfältig. Jede Provinz hat ihren eigenen Kochstil, in China gibt es die ganze Palette der asiatischen Küche. Es gibt Gewürze, die sorgen für exotische Geschmacksexplosionen, die hier in Europa überhaupt niemand kennt. Es gibt Gemüse in allen Formen und Facetten und daher ist die Küche auch sehr gesund. Die Chinesen essen nicht so viel auf einmal und dadurch, dass man Stäbchen benutzt, dauern die Mahlzeiten auch länger. Der Chinese isst gerne in großer Gesellschaft.
???: Sie haben 2012 den Silber - und 2014 den Goldenen Magnolia Award bekommen. Für was bekommt man diese Auszeichnungen und welche Bedeutung hat er für Sie persönlich bzw. für das Unternehmen?
Hartig: Der Magnolia Award der Stadt Shanghai wird für soziales und kommerzielles sowie die Zusammenarbeit förderndes Engagement vergeben. Der Gold Award wurde zwischen 1993 und 2014 lediglich an 278 ausländische Mitbürger verliehen. Das ist eine große Auszeichnung für Fuchs Petrolub.
???: Was war Ihr schönster oder stolzester Moment in China?
Hartig: Wir leben jetzt fast 25 Jahre in diesem Land und sind von unseren Gastgebern quasi vom ersten Tag an immer respektiert worden. Stolz bin auch darauf, dass sich ein relativ überschaubares Unternehmen im Laufe der Zeit zur einer Größe entwickelt hat, welches inzwischen ein wichtiger Eckpfeiler des Gesamtunternehmens geworden ist.
???: Würden Sie alles noch einmal so machen?
Hartig: Meine Frau und ich würden uns auch heute noch mal für diesen Weg entscheiden. Das Leben in einer anderen Kultur prägt einen Menschen und erweitert seinen Horizont und genauso ist es uns auch ergangen. pete
Autor:Peter Engelhardt aus Mannheim |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.