Aktion Gabenzaun in Mannheim
Schwachen in der Coronavirus-Krise helfen
Von Christian Gaier
Mannheim. Obdachlose und sozial schwache Menschen leiden besonders unter der Coronavirus-Krise. Unbürokratische Hilfe vor Ort bietet in Mannheim die Initiative Gabenzaun (Kontakt: unser-mannheimer-gabenzaun@gmx.de). „Gerade jetzt, wo viele gemeinnützige Einrichtungen und Obdachlosenunterkünfte schließen, ist es wichtig, Menschen in Not und ohne Wohnung unkompliziert und schnell zu helfen“, erklärt Miriam Rausch vom Gabenzaun Mannheim ihr Engagement. Die 25 Jahre alte Studentin hat mit ihrer Freundin Olivia Köhler den lokalen Ableger der bundesweiten Gabenzaun-Initiative in der Quadratestadt ins Leben gerufen. Dabei wird ein Zaun mit dringend benötigten Gütern wie Kleidung, Lebensmittel und Hygieneartikeln von der Bürgerschaft selbst bestückt, um die Grundversorgung für Menschen in Not zu gewährleisten.
Miriam Rausch und Olivia Köhler nahmen nach Absprache mit dem städtischen Fachbereich für Sicherheit und Ordnung den Zaun um den Marktplatzbrunnen in Beschlag. Dort können die Spender ihre möglichst mit einem Inhaltszettel versehenen Plastiktüten aufhängen und die Bedürftigen das von ihnen Benötigte entnehmen – natürlich unter der Voraussetzung, dass die derzeit wegen des Coronavirus geltenden Abstands- und Kontaktregeln eingehalten werden.„Ein extra warmer Pulli für Menschen in Wohnungsnot, eine Flasche Wasser, der Regenschirm aus der vergangenen Saison, Hygieneartikel von Zahnpasta und Klopapier bis Slipeinlage, Schokolade zum Aufmuntern, ein paar Äpfel, Fünf-Minuten-Terrinen, Konserven oder auch einfach der Schlafsack vom letzten Festival würden es schon tun“, listet die 24 Jahre alte Projektmanagerin Olivia Köhler auf.
Die beiden Initiatorinnen legten sich sofort eine Facebook-Seite zu und bauten innerhalb kürzester Zeit ein kleines Netzwerk auf. In Mannheim gibt es bislang auch Gabenzäune am Basketballplatz vor dem Gewerkschaftshaus, eingerichtet vom linken Zentrum „ewwe longt’s“, im Jungbusch auf dem Quartiersplatz an der Teufelsbrücke von der Interventionistischen Linken Rhein-Neckar, in der Neckarstadt-West am Neumarkt und an der Astrid-Lindgren-Grundschule Hochstätt.Wie dringend diese Hilfe benötigt wird, zeige sich mit einem Blick auf die Statistiken in Deutschland: Mehr als 650.000 Menschen sind von Obdachlosigkeit betroffen, müssen entweder in baufälligen Unterkünften oder auf der Straße schlafen, führen Miriam Rausch und Olivia Köhler aus. So habe die Stadt Berlin ungenutzte AirBnbs und leerstehende Hotels zur Verfügung gestellt, um Menschen in Not eine Schlaf- und Waschmöglichkeit zu bieten. Dies zeige, dass Obdachlosigkeit oftmals kein natürliches Phänomen ist, sondern hauptsächlich politischen Entscheidungen zugrunde liegt.
„Wenn Wohnungen und Häuser zu Spekulationsobjekten werden und Profitinteressen in den Vordergrund treten, werden Menschen verdrängt“, erklärt Olivia Köhler. Dieses Phänomen lasse sich in den vergangenen Jahren in Mannheim und vor allem im Jungbusch beobachten. Häuser würden an Finanzinvestoren wie BNP Paribas verkauft, die Hausverwaltungen modernisieren die Wohnungen meist nur kosmetisch, womit eine Mietpreiserhöhung über den sogenannten Mietdeckel hinaus gerechtfertigt werde. Das führe letztlich dazu, dass sich Menschen die Mieten nicht mehr leisten können und verdrängt werden oder mehr Menschen zusammen auf gleichbleibender Quadratmeterzahl wohnen müssen. Die derzeitige Corona-Krise mache den Notstand mehr als deutlich. Zum Einen, wenn der Bewohnerschaft oft nichts anderes übrig bleibt, als auf engstem Raum zu leben und zum Anderen, wenn Menschen ohne Obdach die wenigen Zufluchtsorte genommen werden. Wie es anders geht, zeigten Programm im US-Bundesstaat Utah oder den Niederlanden, wo es praktisch keine chronische Obdachlosigkeit mehr gebe. Daher fordert Miriam Rausch: „Wohnen gehört zum Grundbedürfnis von Menschen. Deswegen muss allen Menschen ein Zugang zu bezahlbarem Wohnen in menschenwürdigen Bedingungen ermöglicht werden.“
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
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