Sinti- und Roma-Landesverband ehrt und feiert
Zeitzeugen geben Kraft
Mannheim. Vier Gründe zum Feiern hatte der Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg (VDSR-BW), am 20. September im Kulturhaus RomnoKher in Mannheim: sein 35-jähriges Bestehen und drei Menschen, die den jährlich vergebenen Kultur- und Ehrenpreis der Sinti und Roma erhielten.
Von Christian Gaier
Der VDSR/BW ist durch einen 2013 geschlossenen und 2018 erneuerten Staatsvertrag Partner des Landes Baden-Württemberg und die einzige Einrichtung in Baden-Württemberg, die die Interessen und Rechte von Sinti und Roma im Land umfassend vertritt. Als Bildungseinrichtung, Ort des Gedenkens, kulturelle Institution und bürgerrechtliche Beratungsstelle ist der Landesverband Dialogpartner der Minderheit, der Institutionen des öffentlichen Lebens und der Zivilgesellschaft.
„Die Augenhöhe, die hier hergestellt wurde, ist sehr wichtig“, äußerte Theresa Schopper, Landesministerin für Kultus, Jugend und Sport mit Blick auf den Staatsvertrag. „Eine große Portion Mut, aber auch Hoffnung“ habe es damals erfordert, sich in der bundesdeutschen Öffentlichkeit bemerkbar zu machen, sagte die Ministerin. „Die Zeitzeugen haben uns immer Kraft gegeben“, blendete VDSR/BW-Vorsitzender Daniel Strauß zurück. Die Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermords an Sinti und Roma, deren Einzelschicksale an das unvorstellbare Grauen erinnern, seien immer noch diejenigen, die die menschlichen Werte vertreten, betonte er. Eine zweite Säule der Arbeit in den vergangenen 35 Jahren sei die Zusammenarbeit mit und die Unterstützung von Politikern im Kampf gegen Ausgrenzung, Vorurteile und Diskriminierung gewesen, sagte Strauß. Er erinnerte an den ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel, der den ersten Empfang mit Zeitzeugen im Land veranstaltete, oder die Politiker Rita Süssmuth und Heiner Geißler.
Als Meilenstein würdigte Strauß die Anerkennung der Sinti und Roma als nationale Minderheit im Jahr 1995, der mit einem besonderen rechtlichen Status einhergeht. So werden nationale Minderheiten durch Bund und die Länder finanziell gefördert und erhalten von der Bundesregierung finanzielle Mittel zur Pflege ihrer Sprache und Kultur.
Mit dem Kultur- und Ehrenpreis der Sinti und Roma im Bereich wurde die 97 Jahre alte Zilli Schmidt ausgezeichnet. Sie hat ihre Lebensgeschichte als Überlebende festgehalten und setzt sich dafür ein, dass die Erinnerungen weitergetragen werden und ein würdiges Gedenken stattfinden kann. 1988 sagte sie als Zeugin in einem Prozess gegen einen Blockführer von Auschwitz am Landgericht Siegen aus. 2021 erhielt sie für ihr Engagement den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.
Manuel Werner, der im Bereich Soziales und Bildung ausgezeichnet wurde, engagiert sich im Arbeitskreis Sinti/Roma und Kirchen Baden-Württemberg, in der Flüchtlingshilfe sowie in der Gedenkarbeit. Er veröffentlicht über lokale Schicksale verfolgter Minderheiten wie Juden, Sinti und Roma in der NS-Zeit und thematisiert daneben auch Täter, Helfer und Trittbrettfahrer. 2015 wurde er von der Diakonie Baden-Württemberg mit dem Journalisten-Sonderpreis „Flucht und Migration“ ausgezeichnet.
Barbara Lochbihler, Preisträgerin im Bereich Politik, war bis 2019 Vizepräsidentin des Menschenrechtsausschusses im Europäischen Parlament und setzt sich gegen institutionellen Antiziganismus ein. Sie war Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland und Generalsekretärin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in Genf. Aktuell ist sie als gewählte Expertin im UN-Ausschuss gegen Verschwindenlassen aktiv.
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
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