Moselsteig: Traumroute für Genießer
Wein-Wanderwelten
Wandern. Eine steile Felswand liegt vor mir. Über Trittbügel und Leitern kämpfe ich mich nach oben, der Blick schweift in schwindelerregende Tiefen, im Morgenglanz glitzert und funkelt das Wasser. Verwundert reibe ich mir die Augen. Nein, ich befinde mich diesmal ausnahmsweise nicht in den Alpen, sondern mitten in Deutschland, nur wenige hundert Meter von der Mosel entfernt.
Wandern an der Moselschleife
Der Moselsteig – eine Traumroute mitten in Deutschland in 24 Etappen. Nicht alle sind so spektakulär wie der 14-Kilometer-Abschnitt von Reil nach Zell. Aber er macht Appetit auf mehr. Doch was macht diese Region so attraktiv? Ist es die malerische Landschaft inmitten einer der berühmtesten Kulturlandschaften Europas? Sind es die kleinen Ortschaften mit ihren Fachwerkhäusern, engen Gässchen und mittelalterlichen Burgen. Oder die Relikte aus der Römerzeit, die uns auf Schritt und Tritt begegnen? Ist es der Wein, die vielen kulinarischen Genüsse oder die Gastfreundschaft der Moselaner? An einem verlängerten sonnigen Herbstwochenende suchen wir nach Antworten auf diese Fragen und finden sie direkt an der Moselschleife, jener spektakulären Naturattraktion, die zu einem der meistfotografierten Motive Deutschlands zählt. Ein wahrer Bilderbuchblick öffnet sich vom Turm des Prinzenkopfes, den wir über steile Weinberge erklimmen, teils der Trasse der eisenbahn-historisch interessanten Kanonenbahn folgend. In Zell kommt es zu einer unheimlichen Begegnung mit einer schwarzen Katze. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Legende nach konnten sich im Jahr 1863 die Teilnehmer einer Weinprobe nicht zwischen drei Fässern entscheiden. Plötzlich sprang das kratzbürstige Tier auf eines der Fässer und „verteidigte“ fauchend den darin enthaltenen Rebensaft. Der Verkauf dieses Weines entpuppte sich als so erfolgreich, dass die entsprechende Weinlage seitdem den Namen „Schwarze Katz“ trägt.
Moselsteig-Etappe ab Reil
Der Moselsteig folgt dem kompletten Flusslauf von Perl am Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg bis zur Mündung in Koblenz. Das sind 365 Kilometer, nicht mitgerechnet die zahlreichen „Seitensprünge“, die den Hauptweg säumen und den Wanderurlaub an der Mosel zu einem Lebensprojekt machen.
Wir starten mittendrin, nämlich im wunderbaren Fachwerkstädtchen Reil, und staunen über die vielen Aussichtspunkte, die immer wieder den Blick zur Mosel mit ihren sensationell steilen Weinbergen öffnen. Wir besuchen die weit über dem Fluss thronende Marienburg und gelangen müde aber glücklich am Abend nach Zell, um bei einem guten Tröpfchen Moselwein das Geheimnis der schwarzen Katze zu erschmecken.
Zu den beliebtesten Rundwanderwegen am Moselsteig zählt der von Zell aus startende Kanonenbahnweg, der nicht nur die Herzen der Eisenbahnfans höher schlagen lässt, angefangen mit der ersten Doppelbrücke von 1877 bis hin zum imposantes Eisenbahn-Hangviadukt von 1880. Zurück geht es über Pünderich und Bullay nach Zell, wo wir im Hotel Schloss Zell herzliche Gastfreundschaft und ritterlich-romantisches Flair genießen.
Unvergleichlicher Panoramablick vom Collisturm
Wer auf den eingangs erwähnten Klettersteig verzichtet, nimmt einen kleinen Umweg entlang der alten Weinbergmauern. Die Belohnung am Ende ist die Gleiche: Unvergleichlich ist der Panoramablick vom Collisturm auf die vorangegangenen Highlights des Moselsteigs wie Prinzenkopf, Moselschleife, Marienburg und die Burg Arras. Im weiteren Verlauf unserer Weinwanderung wird diese Burg zum stetigen Begleiter auf unserem Weg zum Weinörtchen Neef, das mit einer kulinarischen Besonderheit überrascht: Während unseres abendlichen Restaurantbesuchs erfreuen wir uns am roten Weinbergspfirsich, den wir in Gestalt eines delikaten Likörs zu einem herrlich ausgebauten trockenen Riesling der Lage Neefer Frauenberg goutieren.
Kletterfreunde nehmen am nächsten Tag den spektakulärsten Steig der gesamten Route in Angriff: Der berühmte, serpentinenartig angelegte Calmont-Klettersteig führt durch den steilsten Weinberg Europas und endet an einer spektakulären Aussichtsplattform. Krönender Abschluss ist die Etappe von Edinger-Eller über schmalen Waldpfade durch die Briedener Schweiz nach Beilstein, jenem kleinen Moseldorf, das auch als „Dornröschen der Mosel“ bekannt ist und mit seinen kleinen Gassen und seiner pittoresken Fachwerkkulisse in der Vergangenheit häufig als Drehort für Heimatfilme diente. pac
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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