Neustadt positioniert sich zur Tiefengeothermie
Wichtige Beschlüsse gefasst
Neustadt. Auf Antrag der Stadtverwaltung hat der Stadtrat in seiner Sitzung am Donnerstag, 22. August, richtungsweisende Beschlüsse zur Tiefengeothermie gefasst.
Zum einen beauftragte er die Verwaltung, Planungen für eine mögliche Anlage auf Neustadter Gemarkung ergebnisoffen zu begleiten. Dabei sollen auch die Bürgerinnen und Bürger intensiv einbezogen werden. Unter anderem werden Informationsveranstaltungen mit unabhängigen Expertinnen und Experten geplant sowie Bürgervertrauensleute gewählt, die in Entscheidungsprozessen mitwirken können.
Zum anderen beauftragt der Rat die Verwaltung, sich für die Änderung des Bundesberggesetzes einzusetzen. Denn durch dieses ist es der Stadt aktuell versagt, selbst zu bestimmen, wer sie mit Wärme und Strom aus der Tiefengeothermie versorgen könnte.
Per einstimmigem Ratsbeschluss nimmt die Stadt die Position ein, dass die Tiefengeothermie insbesondere mit Blick auf den Klimaschutz und die Versorgungssicherheit eine große Chance für eine bezahlbare Wärmeversorgung bietet.
Als wesentlicher Teil der Energieversorgung von Neustadt an der Weinstraße könnte sie erheblich dazu beitragen, die städtischen Klimaschutzziele zu er-reichen, globale Abhängigkeiten zu reduzieren und die Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze vor Ort zu fördern. Trotz aller Vorteile umfasst die ergebnisoffene Begleitung etwaiger Projekte auch die intensive Analyse eventueller Risiken. So wird im Zusammenhang mit Tiefengeothermie beispielsweise oft die Möglichkeit von schwachen Erdbeben diskutiert. Auch bei der zwingenden Not-wendigkeit, erneuerbare Energiequellen zu nutzen, gilt es, negative Auswirkungen auf die Stadt Neustadt an der Weinstraße zu vermeiden.
Ersten Schätzungen zufolge könnten ungefähr 55 Prozent des kommunalen Wärmebedarfs durch die Tiefengeothermie abgedeckt werden. Genaue Auskunft wird die kommunale Wärmeplanung geben, die Ende 2024 fertiggestellt sein soll. Aktuell wartet die Stadt auf die Freigabe von Ende 2022 beantragten Fördermitteln des Bundes, um die Wärmeplanung in Angriff nehmen zu können. Sie soll konkret darstellen, welche Wärmearten in welchen Stadtgebieten technisch und wirtschaftlich sinnvoll sind.
Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien ist die Geothermie durch die lokale und nachhaltig verfügbare Energiemenge und das hohe Temperaturniveau „ohne Einschränkungen grundlastfähig“, wie die Fraunhofer-Gesellschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam erklären. So hat die Geothermie beispielsweise gegenüber der Wärmepumpe den Vorteil, dass sie geringere Anforderungen an die Gebäude- und Heizungssanierung stellt. Die Lage am Oberrheingraben eignet sich aufgrund der geologischen Gegebenheiten be-sonders gut für diese Wärmegewinnungsart.
Um eine hohe Transparenz bei Planungsvorhaben zu schaffen, hat der Stadtrat die Wahl von Bürgervertrauensleuten beschlossen. Das genaue Verfahren wird noch festgelegt. Die Idee geht zurück auf das Mediationsverfahren „Tiefe Geothermie Vorderpfalz“ vor rund zehn Jahren. Damals hatten Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Unternehmen und dem Land Rheinland-Pfalz Kriterien vereinbart, wie die Bevölkerung in neue Projekte der Tiefengeothermie einbezogen werden könnte. Die Einbindung erstreckt sich sowohl auf das Genehmigungsverfahren als auch auf den Betrieb einer möglichen Anlage. Zu-dem umfasst sie Aspekte zu Themen wie Erdbebenrisiko, Schallimmissionen, Grundwasserschutz und den Umgang mit möglichen Schäden und Versicherungsfällen.
Um einen größeren Spielraum beim Thema Tiefengeothermie zu bekommen, zielt ein weiterer einstimmiger Stadtratsbeschluss auf Änderungen beim Bundesberggesetz. Derzeit wird für die Suche nach geothermischer Wärme und deren Nutzung eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis benötigt. Diese wird vom Landesamt für Geologie und Bergbau erteilt und gewährt ausschließlich dem Rechteinhaber das Recht, in einem bestimmten Gebiet nach Erdwärme zu suchen, sie zu gewinnen und zu nutzen. Aufgrund der Ausschließlichkeit ist es anderen untersagt, diesen Bodenschatz zu nutzen.
Da die Erlaubnis derzeit weder bei der Stadt noch den Stadtwerken Neustadt liegt, sind eigene Projekte derzeit ausgeschlossen. Um diese Möglichkeit zu eröffnen, beauftragt der Stadtrat die Verwaltung, sich bei den entsprechenden Landes- und Bundesministerien sowie den kommunalen Spitzenverbänden für die Änderung des Bundesberggesetzes einzusetzen.
Die Vulcan Energie Ressourcen GmbH informierte zuvor in der Stadtratssitzung über ihre Ideen für eine mögliche Geothermie-Anlage auf Neustadter Gemarkung. Zwar hat das Karlsruher Unternehmen noch keine offiziellen Anträge gestellt, es beabsichtigt nach eigenen Angaben jedoch aus in tiefen Erdschichten gefördertem heißen Wasser Lithium zu gewinnen. Die dabei anfallende Wärme könnte als erneuerbare Energie für Wärme und Strom genutzt werden. Für solche Pläne wirbt Vulcan auch in anderen Kommunen entlang des Oberrheingrabens, der sich für dieses Vorhaben gut eigne. Eine Bohrstelle auf Neustadter Gemarkung könnte nach Unternehmensangaben im Bereich Geinsheim liegen. red
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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