Geheimnisvolle Heimat
Wie ein Mord bei Rülzheim einen Bischof zum Heiligen machte
Rülzheim. Das Dieterskirchel bei Rülzheim ist eine katholische Wallfahrtsstätte. An seinem Standort soll der heilige Theodard von Maastricht (heiliger Diethardt) bei einer Durchreise im Jahre 671 oder 672 den Märtyrertod gestorben sein. Als der Bischof sich bei König Childerich II. gegen die Unterdrückung und Plünderung seines Bistums durch fränkische Adelige beschweren wollte, wurde er auf seiner Reise zu dem König im Wald bei Rülzheim erschlagen. Es wird vermutet, dass die Ermordung im Auftrag der Adeligen erfolgte, über die sich der Bischof beim Herrscher beklagen wollte. Theodards Leiche wurde zunächst am Tatort beigesetzt und später von seinem Schüler, dem heiligen Lambert, nach Lüttich gebracht und dort als Reliquie verehrt. 1957 kam mit dem Wiederaufbau des Dieterskirchel eine Reliquie nach Rülzheim zurück, die seither dort verehrt wird.
Als Todesdatum ist der 10. September aus alten Quellen überliefert, an diesem Tag ist auch das liturgische Fest und der kalendarische Namenstag des Theodard oder Diethard. Theodard ist der Schutzheilige der Stadt Maastricht und Patron der Viehhirten. Während früher das Todesjahr 668 oder 669 angenommen wurde, geht man inzwischen davon aus, dass der grausame Morde frühestens 670, spätestens 672 passierte.
Bewegte Geschichte
Das kleine Dieterskirchel ist am Rand eines ausgedehnten Waldgebiets südlich der Gemeinde Rülzheim, direkt an der Landstraße nach Rheinzabern, zu finden. Die erste schriftliche Erwähnung, die auf das Dieterskirchel in Rülzheim hinweist, findet man in einem Bericht des Anselm von Lüttich, der von 1052 bis 1056 die Geschichte der Bischöfe von Lüttich niederschrieb und dabei auch auf die Ermordung des Heiligen Theodard bei Rülzheim einging. Es wird darin auch berichtet, dass die Bevölkerung im Umkreis des Todes- und ersten Begräbnisortes dem Tag des Märtyrertodes jedes Jahr feierlich gedenkt. Und man vermutet heute, dass bereits dafür im elften Jahrhundert dort eine kleine Kirche errichtet wurde, damit man am Ort des Todes Andachten halten konnte.
Damit wäre das Dieterskirchel einer der ältesten Wallfahrtsorte im Bistum Speyer. Im 14. Jahrhundert wurde die Kirche erneuert und bis zu ihrem Abbruch 1824 war sie Ziel zahlreicher Wallfahrten. Auch Märkte wurden verbunden mit den Wallfahrten an diesem Ort gerne abgehalten – man sagt, der Pfingstmarkt in Germersheim sei ein „Überbleibsel“ aus diesen bewegten Zeit. Denn um die zahlreichen Pilger und friedlichen Besucher vor Dieben und Raufbolden zu schützen, wurde der Markt – quasi aus Sicherheitsgründen – irgendwann im Verlauf des Mittelalters in die Mauern der Stadt Germersheim verlegt.
Abriss und Wiederaufbau
1824 wurde das alte Dieterskirchel dann aus finanziellen Gründen abgerissen, seine Bausubstanz und Güter versteigert. Allein der Name blieb auf Flurkarten erhalten. Erst in den 1950er Jahren wurde die Kirche wieder aufgebaut, heute finden hier Hochzeiten, Feste, Meditationen und Andachten statt.
Der heutige Kirchenbau von 1957 entstand exakt an der Stelle des Vorgängers aus dem 14. Jahrhundert, der etwa 22 Meter lang und acht Meter breit gewesen sein soll. Das Dieterskirchel von heute erinnert in seiner äußeren Erscheinung an die Wallfahrtskirche von Ronchamp in den Südvogesen. Das Gebäude besteht aus einem Kirchenraum, der mit einem Flachdach bedeckt ist. Der Saal schließt im Osten hinter dem Altar mit einer halbkreisförmig ab. An der südöstlichen Gebäudeecke befindet sich ein kleiner, offener Glockenturm. An der Außenfassade wurde eine Sandsteinplatte aus dem Jahr 1517 eingelassen, die unter anderem die Ritzzeichnung eines Kirchengebäudes, vermutlich des Vorgängerbaus, zeigt.
Übrigens ist eine so zu Ehren des Heiligen Theodard nirgendwo anders als in Rülzheim nachgewiesen, was das kleine, beschauliche Dieterskirchel zu einem ganz besonderen Bauwerk macht.
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Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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