Elf Generalvikare fordern
Keine arbeitsrechtlichen Sanktionen wegen Lebensführung

Andreas Sturm ist einer von elf Generalvikaren, die den offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, unterschrieben haben. Sie fordern darin den Verzicht auf arbeitsrechtliche Sanktionen, wenn Mitarbeiter eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen oder geschiedene Mitarbeiter sich wiederverheiraten. | Foto: Bistum Speyer
  • Andreas Sturm ist einer von elf Generalvikaren, die den offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, unterschrieben haben. Sie fordern darin den Verzicht auf arbeitsrechtliche Sanktionen, wenn Mitarbeiter eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen oder geschiedene Mitarbeiter sich wiederverheiraten.
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Speyer. „Es muss sichergestellt werden, dass es keine arbeitsrechtlichen Sanktionen für das Eingehen einer zivilen gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer zivilen Wiederheirat bei bestehender kirchenrechtlich gültig geschlossener Erstehe mehr gibt.“ Das fordern Generalvikare aus elf deutschen Bistümern, darunter auch Generalvikar Andreas Sturm aus dem Bistum Speyer.

In einem Offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sprechen sich die Generalvikare dafür aus, den bereits eingeschlagenen Weg der Neuformulierung des kirchlichen Arbeitsrechts bis zum Sommer dieses Jahres abzuschließen. Zudem fordern die Generalvikare, ab sofort auf arbeitsrechtliche Sanktionen in Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung zu verzichten. So solle ein Zustand beendet werden, der für viele Mitarbeitende „belastend und erniedrigend“ sei.

Die Generalvikare nehmen in ihrem Offenen Brief Bezug auf die Initiative #OutInChurch und auf die jüngste Synodalversammlung im Rahmen des Synodalen Wegs. Beide hätten dazu beigetragen, das Schweigen zu den unzähligen Leidensgeschichten, die das kirchliche Arbeitsrecht seit Jahrzehnten hervorrufe, zu überwinden. Gleichwohl erlebten Mitarbeitende der Kirche nach wie vor eine „‘Kultur der Angst‘, die belastet, verletzt, diskriminiert und Menschen psychisch oder physisch krank werden lässt.“ Über die Mitarbeitenden hinaus, deren „sexuelle Identität von einer Heteronormativität abweicht“, seien zahlreiche Mitarbeitende betroffen, die nach einer Ehescheidung eine neue standesamtliche Ehe eingegangen sind oder in einer außerehelichen Beziehung leben.

Vor diesem Hintergrund betonen Generalvikar Andreas Sturm und seine Amtskollegen: „Das Arbeitsrecht darf kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen, die derzeit ohnehin zur Diskussion steht und die komplexe Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht lässt. Unsere Mitarbeitenden müssen unsere Kirche als einen angstfreien Raum erleben und brauchen eine vollständige Rechtssicherheit, dass ihre Lehrerlaubnis und ihr Arbeitsplatz nicht von ihrer sexuellen Orientierung und ihrem privaten Beziehungsstatus abhängen.“

Die Generalvikare äußern, dass ihnen bewusst ist, wie schwierig es in der Deutschen Bischofskonferenz bei vielen Fragen ist, zu einvernehmlichen Entscheidungen zu kommen: „Deshalb empfehlen wir, dass alle Bischöfe, die zu einer solchen Änderung des Kirchlichen Arbeitsrechtes bereit sind, gemeinsam und mutig die nötigen Reformen für ihre Zuständigkeitsbereiche voranbringen.“
Neben Generalvikar Sturm haben den Offenen Brief die Generalvikare von Berlin, Essen, Hamburg, Hildesheim, Limburg, Magdeburg, Münster, Paderborn, Trier sowie vom Militärbischofsamt unterzeichnet.

Zum Hintergrund

Wie für jeden anderen Arbeitgeber auch, gilt in Deutschland für die Kirche grundsätzlich das weltliche Arbeitsrecht. Den Kirchen ist jedoch aufgrund des verfassungsrechtlich abgesicherten Selbstbestimmungsrechtes ein besonderer Freiraum eingeräumt, ihre eigenen Angelegenheiten, zu denen auch die rechtliche Ausgestaltung ihrer Dienst- und Arbeitsverhältnisse gehört, zu regeln.

Dieses Recht, das in Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137, Absatz 3,  der Weimarer Reichsverfassung verankert ist, ermöglicht den Kirchen die spezifische Eigenart des kirchlichen Dienstes zu formulieren und bestimmte Aspekte der kirchlichen Dienst- und Arbeitsverhältnisse nach ihrem Selbstverständnis auszugestalten.

Die erste gesetzliche Verankerung kirchlichen Arbeits­rechts der katholischen Kirche erfolgte in der Grund­ordnung, die 1994 in Kraft getreten ist. Dort werden zu „Verstößen gegen Loyalitäts­obliegenheiten“ Kündigungs­gründe aufgezählt. Dabei wird auch „das Eingehen einer eingetragenen Lebens­partnerschaft“ aufgeführt – und zwar „wenn diese Handlung nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienst­gemeinschaft oder im beruflichen Wirkungs­kreis zu erregen und die Glaub­würdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen; eine solche Eignung wird bei pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, unwiderlegbar vermutet“.

Das bedeutet, dass etwa Priester oder Pastoralreferenten, bei denen eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft an die Öffentlichkeit kommt, ohne weiteren Grund gekündigt werden können. Dasselbe gilt auch für katholische Religionslehrer, die mit Lehraufgaben betraut sind - und damit aufgrund einer „kirchlichen Beauftragung“ beschäftigt sind. Bei Beschäftigten, die Tätigkeiten nachgehen, die nicht direkt mit der Religion zusammenhängen, muss zunächst nachgewiesen werden, dass sie zum Beispiel die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigen. Dann könnte auch ihnen gekündigt werden. Für viele ein guter Grund, sich gar nicht erst zu outen.

Die Grund­ordnung wurde zuletzt 2015 angepasst, sie lässt sich aber nicht einfach mal eben schnell ändern. Für die Änderung braucht man die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen. Jedem einzelnen Bischof stünde es aber frei, diese Regel in seiner Diözese einfach nicht mehr anzuwenden.

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Cornelia Bauer aus Speyer

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