EKD verliert weiter Mitglieder
"Kosten-Nutzen-Abwägung" oft zu Ungunsten der Kirche
Speyer. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat heute ihre Mitgliedschaftsstatistik für das Jahr 2021 veröffentlicht. Nach den aktuellen Berechnungen auf Basis der gemeldeten vorläufigen Zahlen aus den Gliedkirchen der EKD gehörten zum Stichtag 31. Dezember 2021 insgesamt 19.725.000 Menschen einer der 20 Gliedkirchen der EKD an. Das sind rund 2,5 Prozent weniger als im Vorjahr.
Ursachen für den Rückgang war neben den im Corona-Jahr erhöhten Sterbefällen (360.000) auch die hohe Zahl der 280.000 Kirchenaustritte. Die Zahl der evangelischen Taufen hat sich mit 115.000 gegenüber dem ersten Lockdown-Jahr 2020 zwar deutlich erhöht, erreicht bislang aber längst nicht das Niveau vor der Coronakrise. Die Aufnahmen blieben mit rund 18.000 ungefähr auf dem Vorjahresniveau.
Auch die Evangelische Kirche der Pfalz hat im Jahr 2021 weiter Mitglieder verloren. Zum Stichtag am 31. Dezember 2021 lag die Gesamtzahl der Kirchenmitglieder bei 470.146 und sank damit voraussichtlich um 2,61 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Austritte aus der Landeskirche wuchs um 34,31 Prozent (1.672 Personen) auf 6.545 an, wobei das Ausmaß des Anstiegs durch Nachholeffekte nach der geringen Austrittszahl im ersten Corona-Jahr 2020 begründet liegen kann.
Im selben Zeitraum gab es landeskirchenweit 2.892 evangelische Taufen (plus 65,16 Prozent) und 394 Eintritte, wobei es bei Taufen noch bis Mitte des Jahres zu Nachmeldungen kommen wird. Weiter hoch bleibt die Zahl der Beerdigungen: 6.545 Menschen aus dem Bereich der Landeskirche wurden 2021 kirchlich bestattet.
„Dass so viele Menschen der Kirche den Rücken kehren, ist und bleibt eine Herausforderung. Offensichtlich wissen viele nicht mehr, was sie bei uns finden können, oder haben das Vertrauen in die Institution verloren. Daran müssen und werden wir arbeiten“, sagt die Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, Dorothee Wüst. Auch deshalb bereite die Landeskirche gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Baden eine Taufinitiative vor, um Familien besondere Taufangebote zu unterbreiten. „Jedes neue Leben ist ein einzigartiges Geschenk, das wir feiern. Dieses Leben unter Gottes Segen zu stellen, ist vielen Familien noch immer wichtig.“
Ursachenforschung betreibt die evangelische Kirche bei den Austrittsgründen: In einer qualitativen Teil-Studie und einer repräsentativen Umfrage hat das Sozialwissenschaftliche Institut (SI) der EKD Gründe und Anlässe für Kirchenaustritte erhoben, die seit 2018 erfolgt sind. Dabei wurde deutlich, dass nur eine Minderheit einen konkreten Anlass zum Kirchenaustritt (24 Prozent vormals Evangelische, 37 Prozent vormals Katholische) hatte. „Es ist davon auszugehen, dass Skandale zur Austrittsspitze 2019 beigetragen haben, insbesondere bei den vormals Katholischen“, so die Soziologin Petra-Angela Ahrens, die die Studie für das SI durchgeführt hat.
In erster Linie vollziehe sich der Austritt jedoch als Prozess, der häufig schon mit einer fehlenden religiösen Sozialisation beginne. Bei den weiterreichenden Gründen für den Kirchenaustritt kristallisiere sich eine empfundene „persönliche Irrelevanz“ von Religion und Kirche als wichtiger Faktor heraus, so Ahrens. Zudem werde gerade bei den vormals Evangelischen auch die mit dem Kirchenaustritt verbundene Ersparnis der Kirchensteuer als Grund angeführt (71 Prozent zustimmende Voten). „Damit bestätigt sich die geläufige Figur einer „Kosten-Nutzen-Abwägung“ zur Kirchenmitgliedschaft, die bei fehlender religiös-kirchlicher Bindung einen Austritt wahrscheinlicher macht“, so die Kirchensoziologin. Insbesondere bei den vormals Evangelischen lasse sich der zunehmende Bedeutungsverlust eines religiösen Selbstverständnisses über die Generationenfolge hinweg ablesen.
Die EKD und ihre Landeskirchen haben seit geraumer Zeit auf allen Ebenen Zukunfts- und Reformprozesse gestartet, mit denen sie die evangelische Kirche für Christinnen und Christen künftig attraktiver gestalten wollen. Auch im Rahmen der Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz im Mai 2022 werden aktuelle und anstehende Zukunftsprozesse diskutiert werden.
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