Mobile Pflege in Zeiten von Corona
"Man versucht uns auf der Straße aus dem Weg zu gehen"

Mobile Pflege in Zeiten von Corona - nur noch mit Mundschutz und Gesichtsvisier | Foto: Holusa
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Speyer/Region. Personalmangel, schlechte Bezahlung und mangelnde Wertschätzung haben die Pflegebranche auch schon vor Corona beschäftigt. Mit dem Ausbruch der Pandemie rückten dieses Problematiken jedoch vermehrt ins Interesse der Öffentlichkeit. Hilft diese Aufmerksamkeit im Arbeitsalltag, hat sich am Respekt für die "systemrelevanten Berufe" seit Corona verbessert, ist die viel gelobte Solidarität spürbar?  "Wochenblatt"-Redakteurin Heike Schwitalla unterhielt sich darüber mit Andreas Holusa, dem Leiter eines Mobilen Pflegedienstes in Speyer.  Andreas Holusa ist 62 Jahre alt und seit 1978 als  examinierte Pflegefachkraft tätig. 1995 hat er seinen eigenen Pflegedienst gegründet.

Kosten und Zeitaufwand steigen

"Wir versorgen pflegebedürftige Menschen in ihrer häuslichen Umgebung aufgeteilt in Pflege - Waschen, Baden, Duschen, Anziehen, Nahrungsversorgung - und in Behandlungspflege -  Medikamentengabe, Insulingabe, Verbandswechsel, Dekubitusversorgung", berichtet Holusa aus seinem Arbeitsalltag. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie habe sich die Arbeit aber verändert, so Holusa weiter. "Gleich zu Beginn sagten uns Patienten ab,  aus Angst von dem Virus. Und natürlich betreffen uns als Dienstleister die neuen  und verschärften Hygienemaßnahmen - vom Mundschutz angefangen bis zur Desinfektion. Da steigen naturgemäß der Zeitaufwand aber eben auch unsere Kosten und Ausgaben".
Die Schutzausrüstung besteht aus Mundschutz, Einmalhandschuhen, Schutzkittel, Schutzbrille oder Vollvisieren, die das ganze Gesicht bedecken. "Wir passen das auf die jeweilige Situation bei einem Patienten individuell an", sagt Holusa. Am Anfang der Corona-Krise sei es durchaus schwierig gewesen, das ganze zusätzliche Schutzmaterial zu besorgen. "Mittlerweile ist die notwendige Schutzausrüstung wieder besser zu bekommen, aber die Preise haben sich zum Teil versiebenfacht im Vergleich zu denen vor Corona. Deshalb beziehen wir sie aus verschiedenen Quellen - vom Verband, den Gesundheitscentern oder auch von Privatleuten, die sich engagieren, wie Thorsten Thull, der auf seinem 3D-Drucker Vollvisiere herstellt und diese an Menschen in systemrelevanten Berufen verschenkt". berichtet der Speyerer Pflegedienstleiter. Zwar böte auch das Land Rheinland-Pfalz diese mittlerweile an, "aber dafür müsste ich zum Beispiel nach Mainz fahren, um sie abzuholen und das würde sich nicht rechnen", erklärt er die Problematik. "Gute Unterstützung finden wir aber bei der Stadt Speyer, der wir dafür herzlich danken möchten", ergänzt er.  

Zwiegespaltenes Verhältnis zur Politik

Die Politik sei aber ganz generell in Zeiten von Corona kein besonders guter Ratgeber oder Unterstützer, fügt der Pflegedienstleiter an. "Politiker kennen sich in unserem Beruf ja nicht aus und derzeit sind meiner Meinung nach zu viele Experten unterwegs, die sich nicht einig sind. Es  müsste vielleicht eine Person geben, die die Marschrichtung im Gesundheitswesen vorgibt, das  vermisse ich."  Die Versprechen, die gegeben wurden, könnten oft nicht gehalten oder langfristig finanziert werden, meint er uns sagt: "Die Gesellschaft sollte aus dieser Krise lernen und den Menschen - nicht nur in der Pflege, auch denen in den Hilfsorganisationen, der Polizei, der Feuerwehr, den Transportbetrieben, den Verkäufern den Respekt erweisen, den sie verdienen. Es ist nicht alles mit Geld zu vergüten,  ein nettes Wort zur rechten Zeit, weniger Egoismus und Ich-Denken sollten Einzug finden." Man können es nur gemeinsam aus der Krise schaffen und diese Menschen sehen sich nicht als Helden, sondern als Diener der Gesellschaft damit dies funktionieren könne, ist er sich sicher.
"Nach der Corona Krise würde ich mir für die Pflegebranche wünschen, dass die zum Teil überflüssigen Prüfungen durch den Medizinischen Dienst wegfallen. Das ist Geldverschwendung, die jeder zahlen muss - und  ohne Nutzen, denn man kennt die schwarzen Schafe und  die muss man aussortieren", formuliert Holusa seine Hoffnungen. "Würde man das konsequent machen, wäre genug Geld da, um die Fachkräfte, die jetzt lieber einen gut bezahlten Bürojob ausüben als am Pflegebett zu stehen, in die Branche zurückzuholen und so gegen den Pflegenotstand anzukämpfen. Desweiteren müsse der Ausbildung wieder mehr Beachtung geschenkt werden, sagt die examinierte Pflegefachkraft Holusa. "Statt nur über die Berufsrechte zu referieren, müsse man auch über die Pflichten aufklären. "Es kann doch nicht angehen das Patienten aus der Klinik nach Hause bekommen, die nicht ausreichend gepflegt werden und deshalb Hautpilze bekommen oder wochenlang keine Haarwäsche hatten,  nur damit die Dokumentation dem Standard entspricht, kritisiert der erfahrene Pflegedienstleiter aus Speyer.

Nachlassende Solidarität

Solidarität und Respekt seien am Anfang der Corona-Krise noch deutlich spürbar gewesen, sagt Holusa, die Stimmung habe sich aber geändert: "Irgendwie hat sich da anfangs jeder dem Hype angeschlossen, mittlerweile kann man aber beobachten, dass man versucht, uns auf der Straße aus dem Weg zu gehen. Manchmal schon, wenn die Leute nur das Auto des Pflegedienstes sehen. Man spürt die Angst deutlich. Ich habe gelesen, dass in Wolfsburg einer Kollegin der Zugang zum Bäcker verweigert wurde. Das ist uns zwar noch nicht passiert, aber so was macht einen natürlich traurig."
Furcht vor eine Ansteckung haben Holusa und sein Team nicht. Regina Holusa, Ehefrau von Andreas und ebenfalls in der Pflege tätig, sagt aber: "Keiner von uns hat Angst vor dem Coronavirus, jedoch bestehen Ängste, wir könnten Träger ohne Symptome sein und dann unsere Kunden und Familien zu gefährden".

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Andreas Holusa | Foto: Holusa
Autor:

Heike Schwitalla aus Germersheim

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