Mehrwertsteuersystem in Frage gestellt - im Gespräch mit MdB Johannes Steiniger
Sind Tampons, Damenbinden und Babywindeln wirklich Luxus?

Der Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger | Foto: ps
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Speyer/Region. Die Diskussion über die Besteuerung von Produkten wie Tampons und Damenbinden ist schon lange kein Thema der Feministinnen mehr. Online-Petitionen haben geholfen, die „Luxusbesteuerung“ so genannter Monatshygieneprodukte in das Interesse der Politik zu rücken.

Während die meisten Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wie Grundnahrungsmittel, Druckerzeugnisse, aber auch Kulturveranstaltungen seit 1968 mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz belegt werden, sind Damenhygieneartikel in Deutschland dem vollen Steuersatz von 19 Prozent unterworfen.Die für alle Mitgliedstaaten der EU geltende Mehrwehrsteuersystemrichtlinie ermöglicht es nun jedoch, einen ermäßigten Steuersatz auf Monatshygieneprodukte einzuführen. Von dieser Möglichkeit haben bereits einige Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht, nun soll, wenn es nach dem Willen der CDU geht, auch Deutschland nachziehen.

Die Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich in ihrer Sitzung am 25. Juni für eine Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von sieben Prozent auf Produkte der Monatshygiene wie zum Beispiel Tampons oder Binden ausgesprochen.

Dazu erklärt der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Neustadt - Speyer Johannes Steiniger (CDU) unlängst in einer Pressemitteilung: „Produkte der Monatshygiene wie Tampons und Binden werden bislang nach dem Regelsteuersatz von 19 Prozent besteuert. Viele andere Artikel des täglichen Bedarfs dagegen nur mit sieben Prozent. Das macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Nachdem die neuen Regelungen der EU uns es jetzt erlauben, diese Steuern anzupassen, wollen wir das auch tun und diese künftig weniger stark besteuern. Da viele auf diese Produkte angewiesen sind, bedeutet das eine spürbare Entlastung im Geldbeutel. Wichtig ist dann allerdings, dass die Unternehmen hier fair bleiben, die Preise vor Steuer gleich lassen und keine versteckten Erhöhungen durchsetzen. Das werden wir genau beobachten.“

Im Gespräch mit Johannes Steiniger

Im Gespräch mit „Wochenblatt“-Redakteurin Heike Schwitalla erklärt Steiniger seine Haltung:
„Für mich sind steuerrechtliche Fragen keine männlichen oder weiblichen Themen. Wichtig ist, ob es steuersystematisch und politisch sinnvoll ist. Aus meiner Sicht sind Produkte der Monatshygiene alltägliche Produkte, an denen man nicht vorbei kommt und die zum Grundbedarf gehören. Andere Artikel des täglichen Bedarfs besteuern wir bereits ermäßigt. Dass wir hier jetzt nachziehen macht für mich einfach Sinn - unabhängig von meinem Geschlecht.“

???:Haben die Online-Petitionen da geholfen, auf das Thema aufmerksam zu machen, Diskussionen darüber zu starten? Oder war das für Sie vorher schon ein Thema?

Steiniger: "Das Thema haben wir politisch schon länger auf dem Schirm, aber Petitionen, die sich an den Bundestag richten, sorgen natürlich immer dafür, dass man sich Themen nochmals intensiver widmet. Das war auch hier der Fall."

???: Gibt es einen Grund oder eine Erklärung, warum diese Produkte mit 19 Prozent besteuert sind? Um ein Luxusprodukt handelt es sich dabei ja nicht, für Frauen ist der Kauf ja zwingend notwendig.

Steiniger: "Das ist genau richtig. Da wir nun durch die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie die Möglichkeit haben, hier den Steuersatz zu ermäßigen, wollen wir hier deswegen auch nachsteuern."

???: Gerne genommen: das Beispiel Babynahrung/Babywindeln (19 Prozent) gegen Tierfutter (7 Prozent), mit welcher Begründung lässt die EU-Richtlinie den niedrigeren Steuersatz für Säuglingsprodukte nicht zu?

Steiniger: "Dass die EU in einzelnen Fällen eine Reduzierung des Steuersatzes zulässt (wie zum Beispiel jetzt bei Damenbinden), nicht dagegen jedoch bei ähnlich gelagerten anderen Produkten (wie Babywindeln) macht aus meiner Sicht wenig Sinn. Eine Harmonisierung von Steuersätzen ist für die EU dabei aber immer ein Balanceakt, der durch die sehr verschiedenen Steuersysteme in den Mitgliedsstaaten immer schwieriger wird. Es wird auf EU-Ebene daher auch schon lange über Positiv- oder Negativ-Listen bei Ausnahmen von regulären Steuersätzen gestritten. Daraus resultieren dann derartige Steuersätze, die auf den ersten Blick nicht immer logisch erscheinen mögen."

???:Gerade sozial schwächer gestellte Menschen profitieren von einer solchen Änderung, aber ist das System nicht generell veraltet?

Steiniger: "Von einer Steuersenkung auf Produkte der Monatshygiene würden alle Menschen in Deutschland, im Besonderen aber natürlich Frauen, profitieren. Menschen mit niedrigerem Einkommen profitieren aber bei derartigen Steuersenkungen auf Artikel, die im Alltag notwendig sind, besonders stark."

???: Könnte es der Einfachheit halber nicht einfach nur einen Steuersatz geben?

Steiniger: "Einen einheitlichen Steuersatz lehne ich ab. Die Besteuerung in Deutschland ist zwar kompliziert und sehr ausdifferenziert, das hat aber in vielen Fällen gute Gründe. Einheitlich zu besteuern ohne größere Verschiebungen bei der Belastung erscheint mir nur schwer möglich. Realistische Berechnungen des Bundesfinanzministeriums ergeben hier auch höhere Steuersätze als sie vielfach in der Diskussion eingeworfen werden. An Vereinfachungen im Steuersystem muss aber definitiv weiter gearbeitet werden."

???: Wie ist der weitere Ablauf, wann könnte es frühesten zu einer Änderung bei den Monatshygieneprodukten kommen?

Steiniger: "Bislang handelt es sich um einen Beschluss der Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Als Finanzpolitiker sind wir in Steuerfragen federführend, weshalb ein solches Votum innerhalb der Fraktion Gewicht hat. Jetzt gilt es nach der Sommerpause den Koalitionspartner zu überzeugen. Davon hängt dann der weitere Zeitplan ab."

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Produkte der Monatshygiene sollen nach Willen der CDU zukünftig nur noch mit sieben Prozent besteuert sein | Foto: Heike Schwitalla
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Heike Schwitalla aus Germersheim

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