Erster "Internationaler Tag gegen Hexenwahn" am 10. August
Verfolgung vermeintlicher "Hexen" ist kein Thema aus Geschichtsbüchern
Speyer/Region. Hexenverfolgungen fanden in Europa überwiegend in der Frühen Neuzeit - von 1450 bis 1750 - statt. Es wird geschätzt, dass insgesamt in Europa im Zuge der Hexenverfolgung rund drei Millionen Menschen der Prozess gemacht wurde, wobei rund 40.000 bis 60.000 Betroffene hingerichtet wurden. Den Höhepunkt der Verfolgungswelle erlebte Europa zwischen 1550 und 1650. Der "Hexenhammer (lateinisch Malleus maleficarum)", 1486 von dem Theologen und Dominikaner Heinrich Kramer (latinisiert Henricus Institoris) in Speyer erstmals veröffentlicht und bis ins 17. Jahrhundert in 29 Auflagen erschienen, gilt heute als schriftliche Legitimation der europäischen Hexenverfolgung in der Neuzeit.
Kein Märchen - bittere Realität
Wer nun aber denkt, die Angst vor Hexen existiere heute nur noch in Märchenbüchern oder Hexenverfolgungen seien ein Thema der Vergangenheit und kämen heute nur noch in Geschichtsbüchern oder Horrorfilmen vor, der liegt falsch. Experten wissen: Auch heute noch werden in mindestens 36 Ländern der Welt Menschen als vermeintliche Hexen beschuldigt, verfolgt und in vielen Fällen gefoltert und getötet. Berichte über solche Hexenverfolgungen kennt man aus Afrika, Asien, Ozeanien sowie aus Lateinamerika. Hexenverfolgung ist auch kein "christliches Problem". Laut eines Berichtes der Vereinten Nationen tritt der so genannte Hexenwahn auch heute noch sowohl in christlich, muslimisch als auch in buddhistisch und hinduistisch geprägten Regionen auf.
Ähnlich wie in der Vergangenheit werden die vermeintlichen Hexen auch in der Gegenwart noch für Krankheit, Dürren, Missernten und andere Unglücke verantwortlich gemacht - noch immer dienen sie als "Sündenbock" für Geschehnisse, die außerhalb des Erklärungsbereichs ihrer Mitmenschen liegen.
Weil sie schwächer, rechte- und wehrloser sind, trifft der "Verdacht der Hexerei" auch heute noch meist Frauen und Kinder. In der Demokratischen Republik Kongo etwa werden behinderte oder an Aids erkrankte, mit HIV-infizierte Kinder zu Tausenden der Hexerei beschuldigt, von ihren Familien auf der Straße ausgesetzt und von so genannten Priestern getötet.
Hexenverfolgung - auch heute noch ein Thema
Erstmalig ruft das Internationale Katholische Hilfswerk missio deshalb am 10. August den "Internationalen Tag gegen Hexenwahn" aus und macht damit auf weltweite Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang angeblicher Hexerei und der Verfolgung von angeblichen Hexen aufmerksam.
„Zu lange wurde übersehen und dazu geschwiegen, dass ein menschenfeindlicher Aberglaube benutzt wird, um wehrlose Frauen, Kinder und Männer zu Sündenböcken für gesellschaftliche Probleme zu machen“, erklärt der missio-Präsident Pfarrer Dirk Bingener.
Die Wahl des 10. August als Internationalen Tag gegen Hexenwahn geht auf den Fall einer Frau namens Christina in Papua-Neuguinea zurück, der international und auch in Deutschland für Aufmerksamkeit sorgte. Die wehrlose Mutter wurde im August 2012 als angebliche Hexe beschuldigt und über mehrere Tage gefoltert. Durch einen Trick konnte sie sich befreien und wurde von Ordensfrauen in Sicherheit gebracht. Seitdem kümmert sich die Schweizer Ordensschwester Lorena Jenal um die Überlebende und kämpft für Gerechtigkeit für Christina. Sie rettete schon Dutzenden von Menschen das Leben und baute mit Unterstützung von missio ein Hilfsprojekt auf. 2018 wurde sie für ihr mutiges Engagement gegen die Menschenrechtsverletzungen mit dem Weimarer Menschenrechtpreis ausgezeichnet.
Der Fall von Christina steht stellvertretend für zehntausende Fälle weltweit. Mit dem Internationalen Tag gegen Hexenwahn will missio auf ihr Schicksal aufmerksam machen und den Betroffenen eine Stimme geben. „Wir wollen aufklären und zeigen: Hexenwahn ist kein Problem von gestern und vorgestern“, erklärt Pfarrer Bingener und betont: „Das Thema muss in der Menschenrechtsarbeit stärker beachtet werden, ebenso in der Entwicklungszusammenarbeit.“
Auf den dramatischen Anstieg und das weltweite Ausmaß dieser Gewaltverbrechen weisen auch Experten wie Dr. Werner Tschacher von der Universität Luxemburg hin. „In den letzten 60 Jahren wurden weltweit mehr Menschen als vermeintliche Hexen und Hexer getötet als in circa 350 Jahren europäischer Hexenjagden zusammen“, erklärt der Historiker, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt.
Weitere Informationen zum Internationalen Tag gegen Hexenwahn und zur Solidaritätsaktion finden sich unter www.missio-hilft.de/hexenwahn.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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