Ehrenamtliche beschäftigen sich mit Armut
„Was braucht es für ein gutes Leben?“
Speyer. Speeddating war beim Forum Caritas-Ehrenamt (FCE) am Samstag am Wallfahrtsort Maria Rosenberg angesagt. Was Singles möglicherweise kennen, wenn sie schon mal auf Partnersuche waren, war für viele der 35 Teilnehmer der FCE-Jahreshauptversammlung eine neue Erfahrung. Ums Kennenlernen ging es dabei auch. Hauptamtliche Mitarbeiter des Fachdienstes Gemeindecaritas und Ehrenamtliche, die sich für Menschen in Not und Armut engagieren, sollten sich kennenlernen.
Bewusst habe man sich für diese Form des Kennenlernens entschieden, sagte Stefanie Horn-Wolniewicz, die Referentin für Gemeindecaritas beim Caritasverband für die Diözese Speyer. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Lukas Buschbacher wollte sie den Teilnehmern auch noch einmal bewusst machen, was Armut bedeutet. Aber auch Danke sagen für das Engagement der Menschen, die sich für andere Menschen einsetzen. Es wurde erarbeitet, was jeder Einzelne tun kann, um Menschen zu helfen. Es wurde aber auch deutlich gemacht, dass der Einzelne, der helfen möchte, an Grenzen stoßen kann.
„Gelangen Sie als Ehrenamtliche an diesen Punkt“, unterstrichen Horn-Wolniewicz und Buschbacher, „sind die Profis, die Fachberater bei den Caritas-Zentren, die richtigen Ansprechpartner. Geben Sie betroffenen Menschen die Kontaktdaten der Fachberater weiter.“ Die könnten in sehr vielen Fällen helfen, sagte Horn-Wolniewicz. Damit die Ehrenamtlichen ein Gefühl dafür bekommen, an wen, an welche Fachberater sie verweisen können, wurde das Speed-Dating arrangiert. „Eine tolle Sache. Sollten wir künftig öfter machen“, sagte Marius Wingerter, beim Bischöflichen Ordinariat zuständig für die Gemeindecaritas.
"Armut ist nicht Gott gegeben"
Aus verschiedenen Caritas-Zentren waren Fachberater gekommen. Die Bandbreite der Hilfe, die in den Zentren angeboten wird, wurde in den Speed-Dating-Runden vom jeweiligen Fachberater erläutert. Acht Gruppen bildeten sich, und an den acht Gruppenplätzen stellten die Fachberater sich und ihre Arbeit, bei der sie immer wieder mit dem Thema Armut konfrontiert sind, im schnellen Wechsel vor: Ehe-, Erziehungs- und Lebensberatung, allgemeine Sozialberatung, Kinderschutzdienst, Migrations- und Integrationsberatung, Gemeindecaritas, Schuldnerberatung, Schwangerschafts- und Suchtberatung sind die Bereiche, in denen die Fachberater tätig sind. Die Ehrenamtlichen stellten viele Fragen. Es entwickelten sich lebhafte Diskussionen.
„Armut ist nicht Gott gegeben“, sagte Lukas Buschbacher. „Armut bekämpfen bedeutet im Prinzip, gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Die entscheidende Frage ist dann: Wie?“ Um Antworten auf diese Frage zu finden, waren die 35 Anwesenden aufgefordert, zu überlegen, was es für ein gutes Leben überhaupt braucht. Es stellte sich schnell heraus, dass von den Teilnehmern hier vor allem Begriffe wie Offenheit, Geduld, Freude, Gemeinschaft, Anerkennung und soziale Kontakte genannt wurden. Alles Begriffe, die in der Bedürfnispyramide weit oben angesiedelt seien.
„Warum ist das so?“, fragte Buschbacher. Die Antwort sei: „Weil es uns zum Glück allen gut geht“. Von den Anwesenden müsse sich niemand Gedanken über vorgelagerte Bedürfnisse machen wie: „Habe ich genug zu essen, habe ich ein Dach über dem Kopf, lebe ich sicher? Das ist für viele selbstverständlich. Aber für arme Menschen eben nicht.“
Armut sei eine Lebenslage, und Gruppen, die stark von Armut betroffen sein können, sind in Deutschland Rentnerinnen, Kinder und Jugendliche, Alleinerziehende oder Familien mit mehr als drei Kindern. „Armut“, so erläuterte Buschbacher, „ist immer ein Gefühl des Mangels. Das kann ebenso der Mangel an Nahrung sein, wie der Mangel an sozialen Kontakten.“ Dass, wer sich im Forum Caritas-Ehrenamt engagiert, selten Gefahr läuft, arm zu sein, hatte der FCE-Vorsitzende Manfred Traub zu Beginn der Jahreshauptversammlung deutlich gemacht.
Ein Gefühl des Mangels
Was Armut bedeutet, verdeutlichte Buschbacher, indem er Aussagen von armen Menschen vorlas, die deutlich machten, dass es Menschen gibt, die über ein Jahr lang keinen Kühlschrank haben. Die Angst haben vor jeder Reparatur, weil sie sie nicht bezahlen können. Die ihre sozialen Kontakte abbrechen, weil sie sich schämen, zum Beispiel keine Geburtstagsgeschenke machen zu können.
Das ließ bei manchem Ehrenamtlichen selbst gemachte Erfahrungen in neuem Licht erscheinen.
Dass ein Obdachloser eine angebotene Jacke nicht angenommen habe, habe wohl mit Scham zu tun gehabt. Auch dass Menschen, die man bewusst aktivieren wolle an Veranstaltungen teilzunehmen, nicht kommen, sei oft der Angst geschuldet, dass über sie geredet werde. Horn-Wolniewicz ging auch auf die Caritas-Jahreskampagne mit Frontfrau Jenny ein: „Für Klimaschutz, der allen nutzt“, lautet das Motto, das ganz eng mit dem Thema Armut und sozialer Gerechtigkeit verknüpft ist. Gefordert werden zum Beispiel Busse für weniger Geld oder Wärmedämmung auch in günstigen Mietwohnungen. Das wären Lösungen für Probleme, mit denen auch Menschen aus dem Bereich der Diözese Speyer konfrontiert sind.
Um strukturiert ein caritatives Ehrenamt ausüben zu können, gibt es Einrichtungen wie das FCE, das ein Leitungsteam braucht, um zielgerichtet arbeiten und den Ehrenamtlichen eine Stimme in vielen Gremien geben zu können. „Ehrenamt ist wichtig, damit der Funke überspringt“, sagte Manfred Traub. Manfred Traub (Hochstadt), seine bisherigen Vorstandskollegen Karl-Heinz Ochs (Otterbach) und Christine Stoll (Kusel) wurden für vier weitere Jahre als FCE-Vorstände gewählt. Rita Merkel und Elisabeth Reis, die sich jahrelang engagiert hatten, kandidierten nicht mehr. Nachfolger fanden sich vorerst nicht. Nachwahlen sind bis zum Ende der Wahlperiode in vier Jahre jederzeit möglich. Andrea Daum
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