Wie wird man eigentlich Krimiautor, Herr Ittensohn?
Speyer. Krimiautor kann zum Beispiel werden, wer sich seiner Frau gegenüber bei der gemeinsamen Buchkritik am Frühstückstisch zu Aussagen wie "Das hätte ich auch noch hingekriegt" hinreißen lässt. So geschehen 2016 im Urlaub von Familie Ittensohn auf Teneriffa, als der Regionalkrimi nicht die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllte. Die Gattin wollte sehen und prompt lag beim nächsten Geburtstag ein Gutschein für ein Online-Schreibseminar auf dem Gabentisch von Uwe Ittensohn.
Der heute 55-Jährige akzeptierte die Herausforderung - entschied sich aber gleich, die Sache ernsthaft anzugehen. Statt des Seminars wählte er ein komplettes Lektorat, suchte sich sodann eine Agentur und fand einen Verlag. Gerade ist sein drittes Buch "Festbierleichen" - ein Brezelfestkrimi - im Satz; es soll im Frühjahr 2021 erscheinen. Eine Erfolgsstory, die schnell erzählt ist, aber in Wirklichkeit Jahre in Anspruch genommen hat.
Sein erstes Manuskript ist nach einem halben Jahr fertig. Es folgt ein ausführliches Lektorat bei der Speyerer Lektorin Sandra Lode, die Hunderte von Anmerkungen macht und diese akribisch mit dem Autor bespricht. Nachdem endlich alle Korrekturen eingearbeitet sind, sucht sich Uwe Ittensohn fünf renommierte Literaturagenturen aus dem Internet aus und verschickt seinen Roman.
Der Verlag investiert in eine Idee
Er hat Glück: Eine der Agenturen möchte ihn vertreten. Zunächst auf Probe. Bis der Gmeiner Verlag schlussendlich Interesse an einer Zusammenarbeit anmeldet, hat Ittensohn bereits ein zweites Manuskript in der Schublade. Der Verlag lehnt zwar die Veröffentlichung des ersten Manuskriptes ab, ist aber begeistert von Ittensohns Plänen, einen Krimi rund um die Beerdigung von Helmut Kohl zu schreiben. Gmeiner investiert in die Idee und Uwe Ittensohn schreibt "Requiem für den Kanzler". Im Februar 2019 endlich hält er sein erstes eigenes gedrucktes Buch in Händen.
Dabei hatte der Betriebswirtschaftler es bis dahin als Autor und Korrektor immer nur mit Fachtexten zu tun. Doch Uwe Ittensohn interessiert sich sehr für die Speyerer Stadtgeschichte. Dass er und seine Familie im ältesten Haus der Stadt leben, ist ihm Verpflichtung. Bei seinen Regionalkrimis legt er großen Wert auf original Schauplätze. Alles bei Ittensohn ist nachprüfbar - bis hin zu der Flasche Wein auf der Getränkekarte eines bestimmten Speyerer Restaurants. Ittensohn ist Speyer- und detailverliebt. So wie er selbst eng mit der Region verflochten ist, sind es auch seine Geschichten. Da kommt auch mal die Wirtin des Speyerer Narrenstübchens im Buch vor oder der Brezel-Berzel.
Für Ittensohn ist ein Regionalkrimi die perfekte Ergänzung zum klassischen Reiseführer. "Ich stelle mir gerne vor, dass ein Tourist in Speyer morgens mit dem Reiseführer den Dom erkundet, am Nachmittag in meinem Buch schmökert und am Abend dann die Roman-Schauplätze besucht und dort isst und trinkt, wo es meine Protagonisten, Hauptkommissar Frank Achill, sein schrulliger Freund André Sartorius und dessen rotzfreche Untermieterin Irina tun", sagt der Speyerer Autor.
Der Plot entsteht am Reißbrett
Krimis schreibt er, weil er dieses Genre selbst auch gerne liest und alleine die Konstruktion des Plots dem Autor einiges abverlangt. Am Reißbrett entsteht zunächst eine Art Skelett. Mit falschen Fährten, Höhe- und Wendepunkten. Erst wenn dieses Grundgerüst steht, beginnt das eigentliche Schreiben. Das Ergebnis bekommt immer zuerst seine Frau zu Gesicht.
"Für mich ist das ein kreativer Ausgleich zur hoch regulierten Welt des Bankers", sagt Ittensohn. Doch "mal eben so" wird niemand Krimiautor. Dafür braucht es Fleiß. Unter anderem. "Man muss viel schreiben, sich Feedback einholen und lernwillig sein", rät Uwe Ittensohn. Auch eine gewisse Opferbereitschaft sei unabdingbar. "Einen Roman schreibt man nicht an zwei Wochenenden im Halbjahr", sagt der Speyerer. Man müsse bereit sein, jede Menge Freizeit, Urlaub und auch Schlaf zu opfern, müsse Geduld und Ausdauer aufbringen.
Der Literaturprozess ist langsam. "Bis ein Buchvertrag zustande kommt, vergehen Jahre", so Ittensohns Erfahrung. Als Autor muss man nicht nur immer wieder den inneren Schweinehund besiegen, sondern auch eine gesunde Portion Ehrgeiz mitbringen. Man darf sich nicht zu früh zufrieden geben, sondern auch den fünften Korrekturdurchgang noch geduldig ertragen - wenn es dem Endergebnis dient.
Das Schreiben sei zudem ein stets präsentes Hobby. Plastisch ausgedrückt: "Man muss bereit sein, selbst noch die Zeit aufm Klo dem Nachdenken über das Buch zu opfern." Und: "Die Leser sind anspruchsvoll; sie wollen ständig etwas Neues lesen, etwas dazu lernen." Weil immer etwas recherchiert werden muss, gehöre Neugierde ebenfalls zum Berufsbild. Und Kritikfähigkeit. Denn alle bilden sich ein Urteil über das, was sie da lesen: der Partner, die Testleser, der Lektor und am Ende natürlich auch der Käufer des Buchs. Das müsse man "ertragen" und lernen, es besser zu machen, anstatt beleidigt zu sein.
Und als wäre das Anforderungsprofil noch nicht anspruchsvoll genug, muss der Krimiautor am besten auch noch eine gespaltene Persönlichkeit mitbringen, muss der Autor sein, der im stillen Kämmerlein ohne zu klagen den Produktionsprozess mutterseelenallein bewältigt, um dann - sobald das Buch veröffentlicht ist - zur Rampensau zu werden und bei Lesungen vor Charme und Witz nur so zu sprühen. Ach ja, genügsam muss er auch noch sein, der Krimiautor, denn vom Schreiben leben, das können nur ganz wenige Autoren.
Wer Uwe Ittensohn von seiner Rampensau-Seite erleben möchte, muss sich leider gedulden. Coronabedingt wurden alle für November geplanten Veranstaltungen und Lesungen aufs Frühjahr 2021 verschoben. [cobc]
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