960. Jahrestag der Domweihe
„Wir brauchen Orte, um das Leben zu feiern“
Speyer. Aus Anlass des 960. Jahrestages der Domweihe feierte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann am Sonntag, 3. Oktober, im Speyerer Dom ein Pontifikalamt. Zahlreiche Menschen waren zu dem Gottesdienst gekommen, so dass die Plätze im Mittelschiff nicht ausreichten. Die musikalische Gestaltung des Domweihfestes übernahmen der Konzertchor des Mädchenchores und die jungen Männerstimmen der Domsingknaben. Die Orgel spielte Domorganist Markus Eichenlaub.
Bei seiner Begrüßung sagte Bischof Wiesemann, der Dom sei ein Raum, wo Menschen zusammenkommen, um gemeinsam durch Gottes Wort gestärkt zu werden. Am Tag der Deutschen Einheit legte er besonderen Wert darauf, dass dies ein „Miteinander statt gegeneinander“ sei. So mahnten auch dies Jesusworte über dem Domportal „Ut unum sint – dass sie eins seien“ zu Versöhnung und Frieden.
In den Mittelpunkt seiner Predigt stellte Bischof Wiesemann die Frage: „Wozu gibt es die Kirche?“. Die salischen Kaiser, die Erbauer des Doms, hätten sich vor 1000 Jahren diese Frage sicher noch nicht gestellt, so Wiesemann. Für sie war der Dom das Sinnbild des Gemeinwesens, das auf einer göttlichen Ordnung beruhte. Wozu brauche man Kirche heute? Bei der Suche nach einer Vision für das Bistums hätten sich vier Grundbegriffe herauskristallisiert, in denen der Markenkern der Kirche stecke und die ausdrückten, wozu es Kirche brauche. Bei seiner Betrachtung ging er dabei immer wieder vom Dom aus.
Die Kirche sei eine Unterbrechung des Alltags. Sowohl die Gebäude, die, wie der Dom, markante Landmarken seien, als auch der Sonntag als Ruhetag im Wochengefüge – in beidem stecke die Chance zum Innehalten und Stillewerden. „Eine Unterbrechung, das habe ich selbst gemerkt, kann gut tun“, sagte Wiesemann mit Blick auf seine kürzliche siebenmonatige Auszeit.
„Der Raum weitet sich, wenn man in eine Kirche kommt“ beschrieb der Bischof von Speyer eine weitere Funktion von Kirche. Sie sei ein Ort des offenen Dialogs. Keine Filterblase, sondern ein Ort, der Weite lehre und wo Geist und Wahrheit angebetet würden. Dieses Bild verband er mit dem synodalen Weg, der Versammlung von Laien und Klerikern, bei der derzeit in Deutschland über Zukunftsfragen der Kirche gesprochen wird.
Ein weiteres Wesensmerkmal von Kirche sei die Sicherheit und die Seelsorge. So wie im Dom Gläubige Kerzen mit einer Bitte vor Maria brächten, so müssten sie sich innerhalb der Kirche mit ihren Sorgen und Nöten aufgehoben fühlen. „Deshalb ist jede Form von Missbrauch innerhalb der Kirche so schrecklich“, sagte Wiesemann, „da hier die Menschen sich öffnen könne müssen.“ Seelsorge, deren Sinnbild Maria sei, sei eine weitere Kernaufgabe. Hier seien, so wie nach der Flutkatastrophe in diesem Jahr, Kirchen systemrelevant. Bei allen notwendigen Strukturreformen dürfe „Seelsorge nicht unten durch gehen – da müssen wird ran“.
„Wir brauchen Orte, um das Leben zu feiern“, so benannte Bischof Wiesemann den vierten und letzten Punkt seiner Ausführungen. Mit der Feier der Sakramente spürten die Menschen „das Gott unter uns ist.“
Die Chance auf eine Unterbrechung des Alltages, einen offenen Dialog, auf geschützte Seelsorge und zur Feier Gottes Gegenwart unter den Menschen, so fasste er abschließend zusammen, sei es „wozu es Kirche unbedingt brauche“, so Wiesemann. „Die Salier haben uns ein großartiges Zeichen der Gegenwart Gottes hinterlassen. Es liegt an uns, es heute mit Leben zu füllen“, schloss der Bischof seine Predigt zum 960. Domweihfest.
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