Direkter Draht zu den Unternehmen - Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler im Interview
Speyer. Speyer ist ein begehrter Wohn- und starker Wirtschaftsstandort. Der Angebotsmix aus Einzelhandel, Dienstleistung und Bildung ist attraktiv; die Wege sind kurz. Als Oberbürgermeisterin steht Stefanie Seiler der Stadt seit 2019 vor. Mit ihr sprach Cornelia Bauer.
???: Speyer überzeugt in Umfragen vor allem mit weichen Standortfaktoren. Wie würden Sie Speyer als Wirtschaftsstandort charakterisieren?
Stefanie Seiler: Der Wirtschaftsstandort Speyer zeichnet sich durch wirtschaftliche Vielfalt, Wachstumsfähigkeit Innovationskraft und Einzigartigkeit aus. Mehr als 2.000 Unternehmen haben zuletzt ein Bruttoinlandsprodukt von 2,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. 41.700 Erwerbstätige sind hier in Speyer tätig. Speyer zählt zu den besten Wirtschaftsstandorten der Pfalz und besticht neben guten weichen Standortfaktoren wie dem Schul-, Nah- und Gesundheitsversorgungsangebot durch eine gute Verkehrsanbindung sowie der Nähe zu Kunden und Zulieferern. Und wir dürfen weitere wichtige Aspekte nicht vergessen: unsere Historie, unsere Unesco-Weltkulturerbestätten und unsere erlebnisreiche Innenstadt ziehen jährlich rund sechs Millionen Tourist*innen und Tagesreisende an.
???: Oft fallen Entscheidungen etwa zu Standorten heute in Zentralen irgendwo in Deutschland oder sogar irgendwo auf der Welt. Was können Stadtverwaltung und Kommunalpolitik zur Zufriedenheit der Unternehmen vor Ort beitragen?
Seiler: Ein ganz zentrales Instrument ist der direkte und kurze Draht zu den Standortverantwortlichen und Geschäftsführungen. Seit meiner Amtsübernahme mache ich regelmäßig Firmenbesuche, um mich vor Ort zu informieren, Anregungen mitzunehmen und aus der Verwaltungsarbeit zu berichten. Im vergangenen Jahr waren es rund 100 Termine, die ich gemeinsam mit unserer Wirtschaftsförderung unternommen habe. Hinzu kommt natürlich auch, dass wir den direkten Kontakt zu den Unternehmens- und Konzernleitungen suchen und pflegen. Das war beispielsweise im Zuge der Insolvenzverfahren bei Galeria Karstadt Kaufhof sehr gut, um auch für die Mitarbeitenden in Speyer ein Zeichen zu setzen.
???: Flächen sind in Speyer rar. Ist wirtschaftliches Wachstum auf Dauer nur mit der Ausweisung neuer Gewerbeflächen möglich? Wie ist der Stand bei den geplanten interkommunalen Gewerbegebieten?
Seiler: Wirtschaftliches Wachstum kann durch verschiedene Maßnahmen gefördert werden, nicht nur durch die Ausweisung neuer Gewerbeflächen. Innovation, Digitalisierung und die Nutzung bestehender Flächen durch Nachverdichtung und Modernisierung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Dennoch wissen wir von einigen unserer Speyerer Unternehmen, die an Kapazitätsgrenzen gestoßen sind. Deshalb ist es richtig, den Blick verstärkt auf interkommunale Gewerbegebiete zu richten. Voraussetzung des gemeinsamen Vorhabens mit der Ortsgemeinde Otterstadt und der Verbandsgemeinde Rheinauen ist der Erwerb der Kurpfalzkaserne. Hier stehen wir derzeit vor der finalen Entscheidung.
???: Wer in Speyer arbeitet, will auch hier wohnen. Es gibt ein „Speyerer Bündnis für bezahlbares Wohnen“. Jährlich sollten, so das Ziel beim Start 2019, zwischen 130 und 170 neue Wohneinheiten geschaffen werden, auch für Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen. Gelingt das?
Seiler: Als sogenannte Schwarmstadt in der Metropolregion Rhein-Neckar hat Speyer schon seit vielen Jahren mit dem stetig wachsenden Druck auf den Wohnungsmarkt zu kämpfen. Deshalb hat die Stadt gemeinsam mit den Partnern das Bündnis für bezahlbares Wohnen ins Leben gerufen. Wir liegen in den Jahren 2019 bis 2022 bei knapp 130 Wohneinheiten im Schnitt. Angesichts der Baukostenexplosion ein guter Wert. Weitere knapp 300 Vorhaben wurden seit 2022 bereits genehmigt und befinden sich in der Realisierung. Für Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen wurden von 2019 bis 2023 57 geförderte Wohnungen bezugsfertig. Weitere 170 geförderte Wohneinheiten befinden sich im Bau beziehungsweise im Antragsverfahren.
???: Das Statistische Bundesamt prognostiziert für Deutschland 2050, dass mehr als 30 Prozent der Gesamtbevölkerung 65 Jahre oder älter sein werden. Eine alternde Stadtbevölkerung verlangt andere Strukturen. Wie sehen Sie Speyer hier aufgestellt?
Seiler: Auf Kommunen kommen infolge des demografischen Wandels vielfältige Herausforderungen zu: Barrierefreier Wohnraum und öffentliche Einrichtungen, die ärztliche und pflegerische Versorgungssituation, aber auch die klimatischen Folgewirkungen durch die Erhitzung der Städte. Bei der Stadtplanung haben wir diese Entwicklungen im Fokus und beziehen sie in unsere Planungsprozesse stets mit ein. Den Herausforderungen infolge der klimatischen Veränderungen werden wir in Zukunft mithilfe des digitalen Zwillings begegnen. Woran es derzeit fehlt, sind weitere Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste sowie an gezielten Wohnprojekten.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.