„Ach, gehörte Viernheim doch zu Baden-Württemberg!“
Viernheim. Leicht möglich, dass man derzeit diesen Ausruf des Bürgermeisters hört, am Morgen beim Vorbeilaufen am Rathaus, wenn die Fenster zum Lüften geöffnet sind. Weil ein Bürgermeister in Baden-Württemberg als OB bei gleicher Einwohnerzahl mehr Gehalt bekommt? Nein, dies ist nicht das Motiv des Bürgermeisters. Der Wunsch nach dem Wechsel des Bundeslandes beruht auch nicht auf einer vielleicht größeren Sympathie für Winfried Kretschmann als "Landesvater". Nein es ist allein ein bisher weitgehend versteckt gebliebenes Detail der Gemeindefinanzierung in Hessen, welches ab 1. Januar 2020 seine Wirkung entfalten wird und jetzt die Sehnsuchtswünsche des Bürgermeisters neu belebt.
Als ihren Beitrag zur Mitfinanzierung der Deutschen Einheit hat die Stadt Viernheim bislang jedes Jahr einen Teil ihrer Gewerbesteuereinnahmen zusätzlich abgegeben, damit wurde der Fonds "Deutsche Einheit" finanziert. „Eine solidarische Regelung, für mich vollkommen in Ordnung“, so Baaß . Diese bundesweit gültige Regelung läuft zum 31. Dezember 2019 aus. Ab 1. Januar 2020 müsste also die bisher abgegebene Summe wieder der Stadt Viernheim komplett zur Verfügung stehen, so wie es vor der Deutschen Einheit gewesen ist. Konkret bezogen auf das aktuelle Jahr wären dies 1 Million € weniger an Umlagelast, eine bedeutsame Summe.
Doch Finanzminister Thomas Schäfer plant mit Unterstützung der die Landesregierung tragenden Fraktionen von CDU und Grünen die Einnahmen der Stadt Viernheim zu beschneiden. Nur ein Viertel der Summe soll in Viernheim verbleiben, 750.000 € werden jährlich als neue Heimat-Umlage an das Land Hessen abfließen. Matthias Baaß: „Ein erneuter schwerwiegender Eingriff in die örtliche Selbstverantwortung“.
Der Finanzminister hat angekündigt, die Einnahmen der Heimat-Umlage in unterschiedlichster Form wieder komplett den Landkreisen und Städten zur Verfügung zu stellen, allerdings legt das Land fest für welche Zwecke es verwendet werden darf. Und bei der Verwendung im Bereich von Krankenhäusern, Schulsekretariaten und der Digitalisierung müssen Anträge gestellt werden, deren Bescheidung völlig offen ist.
Bürgermeister Baaß ist sich mit den Spitzen der kommunalen Verbände in Hessen einig: "Das ist nicht in Ordnung, der Betrag muss in der Kasse jeder einzelnen Stadt -so wie früher- komplett verbleiben. So dass zu 100 % selbst entschieden werden kann, wie das Geld Verwendung findet.“ Der Bürgermeister fürchtet zudem komplizierte Antragsverfahren, verbunden mit dem Führen von Verwendungsnachweisen, „alles unnötiger Bürokratieaufwand", so Baaß.
In Weinheim, Heddesheim und Mannheim -alles Nachbarkommunen in Baden-Württemberg- ist dies ganz anders. Matthias Baaß: "Ich habe meine Kollegen gefragt: Was passiert bei Euch mit dieser bisherigen Umlage für die Deutsche Einheit? Bleibt das Geld ab 1. Januar bei Euch oder müsst ihr es abgeben?" Die klare und eindeutige Antwort der Kollegen: Ab 1. Januar 2020 ist das Geld, das wir bisher an das Land überweisen haben, bei uns in der Kasse und kann anhand eigener Prioritäten verwendet werden.
Jedes Jahr eine Million Euro mehr in der Viernheimer Stadtkasse. Baaß: „Davon kann ich zwei fünfgruppige Kitas jedes Jahr bezahlen oder in die Infrastruktur investieren, um Radfahrstreifen neu herzustellen oder Straßen zu sanieren. Auch so manche Investition in Sport und Bewegung wäre sinnvoll, von Brückensanierungen und Aufgaben bei der Grünpflege ganz abgesehen. All dies ist nicht möglich, stattdessen wird die kommunale Selbstverantwortung mal wieder ad absurdum geführt.“ ps
Autor:Laura Seezer aus Mannheim |
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