Gedanken eines ehrenamtlichen Hospiz- und Sterbebegleiters.
Welthospiztag – „Für Dich da sein, wenn Du stirbst“
Von Stefan Mai
„Ich sterbe…
Niemand spricht gerne darüber.
Im Grunde genommen mag niemand über vieles sprechen….
Ich bin derjenige, der stirbt. Ich weiß, dass Ihr Euch unsicher fühlt, nicht wisst, was Ihr tun sollt. Aber glaubt es mir bitte: Wenn Ihr Euch fürsorglich verhaltet, dann könnt Ihr überhaupt nichts falsch machen. Gebt Euch selbst die Erlaubnis, fürsorglich zu sein. Das ist alles, wonach ich verlange. Vielleicht fragen wir nach dem Warum und Wozu, aber wir erwarten gar keine Antwort darauf.
Lauft nicht davon. Bleibt da. Alles was ich wissen will, ist, dass da jemand ist, der meine Hand hält, wenn ich das brauche.
Ich habe Angst…
Ich bin niemals zuvor gestorben…“
(aus Duda: „Dasein, wenn Du stirbst“)
Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen. Nein, das steht nicht so im Grundgesetz, aber es sollte das Selbstverständlichste sein!
In den letzten Lebensphasen sind die Wünsche und der Wille des Menschen zu achten und alle seine Entscheidungen, Werte zu respektieren.
Die ist der Grundgedanke aller liebevollen Hauptfachkräften, der Ärzte in der Palliativ-Medizin und durch uns unterstützenden ehrenamtlichen Hospiz- und Sterbebegleitern in einem Hospiz, auf der Palliativstation, sowie auch in der ambulanten Hospiz- und Sterbebegleitung.
Wir haben das eine spezielle „Gen“, das uns für diese ehrenvolle Arbeit unterstützt und auch verbindet - hat mir meine Koordinatorin in meiner Ehrenamtlichen Hospiz-und Sterbebegleitung einmal gesagt.
Über den Tod spricht man oft nicht aus Angst und der Umgang mit ihm, wenn er da ist, macht Unsicherheit für die Betroffenen und Angehörigen. Niemand weiß sich so richtig zu verhalten und keiner will einen Fehler machen oder etwas Falsches sagen. Daher herrscht oft einfach nur die Stille in diesem Moment. Andere weichen aus und gehen daher auf Abstand, obwohl das Mitgefühl und die Nächstenliebe, auch ohne Worte für die Sterbenden und Angehörigen so wichtig ist. Das Thema Tod schiebt man ganz weit weg, obwohl die menschliche Nähe doch jetzt ganz besonders für alle guttut.
Doch wir als ehrenamtliche Hospiz- und Sterbebegleiter halten aus, sprechen es an, hören zu und begegnen dem oft schwerstkranken Menschen mit seinen körperlichen, seelischen und geistigen Bedürfnissen und bringen ein Stück „Normalität“ und Lebensalltag zu ihnen, ihrer Familie und ihren Freunden.
Unsere Konzentration ist voll bei dem zu Begleitenden und seiner Umgebung und wir sind auch sehr gerne Gesprächspartner für die Angehörigen und Freunde.
Sterbende wollen ihre Angehörigen oft nicht belasten. Darum reden sie mit ihnen lieber nicht über das Sterben. Oder es gibt noch anderes, was sie bedrückt. Das kann ein Außenstehender manchmal leichter sehen.
Aber manchmal muss man nicht reden, einfach da sein, wenn jemand geht. Manchmal weint man, aber man lacht auch viel zusammen. Das auch ist ein wesentlicher Lernprozess für das ganze Leben. Für uns ehrenamtliche Begleiter sind dies ganz starke Lebenserfahrung, dies auszuhalten und das mit Unterstützung zu schaffen. Im Nachhinein stellt man dann oft fest: Die Zeit, in der der Kranke nichts mehr geredet hat, war wichtig für das Abschiednehmen und damit auch wichtig für das eigene Leben.
Den Menschen, den ich begleite, gehört während dieser Zeit zu meinem Leben. Was der Sterbende mir erzählt, bleibt auch bei mir. Sterbebegleiter unterliegen einer Schweigepflicht. Aber manche Sachen müssen einfach raus. Dafür gibt es die Gespräche in der Hospizgruppe. Ich kann mich jederzeit dort hinwenden und wieder „auftanken“. Ganz besonders hier lerne ich die Achtsamkeit für das Leben: „Nur, wenn ich selber Kraft habe, dann kann ich Kraft geben! Nur wenn ich selber Liebe in mir habe, dann kann und werde ich Liebe geben!“
Wir haben in unserer, von Herzen gewählten Aufgabe, Mitgefühl mit den Angehörigen und dem Sterbenden, aber kein Mitleid. Wir leiden nicht mit, denn dies würde niemanden helfen.
Wenn ich jemandem begleiten darf und zu ihm komme, habe ich keine Vorurteile. Ich nehme die Menschen so, wie sie sind, versuche einfach zuzuhören. Wir sind alle gleich in diesem Moment und jedem steht diese Zuwendung zu. Es gelingt mir gut, diese Erfahrungen nicht in meinen Alltag mitzunehmen. Ich denke, das ist eine Gabe bzw. auch in diesem bereits genannten „Gen“.
…und ja, es verändert uns in dieser Arbeit selbst, denn während dieser Arbeit in einem Hospiz bist du jeden Tag mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. Du tust viele Dinge plötzlich bewusster und fängst an zu begreifen:
„Zu Sterben ist nicht schlimm, das Leben nicht gelebt zu haben, schon.“
Dafür ist es wichtig, dass du sehr belastbar bist und dich selbst bereits mit dem Tod und dem Sinn des Lebens auseinandergesetzt hast. Das ist notwendig, damit du dich auch in die Lebens- und Gefühlswelt der Patienten hineinversetzen kannst. Denn deine Hauptaufgabe ist es, ihnen in all ihren Sorgen und Problemen zur Seite zu stehen, sie zu unterstützen und auf dem Weg ihres letzten Lebensabschnitts zu begleiten.
Nur der zu Begleitende entscheidet, was wir machen. Wenn jemand reden will, dann reden wir. Wenn er oder sie Zeitung lesen will, dann tun wir das. Wir dürfen niemandem ein Konzept einfach überstülpen und doch wird gelebt bis zuletzt.
Deshalb frage ich jedes Mal, wenn ich das Zimmer verlasse, bevor ich von einer Begleitung nach Hause gehe, ob ich wiederkommen soll und es ist schön manchmal nur in einem Lächeln zu sehen, ohne dass es dieser liebevolle Mensch ausgesprochen hat: „Ja, sei für mich da, wenn ich gehe.“
Wenn ich anderen Menschen von dieser Tätigkeit erzähle, ist die Reaktion meist eher verhalten, auf Grund des „Thema Tod“. Doch erlebe ich auch sehr beglückende und belebende Momente. Zu sehen, wenn Menschen zufrieden und in Würde sterben können, ist etwas Beeindruckendes. Wenn er stirbt, ist der Mensch ganz reduziert, nur noch er. Das löst auch Selbsterkenntnis aus, nämlich die Frage: „Was will ich eigentlich in meinem Leben?“
Was ich dann sofort mit meinem „Gen“ beantworten kann: Vollste Nächstenliebe mit Achtung und Bewahrung der Würde des Menschen in der allen Lebensphasen, und insbesondere in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in den letzten Lebensphasen, Beistand leisten und Trost spenden, Verständnis zeigen und tolerant sein, ein rücksichtsvoller und einfühlsamer Schutzmantel für meine Frau, meine Familie, Freunde und Mitmenschen sein und dankbar für beide Leben zu sein.
Beide Leben? Das bisherige Leben und das nun beginnende Leben mit der heutigen Einsicht.
…also, all` das was unser aller Leben schöner macht und auch ausmacht.
….und dass Du für mich da bist, wenn ich sterbe.
Autor:Stephanie Walter aus Wochenblatt Kaiserslautern |
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