Gebürtige Heidelbergerin kämpft für Segelflotte/New York Times berichtete
Mit Petition vor Pampus

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Hoorn/Niederlande (hb). Geographisch gesehen ist Pampus nicht der Rede wert. Die künstliche Insel im Markermeer östlich von Amsterdam ist nur rund 200 Meter lang und etwas über 160 Meter breit. Und dennoch ist das Eiland aus dem 19. Jahrhundert landesweit bekannt, hat es doch Eingang in die niederländische Sprache gefunden: „Voor Pampus liggen“ (Vor Pampus liegen) heißt „handlungsunfähig sein“. Diese Metapher nahmen 152 Skipper und ihre Besatzungen vor wenigen Tagen wörtlich, als sie mit ihren Segelschiffen vor der kleinen Insel ankerten und damit auf ihre prekäre Situation in der Corona-Krise aufmerksam machten, die seit März zu einem Einnahmerückgang von 90 bis 100% geführt hat und auch für die Zukunft nichts Gutes verspricht. Unter ihnen: Saskia Moser aus Angelbachtal. Sie heuerte vor 13 Jahren auf der „Broedertrouw“ (Baujahr 1882) an und betreibt heute das 138 Jahre alte Schiff sowie dessen fünf Jahre jüngere Schwester „Waterman“ zusammen mit ihrem aus der Provinz Südholland stammenden Lebensgefährten Arno van Aartrijk.
    „Die niederländische Segelflotte besteht aus rund 400 Booten und ist damit die größte noch erhaltene Segelflotte der Welt“, erklärt die 40-Jährige. Mittlerweile werden die Schiffe zumeist für Segeltouren verwendet. „Gruppen, Familien, Vereine, Klassenfahrten, Betriebsausflüge, Tagestouren Hochzeiten und vieles mehr“, zählt die studierte Realschullehrerin auf. Wegen der Pandemie seien jedoch fast alle Buchungen annulliert worden, was viele Betreiber der historischen Kähne – die meisten sind 100 bis 140 Jahre alt - ins Mark treffe. „Als eigenverantwortliche Unternehmer muss jeder von uns die Kosten der Instandhaltung sowie regelmäßigen Sicherheitsprüfungen selbst übernehmen - Umsatz machen kann man wetterbedingt aber nur von Frühjahr bis Herbst“, erläutert Moser, selbst Inhaberin der Binnenschifffahrtslizenz, die missliche Lage. Mit nur einer Familie an Bord zu fahren sei nicht rentabel und bei größeren Gruppen sei es quasi unmöglich die Abstandsregel einzuhalten. „Wie soll man da die Segel setzen oder die Schoten anziehen? Das Segeln auf so einem traditionellen Schiff steht für Teamwork!“, betont Moser.
    Grund genug also, um sich mit anderen Skippern und Eignern zusammen zu tun und für Unterstützung der Politik und finanzielle Hilfe zu demonstrieren. „Wir haben neben der Aktion vor Pampus eine Petition gestartet, die bereits von über 20 000 Menschen unterzeichnet wurde, noch bis 19. Juni läuft und dann dem niederländischen Kabinett von Ministerpräsident Mark Rutte vorgelegt wird“, so Moser. Sollte sich trotzdem nichts tun, „werden diese Traditionssegler in den Ruin getrieben“ und viele hätten als letzten Zielhafen die Abwrackwerft vor dem Bug. Moser: „Man sagt hier: Wenn ein Schiff ein Jahr lang still liegt, dann ist das so, wie wenn man fünf Jahre lang nichts an ihm macht. Wird es bewegt, sieht man einfach schneller, ob etwas ersetzt werden muss.“ Umso mehr hoffe man darauf, dass noch viele Segelfans die Petition (zu finden unter https://petities.nl/petitions/red-de-hollandsche-zeilvloot) unterschreiben, gerade in der Rhein-Neckar-Region, wo Mosers Verwandtschaft bis heute lebt. „Von Eberbach über Heidelberg bis Walldorf – immer wieder heuern Gruppen aus meiner Heimat bei uns oder den anderen Booten an“, freut sich die gebürtige Heidelbergerin.
    Wie ernst es um ein besonderes Kulturgut steht, zeigt auch das große Interesse der internationalen Medien. Sogar die altehrwürdige New York Times, die 2021 selbst ihren 170. Geburtstag feiert, berichtete von der Protestaktion vor Pampus. „Coronavirus nimmt historischer niederländischer Flotte den Wind aus den Segeln“, titelte das Blatt und unterstrich, dass die Regierung des Landes zwar Milliarden Euro für die Wirtschaft ausgebe, so mancher Akteur aufgrund der hohen Hürden aber leer ausginge. Statt als Schiffsverband mit üblicherweise rund 300 000 zahlenden Passagieren im Jahr übers Meer zu schippern, müssten viele Traditionsboote nun ums Überleben kämpfen. Skipper wie Saskia Moser und Arno van Aartrijk setzen deshalb voll darauf, dass sich die niederländische Politik von den „vor Pampus liegenden“ Seglern und ihrer Petition wachrütteln lässt, um sich nicht am Ende selbst vorwerfen lassen zu müssen „handlungsunfähig zu sein“.

Luftaufnahme: Skydrone Sloten
Sonstige Fotos: Privat

Autor:

Henning Belle aus Wochenblatt Rhein-Neckar

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