Daimler Truck prüft neue Sicherheitsassistenzsysteme in Wörth
Wörth. Ob Notbremsungen am Stauende, mehr Sicherheit beim Rechtsabbiegen und beim Spurwechsel, Reduktion der Schleudergefahr etwa bei Kurvenfahrten oder Ausweichmanövern und viele weitere Anwendungsfälle: Mit Sicherheitsassistenzsystemen können Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer zahlreiche mitunter brenzlige Situationen im Straßenverkehr besser meistern und auf diese Weise im Idealfall Unfälle vermeiden oder zumindest deren Folgen mindern. In diesem Punkt ist Daimler Truck seit jeher ein Pionier der Branche. Die Entwicklungs- und Versuchsingenieurinnen und Ingenieure des Unternehmens arbeiten seit Jahrzehnten daran, die Fahrerinnen und Fahrer mit entsprechenden Features so gut wie möglich bei ihrer Arbeit zu unterstützen und damit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer weiter zu erhöhen.
Dabei hatte Daimler Truck in seinen verschiedenen Baureihen zahlreiche Systeme schon lange verbaut, bevor sie gesetzlich vorgeschrieben wurden – wie aktuell zum Beispiel durch die General Safety Regulation (GSR) 2019/2144 der EU-Kommission. Die Regularie schreibt seit 6. Juli 2022 für neue Fahrzeug¬typen und ab Juli 2024 – im Sinne einer stufenweisen Verpflichtung für advanced Systeme – für alle Neuzulasssungen weitere Systeme als Serienausstattung vor.
Klar ist: Bevor Assistenzsysteme in Serie gehen können, müssen sie ausgiebig getestet werden. Derartige Tests erfolgen bei Daimler Truck das ganze Jahr über insbesondere im Entwicklungs- und Versuchszentrum (EVZ) in Wörth am Rhein sowie in Finnland, Spanien und Japan oder auf der Teststrecke von Daimler Truck North America in Madras, Oregon. Weltweit sind das ganze Jahr über bis zu 60 Fahrzeuge von Daimler Truck in der Dauererprobung. Dabei belaufen sich die gefahrenen Kilometer zur Absicherung der Systeme von 2020 bis Ende 2023 auf rund fünf Millionen.
Niyazi Mustafa Üstertuna, Leiter Software & Elektronik bei Daimler Truck: „Tests wie in Wörth sind für uns von elementarer Bedeutung, um die daraus gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse in die konsequente Optimierung bestehender Fahrerassistenzsysteme oder die Entwicklung neuer Sicherheits-Features einfließen zu lassen – vom kleinen Atego über die Special Trucks bis hin zum Bus. Unsere neuen Systeme, die sich auch unter extremen Bedingungen bewähren, werden noch mal spürbar verbessert.“
Neue Benchmarks gesetzt
Getestet wird zum Beispiel, wie und wann der ABA 6 vor einem plötzlich querenden oder in der Spur vor dem Fahrzeug auftauchenden Radfahrer oder Motorradfahrer sowie vor einem anderen Fahrzeug etwa am Stauende warnt und abbremst. Und wie der neue Frontguard Assist Fahrerinnen und Fahrer speziell in hektischen Situationen zum Beispiel beim Anfahren oder an Kreuzungen optisch und akustisch vor ungeschützten Verkehrsteilnehmern direkt vor dem Lkw warnt. Oder wie der Active Sideguard Assist (ASGA) 2 beim Rechtsabbiegen reagiert, wenn sich neben dem Fahrzeug ein Fußgänger oder Radfahrer befindet. Und wie der Active Drive Assist (ADA) 3 den Lkw automatisch in seine Spur zurückführt, wenn die Fahrerin oder der Fahrer beispielsweise zum Überholen nach links ausscheren möchte, dabei aber ein von hinten sich näherndes Fahrzeug übersehen hat.
Grundlage für die getesteten Assistenzsysteme ist eine neue Elektronikplattform und damit verbunden die sogenannte Sensorfusion zur Verschmelzung von Radar- und Kameradaten für einen noch großflächigeren Blick nach vorne und zur Seite. Die Elektronikplattform bietet zu diesem Zweck eine 20-fach höhere Datenverarbeitung, die insgesamt sechs verbauten Sensoren – vier seitliche Short Range Radare vorne und hinten jeweils rechts und links, ein Long Range Radar vorne in der Mitte sowie die Multifunktionskamera in der Windschutzscheibe – decken nun einen Winkel von 270 Grad um das eigene Fahrzeug herum ab. Durch den deutlich vergrößerten Blickwinkel können die bislang schon wirksamen Assistenzsysteme ihre Stärken noch besser ausspielen. Gleichzeitig geht Daimler Truck mit seinen Sicherheitsassistenzsystemen in vielen Bereichen weit über die GSR-Vorgaben hinaus. Etwa in der Form, dass zum Beispiel der ABA 6 aktiv in die Bremsung eingreifen und bei Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h nicht nur vor stehenden Fahrzeugen, sondern auch vor querenden, entgegenkommenden oder in der Spur fahrenden Verkehrsteilnehmern automatisch abbremsen kann.
High-Tech und detailgenaue Planung
Für die auf der Teststrecke im EVZ in Wörth unzählige Male reproduzierbar in Realversuchen nachgebildeten Anwendungsfälle steht modernstes Equipment zur Verfügung. Darunter mit jeder Menge Messdaten-High-Tech sowie Lenk- und Fahrpedalrobotern ausgestatte Fahrzeuge ebenso wie GPS-gesteuerte Dummys und Targets. Vor den eigentlichen Use Cases werden bereits die für die Wirksamkeit von Assistenzsystemen erforderlichen Sensoren in Komponententests und die Funktionen in Software-in-the-Loop-Tests auf Herz und Nieren geprüft. Außerdem erfolgen Integrationstests im Fahrzeug und Systemtests in den verschiedenen Baureihen und Modellen.
Im EVZ lassen sich auf abgesichertem Terrain unterschiedlichste Szenarien wie Stauende, Überholmanöver oder Abbiegeszenarien abbilden. Und das auf verschiedenen Fahrbahnprofilen, die die Straßen dieser Welt widerspiegeln. Auf diese Weise können für Versuchsfahrzeuge die gleichen Bedingungen hergestellt werden, wie sie zum Beispiel in Südamerika, Südkorea, Afrika und natürlich auch in Europa vorhanden sind.
Eine wichtige Grundlage zur Absicherung der Systeme und Funktionalitäten bilden stets auch die Erprobungsfahrten auf öffentlichen Straßen zur messtechnischen Aufbereitung der sicherheitsrelevanten Daten, um damit auf den abgegrenzten Teststrecken die verschiedenen Systeme in den Baureihen und Modellen an ihre Limits zu bringen und die fahrdynamischen Grenzen auszuloten. Darüber hinaus nahmen die Entwicklungsingenieurinnen und Ingenieure von Daimler Truck zum Beispiel auch auf der Fahrt zu den Wintererprobungen Anfang 2023 in Finnland die Funktionen und Systeme der Fahrzeuge unter die Lupe. So etwa die Unterstützung beim Spurwechsel als Teil des aktiven Abbiege-Assistenten oder die aktive Spurführung beim Active Drive Assist beim Actros L. Da außerdem mehrere Landesgrenzen zu passieren waren, konnte auch der Einfluss von länderspezifischen Spurmarkierungen, Verkehrszeichen oder digitalen Kartendaten auf die Performance der in den Lkw verbauten Assistenzsysteme gemessen werden.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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