Hyperinflation - als vor 100 Jahren das Geld noch weniger wert war als heute
Germersheim. Wir schreiben das Jahr 1923, im Deutschen Reich herrscht rasende eine Hyperinflation und Germersheim hat - man mag es kaum glauben - sein eigenes Geld. Oder besser gesagt Gutscheine - die man dort, wie in vielen anderen Gemeinden und Unternehmen auch - ausstellte, um irgendwie mit dem atemberaubend schnellen Wertverfall des Geldes mithalten zu können.
Die Inflation war mittlerweile eine "Hyperinflation" und quasi eine "Spätfolge" des ersten Weltkriegs. Deutschlands Wirtschaft lag in Scherben, der Staat war hoch verschuldet - um nicht zu sagen pleite. Um dennoch Schulden bezahlen und Reparationszahlungen an Frankreich leisten zu können, wurde ständig mehr Geld gedruckt. "Geld", das quasi in dem Moment, in dem es gedruckt wurde schon nichts mehr Wert war. Geld, das diese Namen nicht verdient hatte, das heute als "Notgeld" bekannt ist. Wer seinen Lohn nicht sofort nach der Auszahlung ausgab, konnte sich schon Tage, manchmal Stunden später kaum mehr etwas davon kaufen.
100 Jahre "Neustart"
Auf dem Höhepunkt der Inflation im November 1923 - also genau vor 100 Jahren - kam es zum großen Knall: die alte Währung wurde abgeschafft, eine neue Währung, die Rentenmark wurde am 15. November 1923 eingeführt. Keine offizielles Zahlungsmittel, da nicht staatliche, sondern finanziert über eine private Rentenbank, wurde sie dennoch von allen anerkannt. Auch der Staat - die junge Weimarer Republik - erhielt von dieser Rentenbank zur eigenen Rettung ein Darlehen über 300 Millionen Rentenmark. Im Oktober 1924 wird dann die Reichsmark eingeführt, schrittweise und langsam erholt sich das Land. Aber erst 1928 erreichen die Reallöhne im Deutschen Reich im Durchschnitt wieder das Niveau von 1913. Ein großer Teil der Mittelschicht ist verarmt. Wohin der Frust und die Enttäuschung über das "Versagen des Systems" führten, ist bekannt.
Überall wurde "Geld" gedruckt
Weil das gedruckte Geld so schnell an Wert verlor, musste reagiert werden: Städte und Gemeinden, aber auch Unternehmen begannen damit, selbst Geld - das so genannte "Notgeld" zu drucken. Und das natürlich auch im Landkreis Germersheim. Der Germersheimer Historiker Gert Müller sammelt diese Geldscheine. Er berichtet: "Es wurde mir von meiner Großmutter und von meinen Eltern mit Schrecken von der Zeit der Hyperinflation erzählt, wo das Geld „fast“ keinen Wert mehr hatte und die Arbeitslosigkeit stark anstieg. Es mussten für ein Laib Brot Millionen von Mark bezahlt werden, von einem Tag auf den anderen verlor das Geld die Hälfte seines Wertes. Zum Schluss musste das Geld mit dem LKW zum Bäcker gebracht werden. Auf dem Land, also auch im Kreis Germersheim und in Konz (bei Trier, wo mein Vater herstammte) konnten die Menschen noch einigermaßen überleben, da sie oft Selbstversorger waren und man sich gegenseitig half. In den Industriegebieten und großen Städten war die Situation unendlich schwerer und es starben viele Menschen den Hungertod."
Natürlich schmunzelt man heute in den Zeiten von Bitcoin und Kryptowährung über einen Geldschein mit überstempelten Werten, der am Ende des Tages eine Milliarde Mark wert war. Dazu muss man aber wissen, dass ein Ei in Berlin im Dezember 1923 sage und schreibe 320 Milliarden Mark gekostet hat. Zum Vergleich: Noch Anfang Juni gab es ein Ei zum "Schnäppchenpreis" von 800 Mark.
Mit den Erinnerungen aus seiner Familie sieht Müller aber naturgemäß auch die derzeitige Inflation mit etwas weniger Panik als die meisten Menschen. "Wenn wir die Situation damals vor 100 Jahren mit heute vergleichen, ist diese bei 6 Prozent Inflation zwar sehr ärgerlich, aber es geht ja hier nicht gleich um Leben oder Tod. Ich möchte die heutige Inflation nicht klein reden, aber es besteht kein Grund zu übermäßiger Besorgnis", sagt er, auch wenn er betont, dass er Ängste der Menschen natürlich verstehen könne.
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Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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