Themenjahr in den Schlössern des Landes
„Exotik ‒ Faszination & Fantasie“
Region. „Exotik ‒ Faszination & Fantasie“ heißt es in diesem Jahr in den 15 teilnehmenden Schlössern, Gärten, Klöstern und Kleinoden des Landes - ob Schloss Bruchsal, Botanischer Garten Karlsruhe, Barockschloss Mannheim, Schloss und Schlossgarten Schwetzingen, Residenzschloss Rastatt, Schloss Favorite Rastatt oder Neues Schloss Meersburg - und es geht auf den Spuren fremder Kulturen und ferner Kontinente. Für die Staatlichen Schlösser und Gärten ist es ein ganz besonderes Themenjahr: Der aktuelle Diskurs von Kultureinrichtungen um die Herkunft von Kulturgütern im Zeitalter der Entdeckungen verändert den Blick auch auf die Sammlungen in den Monumenten im Südwesten. Es ermöglicht ein neues Verständnis für deren kulturellen Wert und eröffnet neue Wege für ihre Vermittlung.
EIN THEMENJAHR, DAS DEN BLICK VERÄNDERT
Mit den Themenjahren bietet sich den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg eine Gelegenheit, Besuchern die Monumente unter einem neuen Blickwinkel zu zeigen ‒ aber auch intern inspirieren die Jahresthemen dazu, neue Aspekte in den Schlössern, Gärten, Klöstern, Burgen und Kleinoden zu entdecken ‒ und das Besuchsangebot zu erweitern. Das gilt ganz besonders für das diesjährige Themenjahr „Exotik ‒ Faszination & Fantasie“: „Der Blick auf so aktuelle Themen wie Kolonialismus, Sklaverei und ökonomische Zusammenhänge in früheren Epochen hat bei allen Beteiligten die Wahrnehmung verändert“, erläutert Frank Krawczyk, der Leiter des Bereichs Kommunikation bei den Staatlichen Schlössern und Gärten.
WIRKUNGSVOLLE THEMENJAHRE
Die Entwicklung der Themenjahre bietet immer wieder die Chance, neue Sichtweisen zu entwickeln: 2017 wurden im Themenjahr „Über Kreuz“ nicht nur Klöster, sondern auch Schlösser wie das der dezidierten Katholikin Markgräfin Sibylla Augusta in Rastatt als Monumente der Religionsgeschichte erkennbar. Das Themenjahr „Ziemlich beste Freunde“ verfolgte die Spur der Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland durch alle Jahrhunderte – ein Erkenntnisgewinn für die Monumente der Rheinebene. „Wir richten so immer wieder den Fokus auf Themen, die bis dahin nicht allen bewusst waren. Sie eröffnen immer neue Aspekte auf das ungeheure Sacharchiv, das die Monumente des Landes sind“, erklärt Frank Krawczyk. Das gelte insbesondere in diesem Jahr, in dem wegen der Corona-Einschränkungen weniger Veranstaltungen stattfinden können.
ZWEI SEITEN EINER MEDAILLE
„Das Residenzschloss Rastatt ist ein gutes Beispiel, um die verschiedenen, auch gegensätzlichen Aspekte des Themenjahres zu veranschaulichen“, erläutert Cem Alaçam, Konservator und Projektmanager der Themenjahre. „Es ist das gebaute Selbstverständnis eines Regenten, der zwischen 1683 und 1699 erfolgreich gegen das Osmanische Reich kämpfte und zugleich von der fremden orientalischen Kultur fasziniert war.“ Die militärischen Erfolge des „Türkenlouis“, wie Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden mit Beinamen genannt wurde, verkörpern die überlebensgroßen Stuckfiguren von gefangenen osmanischen Kriegern im Ahnensaal. Ein Teil seiner Kriegsbeute, der „Türkenbeute“ ist im Wehrgeschichtlichen Museum ausgestellt, darunter ein Schellenbaum: In Europa hielt er mit dem Ende der Osmanischen Kriege seinen Platz in der Musik, als klingendes Instrument bei Umzügen und Paraden und schließlich auch in der damaligen „E-Musik“, etwa in den Werken von Wolfgang Amadeus Mozart. Ursprünglich war der Schellenbaum das militärische Erkennungszeichen einer Gruppe von Soldaten.
DIE CHINAMODE DES 18. JAHRHUNDERTS
Die Vorliebe des Markgrafenpaares für ostasiatisches Kunsthandwerk hinterließ ebenfalls sichtbare Spuren im Residenzschloss Rastatt: Im Appartement des Markgrafen Ludwig Wilhelm ist ein mit Edelsteinen besetztes und versilbertes originales Lackkästchen zu bestaunen. Ein kunstvoll gearbeiteter asiatischer Lackschrank mit goldenen Beschlägen und goldenen Malereien auf schwarzem Grund ziert jeweils die Privatappartements des Markgrafenpaares. Wegen der hohen Nachfrage an Europas Höfen nach asiatischen Möbeln sind originale Lackarbeiten selten und besonders wertvoll. In Europa versuchte man die Originale nachzuahmen, auch, weil sie kostengünstiger waren. Die asiatischen Malereien ahmte man ebenfalls nach und vermischte sie mit dem europäischen Blick. Die ursprüngliche Symbolik der asiatischen Motive ging häufig verloren.
Die „Fantasie und Faszination“ des Fremden für die Europäer, angefangen von den kostbaren exotischen Importen wie Porzellan und Seide bis hin zu Kaffee, Tee und Schokolade, spiegelt sich auch im Erscheinungsbild des Themenjahres: Das Hauptmotiv des Themenjahres verbindet Einzelelemente aus den 14 teilnehmenden Monumenten ‒ von der Agave in Schloss Weikersheim bis zur Muschel im Neuen Schloss Meersburg. „Besonders inspirierend für die Kollage war Schloss Bruchsal mit seinen Sammlungen“, erklärt Frank Krawczyk, der Leiter des Bereichs Kommunikation bei den Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Gleich drei Motive aus der fürstbischöflichen Residenz zieren das farbenfrohe Hauptmotiv: der markante Wasserspeier vom Hauptgebäude des Schlosses, ein chinesischer Drache; ein musizierendes Äffchen, das sich auf einer der sogenannten „Savonnerien“, einem raren Knüpfteppich des 18. Jahrhunderts, wiederfindet ‒ und ein reich geschmückter Elefant mit Reiter aus einer ungewöhnlichen Tapisserie-Serie.
THEMENPORTAL „EXOTIK“
Einen umfassenden Überblick über alle Themen ‒ von der Zeit der Kelten auf der Heuneburg bis zur abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts in der Sammlung Domnick ‒ bietet die Themenwelt „Exotik“ auf dem Internetportal der Staatlichen Schlösser und Gärten. Im Online-Veranstaltungskalender sind tagesaktuell Sonderführungen und weitere Besuchsangebote zum Themenjahr zu finden. Einen spannenden wie informativen Einblick in die Vielfalt des Themas bieten einführende Beiträge in den vier Kategorien „Gebaute Träume“, „Genuss aus Übersee“, „Sammeln aus Leidenschaft“ und „Das Fremde als Motiv“. Zu jedem der 15 teilnehmenden Monument gibt es einen Kurzführer, der auf acht Seiten die jeweiligen Höhepunkte vorstellt. Als Inspirationsquelle für einen Besuch sind die Kurzführer als PDF-Download verfügbar.
Infos: Die Broschüren sind außerdem im jeweiligen Monument kostenlos erhältlich, www.schloesser-und-gaerten.de
Autor:Jo Wagner |
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