Eurodistrikt PAMINA
Grenzüberschreitenden Beziehungen im Takt der Corona-Krise
Nach einem Jahr der Krise und komplizierten Arbeit auf grenzüberschreitender Ebene, ziehen der Präsident des EVTZ Eurodistrikt PAMINA, Rémi Bertrand, und sein Geschäftsführer, Patrice Harster, eine Bilanz.
Die Macht der Staatsgrenzen
Seit nunmehr einem Jahr bestimmt die Corona-Krise den Takt unseres Alltags. Zwischen Lockdown, Lockerungen, erneutem Lockdown, zahlreichen Einschränkungen, Testpflicht, Home Office, Kurzarbeit usw. müssen wir uns ständig anpassen, um ein halbwegs normales Leben aufrecht zu erhalten. Dabei sind die Auswirkungen der Corona-Krise in grenzüberschreitenden Lebensräumen wie den Eurodistrikten noch deutlicher spürbar. Mehr als zuvor spürt man die Macht der Staatsgrenzen, die sich in unilateralen Entscheidungen der jeweiligen Regierungen widerspiegelt und wie im Falle der unterschiedlichen Entscheidungen und Interpretationen zwischen den deutschen Bundesländern, bis hin zur verschiedenen Analyse der Situation reicht.
Es gibt ein unumgängliches Kriterium in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, nämlich die Verringerung von Ungleichheiten, Unterschieden und Verwerfungen zwischen den Gebieten im Hinblick auf die Nähe der Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger. Im vergangenen Jahr haben wir jedoch eine Zunahme der Ungleichheiten und Störungen festgestellt. Die Mobilität wird behindert, Tests waren in Frankreich schon immer kostenlos, in Deutschland hingegen müssen PCR-Test verordnet werden und erst seit Kurzem ist ein Schnelltest wöchentlich kostenlos, Kurzarbeit stellt ein steuerliches Problem dar, Einkaufen ist auf dem Gebiet des Eurodistrikts mal erlaubt und mal verboten, die Kontrollen sind unterschiedlich streng und ganz allgemein stellen wir fest, dass jedes Bundesland und jede Regierung immer komplexere Maßnahmen ergreift und damit die Bürgerinnen und Bürger der Grenzregion verwirrt.
Die Corona-Krise diktiert unseren Alltag
Die Gesundheitskrise bestimmt auch den Rhythmus unserer Sitzungen. Die Gremien des Eurodistrikts tagen seit einem Jahr per Videokonferenz. Der Austausch zwischen den Mitgliedern ist sicherlich intensiver als früher, insbesondere bei den Maßnahmen zur Corona-Situation, aber bei den Entscheidungen, die für die Entwicklung des Raumes wichtig sind, kämpfen wir darum, den Vorkrisen-Rhythmus wiederzufinden. Die Krise prägt auch die Sitzungen des Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit des Vertrags von Aachen. Tatsächlich fanden 2020 mehrere Treffen statt, um zu versuchen, eine Plattform für den Austausch zu schaffen, um zu verstehen, welche Maßnahmen hier und dort ergriffen werden und um übermäßige Verwerfungen an den Grenzen zu vermeiden. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch eher um eine Diskussionsrunde, da die Entscheidungen vorher bereits von den beiden Regierungen getroffen wurden.
Die Beobachtung, die man machen kann, ist eindeutig: Die Corona-Krise diktiert unser tägliches Leben. Diese Beobachtung wird von allen geteilt. Aber jenseits von Überlegungen zum guten oder schlechten Management der Krise müssen wir uns die Frage nach der Effizienz unserer grenzüberschreitenden Strukturen stellen, nach unserer Fähigkeit, Probleme zu antizipieren und angemessene Lösungen zu finden. Nach einem Jahr warten wir immer noch auf die Einrichtung eines Instruments zum Krisenmanagement mit harmonisierten Zahlen, auf deren Basis Maßnahmen in den jeweiligen Lebensräumen getroffen werden können. Ebenso warten wir auf die Schaffung einer echten grenzüberschreitenden Beobachtungsstelle für Gesundheit. Die jüngsten Entscheidungen in Deutschland, die auf den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts beruhen, verstärken nur dieses Gefühl, dass das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzregionen nicht berücksichtigt wird und dass die Eurodistrikte auf nationaler Ebene generell nicht gehört werden.
Die Eurodistrikte brauchen angepasste Kompetenzen
Die Gesundheitskrise hat die europäische Realität der grenzüberschreitenden Lebensräume aufgezeigt, die die Staaten regelmäßig zu vergessen scheinen. Wir müssen jetzt einen weiteren Schritt machen und die grenzüberschreitende Realität in unserem täglichen Leben und bei allen Maßnahmen, die wir ergreifen, sei es auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene, anerkennen. Lassen Sie uns diesen Reflex bei der Ausarbeitung unserer Politik und unserer Entscheidungen haben, lassen Sie uns im Vorfeld die Auswirkungen auf die Pendlerströme und das Leben der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzregionen messen. Nur so werden wir Ungleichheiten weiter reduzieren. Der EVTZ Eurodistrikt PAMINA hofft, dass der im Vertrag von Aachen vorgesehene Mechanismus, nämlich die Möglichkeit, eine Gebietskörperschaft, eine grenzüberschreitende Einrichtung oder auch einen EVTZ (Europäischer Verbund für Territoriale Zusammenarbeit) mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten, schnell umgesetzt wird.
Die vergangene Woche hat wieder einmal gezeigt, dass die Eurodistrikte keine anerkannten Partner für die Bewältigung der Gesundheitskrise sind, denn sie waren an keinem der Treffen der beiden Regierungen, der französischen Gebietskörperschaften und der deutschen Länder beteiligt. Diese Beobachtung gilt auch für die deutsche Seite, wo die Städte und Landkreise nicht konsultiert werden und Weisungen vom Land erhalten. Ein Beispiel ist die Regelung, dass Grenzgänger nunmehr einen negativen Test vorlegen müssen, ohne dass diese Maßnahmen vorab hinreichend mit den Wirtschaftsakteuren auf deutscher Seite abgestimmt wurden.
Sowohl die europäischen Verordnungen als auch der deutsch-französische Vertrag erkennen die Fähigkeiten von EVTZ zur Umsetzung einer angepassten Politik für ihre Gebiete an – und dies im Rahmen einer deutsch-französischen Partnerschaft. Wir fordern von den Staaten, auf uns und die Bedürfnisse sowie Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger unserer Kooperationsräume zu hören, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Corona-Krise die grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb nur eines Jahres erheblich geschwächt hat.
Grenzüberschreitende Aufbaupläne
Abschließend erscheint es uns wichtig, einen letzten Punkt im Zusammenhang mit der Gesundheitskrise zu erwähnen, nämlich den des europäischen Konjunkturprogramms und der nationalen Aufbaupläne. Bereits im September 2020 wurde der EVTZ Eurodistrikt PAMINA von der Europäischen Kommission auf die grenzüberschreitende Komponente des europäischen Konjunkturprogramms aufmerksam gemacht. Deutschland und Frankreich hielten es jedoch nicht für sinnvoll oder notwendig, in den nationalen Aufbauplänen eine grenzüberschreitende Komponente aufzunehmen. Die Konsultationen, die seit Anfang des Jahres stattgefunden haben, zeigen, dass die Anerkennung der Erfahrung in grenzüberschreitenden Lebensräumen wichtig ist. Wieder einmal mussten wir bis kurz vor Ablauf der Fristen für die Einreichung der nationalen Pläne um Anerkennung kämpfen. Ende April müssen die Pläne in Brüssel vorliegen. Heute ist nichts geregelt, weder die Integration der grenzüberschreitenden Komponente, noch die Harmonisierung der Maßnahmen im französischen und deutschen Vorschlag. Der EVTZ Eurodistrikt PAMINA hatte bereits am 30. Juni 2020 über die Notwendigkeit einer Konsultation im Rahmen der Erstellung von nationalen bzw. regionalen Aufbauplänen und der Integration einer grenzüberschreitenden Komponente beraten, ohne jedoch gehört zu werden.
Den Takt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beherrschen: auf Nähe setzen
Heute müssen wir weitergehen und über die Frage der Anerkennung sowie sicherlich notwendigen Berücksichtigung von Grenzgebieten hinaus für eine Komplementarität der Kompetenzen in unseren Räumen sorgen. Wir wollen keine Gegenseitigkeitsmaßnahmen oder „Spiegel"-Projekte, sondern sich ergänzende Maßnahmen für unser gesamtes Gebiet. Alle Voraussetzungen sind heute gegeben, um dies zu erreichen. Geben wir der Nähe einen Sinn, mit Blick auf die Effizienz und die tägliche Arbeit zur Zufriedenstellung der Bedürfnisse unserer Bürgerinnen und Bürger. Die Herausforderungen, die uns erwarten, liegen nicht nur in der Corona-Krise; wir werden auch die durch sie zugespitzten sozialen und wirtschaftlichen Krisen meistern müssen, ganz zu schweigen von den Folgen des Klimawandels. Dieser Realität gilt es in die Augen zu blicken und die EVTZ mit den hierfür erforderlichen Kompetenzen auszustatten.
Foto: TechnologieRegion Karlsruhe
Autor:Frédéric Siebenhaar aus Herxheim |
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