Ausstellung in REM in Mannheim
"gesichtslos – Frauen in der Prostitution"
Mannheim. Die Mannheimer Beratungsstelle Amalie zeigt in Zusammenarbeit mit den Reiss-Engelhorn-Museen ab 14. November die Sonderausstellung „gesichtslos – Frauen in der Prostitution.“ Die Schau widmet sich einem gesellschaftlichen Tabuthema. Frauen in der Prostitution sind täglich damit konfrontiert, ihre wahre Identität zu verbergen. In der Gesellschaft verstecken sie ihr Gesicht, träumen „gesichtslos“ von einem anderen Leben.
Ausgehend von Erfahrungsberichten betroffener Frauen präsentiert die Ausstellung 40 Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Fotografen Hyp Yerlikaya. Er begleitete als Unterstützer des Projekts von Amalie die Frauen zwei Jahre lang mit der Kamera. Mit dem Mittel der Inszenierung sind eindrucksvolle Bilder entstanden, die das „gesichtslose“ Dasein dieser Frauen innerhalb unserer Gesellschaft widerspiegeln. Die Anonymität und der Schutz der Abgebildeten werden durch das Tragen weißer Masken gewahrt. In den Ausstellungstexten kommen sie selbst zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen, Ängsten, Sorgen, aber auch Träumen und Hoffnungen. Die Sonderausstellung ist bis 20. Februar 2022 im Museum Weltkulturen D 5 der Reiss-Engelhorn-Museen zu sehen. Die Schirmherrschaft übernimmt Staatssekretärin Dr. Ute Leidig vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg.
Prostitution stellt immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema dar. Obwohl bereits 2002 die Sittenwidrigkeit der Prostitution abgeschafft und 2017 das deutsche Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten ist, führt die Mehrheit der Frauen ein Leben abseits der sozialen Wahrnehmung. Anliegen des Projekts ist es, die oftmals prekären Lebens- und Arbeitswelten von Prostituierten in Deutschland sichtbar zu machen und einen öffentlichen Diskurs anzustoßen. Viele Frauen in der Prostitution träumen von einem besseren Leben und davon, ihr bisheriges hinter sich zulassen. Oft haben sie ihre Heimatländer verlassen, um der dortigen Perspektivlosigkeit zu entkommen und in Deutschland eine neue Existenz unter besseren Bedingungen anzufangen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Ihr Leben und auch ihre Tätigkeit finden abseits der Gesellschaft und unter prekären Umständen statt. Die Öffentlichkeit hat oft einen voyeuristischen Blick auf Prostitution, wobei die verborgenen Parallelwelten und die damit verbundenen Belastungen unsichtbar bleiben. Viele Frauen leiden besonders darunter, dass sie ihre Tätigkeit und sprichwörtlich ihr Gesicht verbergen müssen. Hieraus entstand bei der Mannheimer Beratungsstelle Amalie die Idee, eine Foto-Ausstellung zu gestalten, die diesen Zwiespalt und das zerrissene Leben der Frauen zeigt.
Grundlage für die Ausstellung sind aufgezeichnete Interviews von Frauen, die in der Prostitution arbeiten oder bereits ausgestiegen sind. Sie erzählen von ihren Ängsten, ihrem Alltag und ihren Sehnsüchten. Gerade, weil diese Frauen ständig mit Diskriminierung und Ächtung rechnen müssen, wurden bei der Umsetzung der fotografischen Gestaltung Masken verwendet, um die Anonymität der insgesamt zehn dargestellten Frauen zu wahren. Der Fotograf Hyp Yerlikaya hat sie von 2019 bis 2021 begleitet. Insgesamt entstanden 1800 Fotos, aus denen 40 Arbeiten erstmals in der Ausstellung zu sehen sind. Es handelt sich nicht um klassische Dokumentarfotografie. Jene Aufnahmen, deren Bildinhalte die Grenzen des Zeigbaren oder Aussprechbaren erreichen und sich einer fotojournalistischen Dokumentation entziehen, greifen bewusst auf das darstellerische Mittel der Inszenierung zurück. Begleitende Text-Dokumentationen klären über das Thema „Prostitution“ auf, bieten Fakten und Informationen zur Einordnung und erzählen die anonymisierten biographischen Geschichten der Frauen. Das kuratorische Gesamtkonzept ist darauf ausgerichtet, Betrachtenden zu helfen, das Gezeigte einzuordnen und zu verstehen.
Zur Schau „gesichtslos“ ist ein gleichnamiger Begleitband erschienen. Am 21. November und am 19. Dezember gibt es um 11.15 Uhr öffentliche Führungen. Am 29. November findet in den Ausstellungsräumen um 18 Uhr ein Tanzabend statt. Unter dem Titel „Autonomy of Pleasure“ drückt die Produktion auf innovative und unkonventionelle Weise Erotik und Lust in Bewegung aus und hinterfragt unsere Sehgewohnheiten. Der Eintritt zur Schau sowie zu den Begleitveranstaltungen ist kostenfrei.Weitere Informationen sind unter www.amalie-ausstellung.de zu finden.
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.