Abschlussveranstaltung von „Mannheim spricht“
Toleranz trainiert

Anne-Marie Geisthardt, Monika Simikin und Sylvia Löffler (von links) vom Organisationsteam von Mannheim spricht.  | Foto: Christian Gaier
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Von Christian Gaier
Mannheim. 110 Menschen hatten sich für die Teilnahme am Dialogprojekt „Mannheim spricht“ angemeldet. Der Großteil von ihnen traf sich innerhalb der Abschlussveranstaltung am Samstag in der Mannheimer Abendakademie zu den Gesprächen über aktuelle politische Themen. „Wir sprechen alle nicht mehr miteinander, sondern übereinander, oder wir reden mit Leuten, die die gleiche Meinung haben und die anderen sind doof. Aber uns wirklich auszutauschen mit Leuten, die eine andere Meinung haben, das tun wir selten“, erklärte Mitorganisatorin Monika Simikin von der Mannheimer Abendakademie. 

 „Ich war von der Idee sehr beeindruckt und habe das online verfolgt“, sagte Sylvia Löffler, die bei der Stadt Mannheim das Mannheimer Bündnis für ein Zusammenleben in Vielfalt koordiniert. Sie erinnerte daran, dass die Mannheimer Bürgerin Katharina Missling die Idee zu „Mannheim spricht“ hatte. Zu den Teilnehmerinnen der Premiere von „Mannheim spricht“ im vergangenen Jahr gehörte auch Anne-Marie Geisthardt. „Ich war so begeistert von dieser Erfahrung, dass ich unbedingt wieder mitmachen und auch dazu beitragen wollte, dass noch mehr Menschen von diesem großartigen Format erfahren“, schilderte die Geschäftsführerin des Vereins Kulturparkett Rhein-Neckar, die in diesem Jahr zum Organisationsteam gehörte. Spannend sei für sie gewesen, mit einem Menschen in Kontakt zu kommen, den sie sonst vermutlich nie kennengelernt hätte.

Erstaunlich sei gewesen, dass im Laufe der inhaltlich kontroversen Gesprächs sich eine gegenseitige Sympathie und Verständnis entwickelten. „Wir haben unsere Meinungen nach dem Gespräch nicht über Bord geworfen, aber wir haben uns besser verstanden“, berichtete Anne-Marie Geisthardt, deren Devise lautet: „Toleranz ist wie ein Muskel, den man regelmäßig trainieren muss.“
Eingebettet waren die Dialoge in Auftritte des Musikers und Sozialarbeiters Tobias Schirneck und eine Podiumsdiskussion, an der neben Schirneck Claus Preißler, Beauftragter für Integration und Migration der Stadt Mannheim, der Historiker und Demokratieforscher Prof. Phillipp Gassert und die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Sevda Can Arslan (Moderation) teilnahmen.

Renate Hauer hatte sich bei „Mannheim spricht“ angemeldet, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, die andere Meinungen zu politischen Themen vertreten als sie. „Ich war gespannt, ob das etwas mit mir macht, ob das Kämpfe gibt, in denen ich mich behaupten will, oder ob es gelingt, in einem Gespräch auf Augenhöhe zu einem guten Austausch zu kommen“, sagte sie. Ein richtig kontroverses Gespräch sei es dann aber doch nicht geworden, schildert die Mannheimerin, die ihrem Gesprächspartner Gustav Rosner kurzfristig zugeteilt wurde, weil dessen ursprünglich vorgesehener Partner nicht anwesend war. So blieb von den acht Fragen, deren Beantwortung für die Zuteilung des jeweiligen Dialogpartners ausschlaggebende war, nur eine übrig, zu der beide unterschiedliche Meinungen hatten: die Frage, ob Deutschland mehr Geld fürs Militär ausgeben sollte. „Es war trotzdem ein super Gespräch. Wir konnten uns auch darüber austauschen, warum wir so denken“, sagte die 73-Jährige, die sich mit den Themen Pazifismus und Friedenspolitik im Nachgang intensiver beschäftigen will. Mit ihren Gesprächspartner habe sie die Telefonnummern ausgetauscht, um sich später auch über andere Themen wie Podcasts und Literatur zu unterhalten.

Auch Gustav Rosner hatte mehr Diskussionspunkte erwartet, langweilig sei das Gespräch aber keineswegs gewesen. „Es gab auch Fragen, die ich nicht mit einem ,Ja’, sondern mit ,das kommt darauf an’ beantwortet hätte. Es gab also auch Punkte, bei denen wir beide mit ,Ja’ oder ,Nein’ geantwortet, aber trotzdem Stoff für Diskussionen gefunden haben. Insgesamt wurde meine Erwartung einer kontroversen Diskussion enttäuscht, aber trotzdem hat es sich sehr, sehr gelohnt, dass ich teilgenommen habe“, betonte der 58 Jahre alte Chemiker.

Anna Blaich war über Soziale Medien über eine Werbeanzeige für „Mannheim spricht“ gestolpert. „Der Text hat mich gleich angesprochen und ich fand es ganz spannend, jemanden kennenzulernen, der sich außerhalb meiner Blase bewegt“, sagte die 32-Jährige, die bei der Stadt Mannheim arbeitet. „Ich hatte mir das Gespräch deutlich kontroverser vorgestellt. Ich glaube, wir sind uns doch sehr ähnlich in unseren Denkweisen“, berichtete Anna Blaich. Fraglos sei „Mannheim spricht“ ein interessantes Format, weil die Menschen durch die in den vergangenen beiden Jahren durch die Coronapandemie reduzierten Kontakte verlernt haben, die eigene Komfortzone zu verlassen, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. „Es muss ja auch nicht zwangsläufig Konsens erzielt werden. Es reicht auch, Meinung und Haltung auszutauschen und sich gegenseitig auf Augenhöhe und mit Respekt zu begegnen“, sagte sie. Das ist nicht die einzige Meinung, die Anna Blaich mit ihrer Dialogpartnerin Laura Walter teilt. „Wir haben uns sehr gut verstanden, hatten grundsätzlich auch dieselbe Meinung zu den gestellten Fragen, trotzdem war das Gespräch spannend, weil ihre Argumentation teilweise eine andere war, als die meine“, schilderte die 30-Jährige. Auch eine Freundin, die sich für „Mannheim spricht“ angemeldet hatte, habe ein mehr von Konsens als Kontroverse geprägtes Gespräch geführt. „Vielleicht müsste man Werbung auf einschlägigen Events machen“, regte Laura Walter an.

„Ich bin sehr zufrieden mit dem Event, der Atmosphäre bei den Gesprächen und der Podiumsdiskussion“, resümierte Monika Simikin. Etliche Gespräche werden auch noch stattfinden, weil einige Gesprächspartner am Samstag keine Zeit hatten oder erkrankt waren. „Es wird sicher eine Fortsetzung geben, die politische Gespräche ermöglicht, vielleicht in einer anderen Form“, deutete Simikin an. gai

Autor:

Christian Gaier aus Mannheim

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