Neue Projektstelle: Ökumenische Notfallseelsorge in Großschadenslagen

Matthias Orth, Rudi Götz und Norman Roth (v.l.n.r.) erzählten im Interview von der neugeschaffenen Projektstelle für ökumenische Notfallseelsorge in Großschadenslagen | Foto: Bistum Speyer
  • Matthias Orth, Rudi Götz und Norman Roth (v.l.n.r.) erzählten im Interview von der neugeschaffenen Projektstelle für ökumenische Notfallseelsorge in Großschadenslagen
  • Foto: Bistum Speyer
  • hochgeladen von Cornelia Bauer

Speyer. Der 66-jährige Rudi Götz übernimmt die neugeschaffene Projektstelle für ökumenische Notfallseelsorge in Großschadenslagen. Das Bistum Speyer und die Evangelische Kirche der Pfalz leisten damit einen wichtigen Beitrag zur psychosozialen Notfallversorgung. Götz blickt zurück auf 40 Jahre Tätigkeit bei der Berufsfeuerwehr in Mannheim als Einsatzbeamter. Er bringt zudem langjährige Erfahrung in der Arbeit bei der freiwilligen Feuerwehr sowie eine Ausbildung zum Notfallseelsorger in seine neue Aufgabe mit. Die Projektstelle ist für zwei Jahre als halbe Stelle angelegt.

Im Interview erzählt er, gemeinsam mit den beiden Beauftragten für Notfallseelsorge Matthias Orth vom Bistum Speyer und Norman Roth von der Evangelischen Kirche der Pfalz von seinen neuen Aufgaben und Wünschen.

???: Was sind Großschadenslagen?
Rudi Götz: Verkehrsunfälle, erfolglose Reanimationen oder Suizide, das sind alles Einzelfälle. Aber was passiert, wenn Hunderte oder Tausende betroffen sind, die zu versorgen und zu betreuen sind? Genau das sind Großschadenslagen. Sie zeichnen sich durch eine große Menge an Betroffenen und eine Mangelsituation aus. Es sind große Ereignisse, die ganz unterschiedlich sein können, wie zum Beispiel Naturgefahren, Explosionen, Großbrände oder auch Unfälle mit Bussen oder Schiffen. Das Kennzeichen für Großschadenslagen ist, dass es zu Beginn eine Chaosphase gibt, in der alles geordnet werden muss, und in diese Ordnung spielt auch die Notfallseelsorge mit rein.

Norman Roth: Großschadenslagen sind Ereignisse, die eine solche Dimension haben, dass Kräfte vom Katastrophenschutz hinzugezogen werden, da die Regelkräfte von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst nicht mehr ausreichen. Und genau hier docken wir mit der Notfallseelsorge an und sagen, wir sind da, um uns um die seelische Not der Menschen in dieser Situation bewusst zu kümmern, neben dem, was andere Einsatzkräfte leisten. In einer solchen Situation wirkt die Notfallseelsorge direkt im Katastrophenschutz mit. Unsere Notfallseelsorger kümmern sich aber nicht nur um Zeugen und unmittelbar Betroffene, sondern wir sind auch für die nahen Angehörigen von Betroffenen sowie für Menschen, die Erste Hilfe geleistet haben, vor Ort zuständig.

???: Warum ist es wichtig, Großschadenslagen jetzt genauer in den Blick zu nehmen?
Rudi Götz: Wenn Sie die Menschen im Ahrtal vor dem 12. Juli 2021 gefragt hätten, ob sie sich vorstellen können, mit dem Helikopter von ihren Hausdächern gerettet zu werden, hätte das niemand geglaubt. Wir können bestimmte Risiken einschätzen, wie die durch Verkehrssituationen oder Naturgewalten. Aber auch da erleben wir gerade, dass vor allem Letztere immer mehr werden, dass sich solche Ereignisse innerhalb von wenigen Jahren wiederholen, auch hier in der Gegend. Ein Beispiel war erst vor wenigen Wochen, das Hochwasser in der Südwestpfalz. Die Ereignisse kommen immer schneller und sind in der Intensität immer stärker ausgeprägt.

???: Was sind die Aufgaben in der neuen Projektstelle?
Rudi Götz: Das Land Rheinland-Pfalz hat erkannt, dass es nicht gut aufgestellt ist. Gerade verändern sich Strukturen und Gesetze, und genau in dieser Situation versuchen wir als Vertreter der Kirchen, Veränderungsprozesse der Notfallseelsorge in Großschadenslagen zu integrieren. Jetzt wird das Eisen geschmiedet, jetzt müssen wir da sein und unsere Struktur und unsere Bedürfnisse in den Prozess einbringen. In meiner Arbeit geht es daher darum, Strukturen zu erstellen, um die einzelnen Teams im Bereich von Bistum und Landeskirche zu vernetzen. Über welches Medium schaffen wir es, alle Regionalteams im Einsatzfall sofort in Kenntnis zu setzen? Auch die Ausbildung von Führungskräften für die Einsätze fällt in meinen Bereich. Ich werde viele Gespräche mit ganz unterschiedlichen Akteuren und Behörden führen, um uns ein Netzwerk aufzubauen und Menschen zusammenzubringen. Ich kann nicht einfach ein Konzept schreiben und sagen, so machen wir jetzt in Zukunft Notfallseelsorge. Wir haben eine Unmenge an unterschiedlichen Stellen, die einzubinden sind. Es geht darum, Pläne vorzubereiten, die fertig in der Schublade liegen, egal was passiert. Alles, was Klärungsprozesse erfordert, muss möglichst vor der Situation erfolgen, damit es im Ernstfall ganz schnell gehen kann.

???: Wie wurde in der ökumenischen Notfallseelsorge mit Großschadenslagen umgegangen, bevor die Stelle geschaffen wurde?
Norman Roth: Wir hatten auch in den letzten Jahren größere Einsatzlagen. Und da ist es schon gelungen, dass die verschiedenen Teams zusammengearbeitet haben. Allerdings haben wir gemerkt, wenn die Lagen noch komplexer werden, dann brauchen wir einfach eine bessere Strukturierung. Durch die klimatischen Bedingungen sind in den letzten Jahren auch die Anforderungen gestiegen, denn man muss damit rechnen, dass es immer mehr Naturkatastrophen geben wird. Außerdem haben auch andere Einsatzlagen mit vielen Betroffenen in den letzten Jahren zugenommen, seien es Anschläge, Amokläufe, Unfälle oder Brände größeren Ausmaßes.

Matthias Orth: In die Gründung der Stelle haben auch die Erfahrungen aus dem Ahrtal eingewirkt. Wir konnten dort unseren Beitrag leisten, die Arbeit in den gemischten Teams hat Dank der ökumenisch gleichen Ausbildung auch gut geklappt. Aber wir haben im Nachhinein gemerkt, dass wir Verbesserungsbedarf an dieser Stelle haben.

???: Warum ist die Projektstelle ökumenisch angelegt, worin liegen hier die Vorteile?
Norman Roth: Auf lokaler und regionaler Ebene arbeiten unsere Notfallseelsorger schon viele Jahre ökumenisch zusammen. Die Ausbildung ist ökumenisch aufgestellt, ebenso wie die Fortbildungen. Und dann liegt es nahe zu sagen: Auch in Großschadensereignissen müssen wir unsere Kräfte bündeln und vernetzt zusammenarbeiten. Die fast deckungsgleichen Gebiete vereinfachen das natürlich auch.

Rudi Götz: Wenn die Notfallseelsorge-Teams zu einem Einsatz kommen, dann fragen sie nicht nach der Religionszugehörigkeit, sondern sie helfen einfach. Ich glaube, dass die beiden christlichen Kirchen hier vermitteln können, dass sie, wenn Menschen in Not sind, gefordert sind und auch da sein wollen. Wenn die Not groß ist, sind alle dankbar, wenn jemand da ist, der sich um sie kümmert. Ich glaube, es ist auch einfach grundsätzlich wichtig, dass die Kirche ihre Position in der psychosozialen Notfallversorgung stärkt. Die Kolleginnen und Kollegen aus der Notfallseelsorge sind durch ihre christliche Haltung geprägt. Sie haben vielleicht auch nochmal einen besonderen Zugang zu den Betroffenen, und auch zu Verabschiedungsritualen oder der Betreuung von Menschen, wo keine Hoffnung mehr besteht. Wenn Menschen in Not sind, dann wollen wir als Kirche da sein.
Norman Roth: Die neu geschaffene Projektstelle ist bundesweit ein einmaliges ökumenisches Pilotprojekt. Schön, dass es bei uns in der Pfalz zwischen Bistum und Landeskirche so gut gelingt.

???: Was sind die Ziele für die nächsten beiden Jahre?
Matthias Orth: Es geht uns um die gedankliche Vorbereitung auf Großschadensereignisse. Wir wollen noch genauer wissen, wie wir auf Situationen größeren Ausmaßes reagieren können, auf wen wir zurückgreifen können, welche Strukturen wir haben. Dann können wir umsichtiger mit solchen Situationen umgehen.

Norman Roth: Wir haben unsere Erfahrungen aus dem Ahrtal gemeinsam mit den Seelsorgerinnen und Seelsorgern vor Ort nachbereitet, und Punkte definiert, die verbessert werden müssen – hier können wir hoffentlich in den nächsten zwei Jahren entsprechende Strukturen schaffen. Wir müssen uns gut vernetzen, damit wir handlungsfähig sind, trotz möglicher zurückgehender Ressourcen im kirchlichen Bereich.

Rudi Götz: Ich möchte erreichen, dass wir genug Teams haben, dass wir durchhaltefähig sind, dass die Teams miteinander arbeiten können und dass die Strukturen, Alarmierungseinrichtungen und Pläne geschaffen sind. Ich bin selbst gespannt, aber ich freue mich auch darauf.

Eine Alarmierung der Teams erfolgt im Regelfall über die Leitstelle, das heißt, Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst fordern Unterstützung im Rahmen eines Einsatzes an. Rund 100 Notfallseelsorgerinnen und –seelsorger engagieren sich zur Zeit in sechs kirchlichen Notfallseelsorgeteams oder in einem PSNV (psychosoziale Notfallversorgung)-Team anderer Träger in der Pfalz. Im Jahr 2023 gab es etwa 470 Einsätze mit geschätzt 2800 Betroffenen, darunter tödliche Verkehrsunfälle, erfolglose Reanimationen oder Suizide.

Ausgehen & GenießenAnzeige
Die Kulisse des Weihnachtsmarkts Ludwigshafen ist in diesem Jahr mit Pyramide und Riesenrad besonders gemütlich | Foto: Martina Wörz
Aktion 10 Bilder

Weihnachtsmarkt Ludwigshafen 2024 startet jetzt: Mitmachen & gewinnen!

Weihnachtsmarkt Ludwigshafen. Endlich ist es wieder soweit! Freunde der Weihnachtszeit fiebern spätestens seit den ersten Lebkuchen in den Supermärkten der heimeligen Adventsstimmung all der Weihnachtsmärkte entgegen. Der große Reigen startet mit dem Ludwigshafener Weihnachtsmarkt. Schon am 13. November 2024 wird der Berliner Platz in festlichem Lichterglanz erstrahlen und mit aromatischen Adventsdüften die Besucher zum bestens erreichbaren und pfalzweit ersten Weihnachtsmarkt nach Ludwigshafen...

Autor:

Cornelia Bauer aus Speyer

Cornelia Bauer auf Facebook
Cornelia Bauer auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

78 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Wirtschaft & HandelAnzeige
Frühstück Speyer: Das moderne GuestHouse in Speyer bietet seinen Hotelgästen ein reichhaltiges Frühstücksangebot für jeden kulinarischen Geschmack. Auch Gäste von außerhalb sind herzlich willkommen.  | Foto: GuestHouse Speyer
3 Bilder

Frühstück Speyer: Reichhaltiges Büffet im GuestHouse für den perfekten Start in den Tag

Frühstück Speyer. Kann man einen Tag in Speyer entspannter beginnen als mit einem gemütlichen Frühstück? Das moderne GuestHouse bietet seinen Hotelgästen ein reichhaltiges Frühstücksangebot für jeden kulinarischen Geschmack. Auch Gäste von außerhalb sind herzlich willkommen.  Sie alle dürfen sich freuen auf qualitativ hochwertige Produkte von regionalen Partnern und Kleinbetrieben. Ideal, um in der historischen Domstadt Speyer hervorragend in einen wunderbaren Tag zu starten. Ist das Frühstück...

RatgeberAnzeige
Bestattungen Germersheim: Für die Hinterbliebenen ist es wichtig, ein Beerdigungsinstitut zu finden, bei dem sie sich gut aufgehoben fühlen | Foto: Trauerhilfe Göck/Isaworks
4 Bilder

Bestattungen Germersheim: Was ist im Todesfall zu tun?

Bestattungen Germersheim. Die Trauerhilfe Göck ist ein verlässlicher Ansprechpartner für alle Bestattungsarten und Dienstleistungen, die Tod und Abschied es geliebten Menschen verbunden sind. Die kompetenten Bestatter aus Speyer kümmern sich auch um Bestattungen in Germersheim und in den Städten und Gemeinden im Kreis Germersheim, also auch in Lingenfeld, Lustadt, Schwegenheim oder Weingarten.  Dabei ist man offen für verschiedene Bestattungsformen: Erdbestattung oder Feuerbestattung,...

RatgeberAnzeige
Physiotherapie für Kinder: Bereits die Allerkleinsten profitieren von einer Behandlung, damit sie später im Leben keine Fehlstellungen oder Bewegungsstörungen bekommen | Foto: Therapiezentrum Theraneos
3 Bilder

Physiotherapie für Säuglinge, Kinder und Jugendliche in Speyer

Physiotherapie für Kinder. Auch Säuglinge müssen manchmal zur Therapie, damit sie später im Leben keine Fehlstellungen oder Bewegungsstörungen bekommen. Es gibt spezifische motorische Meilensteine; sind diese verzögert, kann eine Behandlung erforderlich sein. Physiotherapie für Kinder ist eine Therapieform, die sich auf die Förderung der Bewegungsfähigkeiten des Kindes bezieht. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf der körperlichen Entwicklungsförderung und dem Ausgleich von eingeschränkten...

Wirtschaft & HandelAnzeige
offerta: In der Aktionshalle der Einkaufs- und Erlebnismesse in Karlsruhe befindet sich die Hauptbühne | Foto: Jürgen Rösner
4 Bilder

offerta live erleben vom 26.10. bis 3.11.2024: Inspirieren und entdecken

offerta: Verteilt auf vier Hallen, plus Außenbereich, trifft bei der offerta 2024 vom 26. Oktober bis 3. November 2024 Neues, auf Traditionelles, auf Inspirierendes. Die vier Themenbereiche – Freizeit, Bauen, Lifestyle und die Markthalle – bieten eine große Produktvielfalt zu relevanten Themen wie der Regionalität und der Nachhaltigkeit. Ausstellende haben die Möglichkeit, sich selbst, ihre Produkte oder ihre Dienstleistungen zu präsentieren. Besuchende haben die Möglichkeit, zu testen, zu...

RatgeberAnzeige
Pflegeberatung in Speyer: Grit Geib strahlt nach einem Vortrag vor Seniorinnen und Senioren | Foto: mein Pflegeteam Hochdörffer

Pflegeberatung unterstützt Pflegebedürftige und pflegende Angehörige

Pflegeberatung in Speyer. Patienten ab Pflegegrad 2 müssen alle sechs Monate, Pflegebedürftige ab Pflegegrad 4 alle drei Monate ein Beratungsgespräch nach §37 Abs.3 SGB XI nachweisen. Ohne dieses beratende Gespräch hat die Pflegekasse die Möglichkeit, Leistungen einzuschränken. Kommen Pflegegeldempfänger dieser Pflicht nicht nach, kann ihnen oder ihren Angehörigen also das Geld für die Pflege gekürzt oder gestrichen werden. Für Sachleistungen ist dieser Nachweis nicht erforderlich, aber wer als...

SportAnzeige
Muay Thai Speyer: Die Kampfsportart ist einer der Schwerpunkte im City Gym. Erfahrene Trainer kümmern sich hier in den Kursen um den Trainingsplan | Foto: brain2hands/stock.adobe.com
3 Bilder

Muay Thai Speyer: Thaiboxen zur effektiven Verteidigung

Muay Thai Speyer. Muay Thai ist auch als Thaiboxen bekannt. Es gehört zu den ältesten Kampfkünsten weltweit. Erstmals eingesetzt und entwickelt wurde es im alten Siam, dem heutigen Thailand. Damals verteidigten die Kämpfer mit Muay Thai traditionell ihr Königreich erfolgreich gegen die aggressiven Nachbarstaaten. Die Sportart Muay Thai ist eng mit der Geschichte Thailands verbunden Muay Thai ist ein Vollkontakt-Kampfsportart, Schutzausrüstung ist hierbei unerlässlich. Auch im Amateurbereich....

Online-Prospekte in Speyer und Umgebung



add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.