Mammutprojekt verschlang 1,8 Millionen
Sanierung des Vierungsturms beendet

So schön der Ausblick vom Gerüst des Vierungsturms auch war, Dombaumeisterin Hedwig Drabik hofft, dass die nächste umfangreiche Sanierung erst wieder nach ihrer Dienstzeit fällig ist | Foto: Domkapitel Speyer/Hedwig Drabik
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  • So schön der Ausblick vom Gerüst des Vierungsturms auch war, Dombaumeisterin Hedwig Drabik hofft, dass die nächste umfangreiche Sanierung erst wieder nach ihrer Dienstzeit fällig ist
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Speyer. Die Vierungskuppel gehört zur romanischen Bausubstanz des Doms und markiert weithin sichtbar den Kreuzungspunkt zwischen Lang- und Querhaus. Zuletzt wurden in den 1960er-Jahren Teile der Vierung saniert. Durch die besonders exponierte Lage und falsch eingesetzte Materialien waren Schäden an den Putzflächen bereits vom Boden aus sichtbar geworden. Doch das war längst nicht alles: Mehr als vier Jahre lang wurde am Vierungsturm des Speyerer Doms gearbeitet. 

„Ich bin sehr dankbar, dass wir diese große und wichtige Maßnahme nun abschließen konnten“, sagt Domdekan und Domkustos Dr. Christoph Kohl. „Der Vierungsturm, ein besonders markanter und weithin sichtbarer Teil des Doms, hat uns in dieser Zeit so manche Überraschung beschert und uns viel über den Bau gelehrt. Dass der Dombauverein uns in jedem Jahr unterstützt hat, war bei allen Schockmomenten eine große Beruhigung“, so Kohl.

Vier Jahre lang gehörten Gerüste zum Bild des Vierungsturms | Foto: Domkapitel Speyer/Friederike Walter
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1,8 Millionen Euro hat die Maßnahme insgesamt gekostet. 387.000 Euro konnten aus Mitteln des Dombauvereins bestritten werden. Das Land Rheinland-Pfalz übernahm 40 Prozent der Baukosten. Weitere projektbezogene Zuwendungen erhielt das Domkapitel über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz sowie der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer.

Dombaumeisterin Hedwig Drabik, die das Projekt von ihrem Amtsvorgänger als erste große Instandhaltungsmaßnahme am Dom übernommen hatte, zeigte sich im Gespräch insbesondere zufrieden mit dem Zusammenspiel aller Akteure. Da es weder im Innern noch von außen einen Zugang gab, wurde 2018 zunächst ein Gerüst gestellt, um den Zustand des Turms genauer untersuchen zu können. Unter dem damaligen Dombaumeister Mario Colletto wurden die Wandflächen in Augenschein genommen, die Säulen der Zwerggalerie durch Ultraschall untersucht und Probestücke analysiert. Bereits der erste Eindruck ließ erkennen, dass sich die Oberfläche und die Stützen in einem schlechten Zustand befanden. Der Putz lag stückweise hohl. Als „Wetterseite“ war die Südwestseite besonders von Schäden betroffen. Die Schäden auf dieser Seite waren auch vom Boden aus zu erkennen gewesen und hatten Anlass zu ersten Untersuchungen gegeben.

Ab April 2019 übernahm dann die neu ins Amt gekommene Dombaumeisterin die Maßnahme und veranlasste die weiteren Sanierungsschritte.  Um eine denkmalgerechte und nachhaltige Instandhaltung des Vierungsturms zu gewährleisten, wurden die einzelnen Sanierungsschritte mit dem Leiter der kirchlichen Denkmalpflege, Dom- und Diözesankonservator Wolfgang Franz, der unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Speyer und der oberen Denkmalschutzbehörde des Landes Rheinland-Pfalz sowie mit dem unabhängigen fünfköpfigen Wissenschaftlichen Beirat abgestimmt.

Vier Jahre lang gehörten Gerüste zum Bild des Vierungsturms | Foto: Domkapitel Speyer/Hedwig Drabik
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Anders als der Rest des Doms besteht der Vierungsturm nicht vollständig aus Sandstein, sondern größtenteils aus Tuffstein. Der zementgebundene Putz der 1960er-Jahre hatte das darunter liegende, weichere Tuffmauerwerk bereits geschädigt, da es auf Grund der materialspezifischen Dichte und Festigkeit des zementösen Putzes sowie unterschiedlicher hygrischer und thermischer Eigenschaften der Stoffe zu Reibungen zwischen Putz und Steinoberflächen gekommen war. Daher wurden zunächst die das Mauerwerk schädigenden Putze aus den 60er-Jahren abgenommen.

Danach wurden die Fassaden durch einen Vermesser aufgenommen und die noch letzten vorhandenen romanischen Befunde dokumentiert. Die Wandflächen waren ursprünglich in der Erbauungszeit mit einem dünnen, nahezu hellweißen Kalkmörtel flächig überzogen, der ein plastisch gestaltetes Fugenbild aufwies, eine sogenannte „Pietra rasa“. Dieser Befund konnte auch an anderen Stellen am Dom nachgewiesen werden. Nach Anlegen zweier Musterflächen, einer weißlichen, dem romanischen Befund entsprechenden, und einer rötlichen, dem barocken Erscheinungsbild zuzuordnenden, sprachen sich die Denkmalpfleger und der Wissenschaftliche Beirat für eine Erneuerung der Putzflächen für die in der Farbgebung roten Musterfläche aus. Die Farbgebung orientierte sich an dem sichtbaren weitgehend rötlichen Sandsteinmauerwerk des Doms. Im Anschluss begann die Aufbringung der neuen, kalkbasierten und in historischer Technik hergestellten Putze. So fügt sich der Vierungsturm heute harmonisch in das Gesamtbild ein.

Verbesserung der Wasserführung

Um die Wasserführung zu verbessern, wurden die konstruktiv falsch ausgeführten Bodenplatten der Zwerggalerie, die aus der Sanierung der 1960-er Jahre stammten, entfernt. Die ursprüngliche Planung sah eine Verblechung des Umganges mit Kupferblech vor. Durch die Abnahme der aus den 60er Jahren stammenden Bodenplatten, wurde der Blick auf Überreste eines bauzeitlichen Sandsteinbelages frei. Diesen Befund nahm die Denkmalpflege zum Anlass, hier konstruktiv Sandstein und nicht Kupfer als Rekonstruktion der Laufebene zu verwenden. Höhe und Neigung wurden so verändert, um das Ablaufen des Regenwassers zu gewährleisten. Eine neue Kupferrinne nimmt künftig das vom Dach aus anfallende Regenwasser auf und leitet es geregelt ab. Neue Fallrohre leiten das Wasser in die beiden Turmkehlen, um andere Dachbereiche zu entlasten. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserführung berücksichtigen dabei auch soweit als möglich die Veränderungen durch den Klimawandel. Die neuen Rinnen können bei zunehmenden Starkregenereignissen mehr Wasser aufnehmen und vom Gebäude weg leiten.

Die Untersuchung des Daches war erst Ende des Jahres 2019 möglich, nachdem der Bereich des mit Holzschutzmitteln kontaminierten Dachtragewerkes aufwendig von einer Fachfirma gereinigt worden war. Bereits dadurch verlängerte und verteuerte sich die Maßnahme. Die ersten Ergebnisse der anschließenden Untersuchungen ließen die schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Während der Begehung der Kuppel wurde zusammen mit einem Holzschutzsachverständigen das Vorhandensein eines echten Hausschwammes festgestellt.

Die Schäden durch diesen holzzerstörenden Pilz waren enorm, denn der Pilz hatte sich durch die gesamte Fußkonstruktion gefressen und war bereits in die Sparren hochgewandert. Die ungünstigen klimatischen Bedingungen in der Kuppel und die stellenweise ausgemauerten Fußpunkte hatten das Wachstum begünstigt. Durch die Schäden war die Tragfähigkeit des Daches bereits erheblich gemindert. Durch Verschiebung der aus dem Dach kommenden Kräfte waren Teile der Holzkonstruktion bereits so stark abgesackt, dass nur noch wenig Abstand zwischen Holzkonstruktion und Kuppelschale bestand.

Als notwendige Gegenmaßnahme wurde das Gerüst so umgebaut und aufgestockt, um nun auch den Dachbereich mit in die Arbeiten einbeziehen zu können. Die Kupferdachhaut musste dazu bis auf die Höhe von zwei Metern aufgenommen werden, damit die Zimmerleute den Schadensbereich bearbeiten konnten. Anders als zunächst befürchtet konnte das Kupferblech nahezu vollständig erhalten und wiedereingebaut werden. Nur sehr kleine Bereiche, die schadhafte alte Reparaturen besaßen, mussten ausgetauscht werden. Des Weiteren wurde zur Verbesserung der klimatischen Verhältnisse in der Kuppel eine Lüftungsebene eingebaut, die die Zirkulation erhöhen soll.

Seit Mai sind alle Arbeiten beendet und die Gerüste abgebaut | Foto: Domkapitel Speyer/Friederike Walter
  • Seit Mai sind alle Arbeiten beendet und die Gerüste abgebaut
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Sämtliche vom Pilz zerfressenen Bereiche mussten großflächig gesund geschnitten werden. Die Austauscharbeiten an der Holzkonstruktion orientieren sich am barocken Bestand und folgen der Devise der Denkmalpflege „so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich“. Alle Holzverbindungen wurden in traditioneller Zimmermannsarbeit hergestellt, sodass eine konstruktiv funktionierende Verzahnung der Hölzer untereinander erfolgte, die Schubkräfte aus dem Dach wieder aufnehmen konnte.

Die Arbeiten am Dachstuhl erfolgten in acht Abschnitten. Pro Abschnitt erfolgte zunächst die Öffnung des Daches durch die Klempner, Räumarbeiten durch einen Entsorgungsbetrieb, der auf Arbeiten mit kontaminierten Material spezialisiert ist, und im Anschluss die konstruktiven Zimmererarbeiten. In einem letzten Arbeitsschritt erfolgten die Dachanschlussarbeiten, für die Teile des Gerüstes zurückgebaut werden mussten. Nach deren Abschluss wurde das Gerüst nun bis Mitte Juni vollständig abgebaut.

Um zukünftig leichter auf die Vierungskuppel gelangen zu können, wurden alte Zugänge im Außenbereich ertüchtigt und mit einer Seilsicherungsanlage versehen. „So schön der Ausblick vom Gerüst des Vierungsturmes während der vergangenen vier Jahre immer wieder war, so sehr hoffe ich, dass eine Einrüstung und umfangreiche Sanierung erst in 100 Jahren und damit nach Ende meiner Dienstzeit wieder nötig ist“, sagt Dombaumeisterin Hedwig Drabik.

Der Vierungsturm im Wandel der Zeit

Die Vierungskuppel gehört zur romanischen Bausubstanz des Doms und wird dem Umbau unter Heinrich IV. Anfang des 11. Jahrhunderts zugeordnet. Die Vierung markiert weithin sichtbar den Kreuzungspunkt zwischen Lang- und Querhaus. Im Innern befindet sich genau dort der Pontifikalaltar und damit das Herzstück des Doms. Die bewegte Geschichte dieses Bauteils wurde nach einer teilweisen Entfernung des Außenputzes im Zuge der Voruntersuchungen sichtbar. Dabei traten sowohl interessante Erkenntnisse zum historischen Bestand als auch das erschreckende Ausmaß der Schäden zu Tage.

Im Zuge der Sicherungsmaßnahmen, die im 18. Jahrhundert nötig wurden, ließ der damalige Baumeister Leonard Stahl insgesamt drei stählerne Ringanker um den Turm setzen. Diese sind auch heute noch Intakt und mussten nicht angegangen werden. Weiterhin wurden barocke Rundbogenfenster eingefügt, der Turm erhöht und das bis heute erhaltene geschweifte Dach aufgesetzt. Im Zuge der großen Domrestaurierung Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Fenster der Barockzeit wieder vermauert und durch Rundfenster, die sich an den bauzeitlichen Befunden orientierten, ersetzt.

Ohne Bezug zur historischen Bausituation wurde ein dickschichtiger und zementhaltiger Deckputz aufgebracht, der das darunter liegende Mauerwerk nachhaltig schädigte. Zudem war das Mauerwerk durch fehlerhafte Wasserführung gefährdet. Die teilweise mangelhaft ausgeführten Maßnahmen des 20. Jahrhunderts haben die historische Substanz nachhaltig geschädigt und ein Konglomerat an Materialien und Bautechniken hinterlassen. Auf Basis der vorliegenden Befunde wurde in Abstimmung mit dem Wissenschaftlichen Beirat des Doms ein Instandsetzungskonzept erarbeitet.

Der Innenraum der Kuppel war von der Maßnahme nicht betroffen. Das Rissbild, das sich vom Innenraum der Kuppel an der Putzfläche darstellt, wurde ebenfalls untersucht und brachte das beruhigende Ergebnis, dass sich der Putz im Innern der Kuppel in gutem Zustand befindet. Um die Belüftung der Kuppel verbessern zu können und auch aus brandschutztechnischer Sicht, wurden die Fenster des Vierungsturms mit über eine Fernsteuerung zu betätigender Mechanik versehen, die ein Öffnen der Fenster erlaubt.

Finanzierung eines Mammutprojektes

Wie alle Baumaßnahmen am Dom werden die Baumaßnahmen zunächst aus dem Haushalt des Domkapitels finanziert. Bei substanzerhaltenden Maßnahmen, zu denen die Sanierung der Vierungskuppel zählte, beteiligt sich das Land Rheinland-Pfalz an 40 Prozent der Kosten. Durch die jährlichen Abgaben des Dombauvereins flossen weitere Mittel in die Maßnahme. Da der Dombauverein zuverlässig jährlich einen Betrag von um die 130.000 Euro zur Verfügung stellt, gibt dies dem Domkapitel Planungssicherheit.

„Gerade bei Maßnahmen, die länger dauern und teurer werden, als zunächst geplant, ist diese kontinuierliche und verlässliche Unterstützung durch den Dombauverein eine wichtige Hilfe“, sagt Dr. Christoph Kohl. „Wir sind sehr froh, dass wir mit den Beiträgen unserer Mitglieder und dem Erlös aus dem Verkauf der Dombausteine zum Domerhalt beitragen können“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Dombauvereins Dr. Gottfried Jung. „Zwischen 2017 und 2021 hat der Dombauverein die Instandsetzung der Vierungskuppel mit 387.000 Euro unterstützt. Wenn unsere Mitglieder und Spender vor dem Dom stehen, können sie guten Gewissens für sich in Anspruch nehmen, dass sie Anteil an der Bewahrung dieses einzigartigen Bauwerks haben“.

Weitere Unterstützung für die Sanierung des Vierungsturmes kam von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mit einer zweckgebundenen Zuwendung in Höhe von 57.160 Euro. Des Weiteren hat Manfred Fuchs eine zweckgebundene Spende über 15.000 Euro getätigt, die dem Dom über die Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer zugegangen ist.

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