Tabea Neisen vom Stadttaubenprojekt: "Wir alle wollen weniger Tauben"
Speyer. "Stadttauben gehören nicht in unsere Städte", sagt Tabea Neisen vom Verein Stadttaubenprojekt Rhein-Neckar bestimmt. Ebensowenig wie Straßenhunde auf die Straße gehören. Für ihr eher schlechtes Image können die Tiere nichts. Bei Stadttauben handelt es sich nicht um Wildvögel, sondern um domestizierte Vögel, um verwilderte Nachkommen von Haus- und Brieftauben. Ursprünglich stammen die Stadttauben, die uns heute in Fußgängerzonen und Bahnhöfen begegnen, von der Felsentaube ab. Jahrtausende hat der Mensch sie gehalten und ihnen zum Beispiel angezüchtet, sechs bis acht Mal pro Jahr zu brüten. Was zur Folge hat, dass die Population immer weiter wächst.
Auch wenn die Haltung von Haustauben inzwischen größtenteils aufgegeben und die Tiere sich selbst überlassen wurden, so sind sie als ausgesetzte Haustiere dennoch auf Unterstützung und Fürsorge von Menschen angewiesen. Menschen wie Tabea Neisen. Ihr Verein, der seinen Sitz in Heidelberg hat, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensumstände von Stadttauben zu verbessern. Langfristig, da ist sich die 27-Jährige sicher, könne das flächendeckend nur über betreute Taubenschläge funktionieren, in denen die Tiere artgerecht gefüttert und ihre Population durch Eiertausch verringert und gesund gehalten werden kann.
"Wir alle wollen weniger Tauben", sagt Tabea Neisen, die sich selbst und ihre Mitstreiter ungern als Taubenschützer bezeichnet. "Das klingt so, als säßen wir daheim und würden Tauben streicheln - das ist nicht das, was wir machen, ganz abgesehen davon, dass das gegen die Natur der Vögel wäre", sagt sie. Sie hält es für unumgänglich, den Bestand an Stadttauben zu regulieren.
Seit gut einem Jahr betreut das Stadttaubenprojekt Rhein-Neckar einen Taubenschlag nach Augsburger Modell auf einer Schule in Ludwigshafen. Für Neisen ein perfektes Beispiel dafür, wie es laufen kann: Die Tauben waren davor auf dem Schulhof ein Störfaktor und ein Ärgernis für Eltern, Lehrer und den Hausmeister. Jetzt erhalten die Tauben im betreuten Schlag alles, was sie zum Leben brauchen: Wasser, Futter, Nistmaterial - und haben damit keinen Grund, den Taubenschlag zu verlassen.
"Tauben wollen nicht mehr als essen, sich putzen, turteln, Eier legen und brüten", erklärt die Taubenexpertin. Die Eier werden gegen Attrappen ausgetauscht - allerdings nicht alle. Die Erfahrung mit dem Augsburger Modell hat gezeigt, dass es auch ein paar Küken im Schlag braucht, damit die Tauben ihn nicht wegen fehlendem Bruterfolg verlassen. Ein generelles Fütterungsverbot, wie es auch die Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Speyer vorsieht, sieht Tabea Neisen kritisch. "Die Tauben brüten bei Futtermangel nicht weniger, es gibt dann nur noch mehr Taubenleid und noch mehr Tiere, die auf der Straße verhungern".
Das Stadttaubenprojekt Rhein-Neckar reagiert auf Anfragen aus der kompletten Region - auch aus Speyer oder Neustadt. So kann man dem Verein per WhatsApp, Signal oder Telegram an 0151 45707762 oder per E-Mail an info@stadttaubenprojekt-rhein-neckar.org zum Beispiel Brutplätze melden; Helfer kümmern sich dann um einen Eiertausch. Auch bei kranken oder verletzten Tauben weiß der Verein Rat.
Apropos Krankheiten: Entgegen aller Vorurteile ist die gesundheitliche Gefährdung durch Tauben nicht größer als die durch andere Zier- und Wildvögel oder Haustiere. Sehr selten kann es vorkommen, dass Menschen, die engen Kontakt zu den Vögeln haben und keine entsprechenden Hygienemaßnahmen ergreifen, sich mit Ornithose, der sogenannten Papageienkrankheit, anstecken.
In Speyer gibt es in der Himmelsgasse bereits einen betreuten Taubenschlag. Der sei allerdings nicht angepasst an die tatsächliche Population und müsste eigentlich erweitert werden, sagt Neisen. Einen Schlag in Speyer dauerhaft zu betreuen, das könne ihr Verein nicht leisten, bedauert sie. Man könne aber Beratung sowie Unterstützung bei der Suche nach Helfern anbieten.
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