Mit Seil und Stimme ins Ziel: Blinder Läufer und Guide meistern Bienwald-Marathon
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- Schon einmal hat Lars Kegler Ralf Arnold bei einem Halbmarathon in Kandel begleitet. Das war 2017.
- Foto: Ralf Arnold/gratis
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Kandel | Mannheim | Speyer. Wenn am Sonntag, 9. März, in Kandel der Startschuss für den Bienwald-Marathon fällt, dann wird über die Halbmarathon-Distanz auch der Mannheimer Triathlet und Radsportler Ralf Arnold ins Rennen gehen. Über die kompletten 21,1 Kilometer an seiner linken Seite und über ein kurzes Seil mit ihm verbunden: Lars Kegler aus Speyer. Der sportliche Berufsfeuerwehrmann wird an diesem Sonntag nicht versuchen, eigene Bestzeiten zu knacken; er fungiert als Guide. Denn der mehrfache Deutsche Meister Ralf Arnold ist blind.
Im Alter von 14 Jahren erfuhr Arnold, dass er an einer Netzhautdegeneration leidet. Schon damals war klar, dass er mit ziemlicher Sicherheit im Laufe seines Lebens erblinden wird. Seine Sehkraft verschlechterte sich in Schüben. Sportarten wie Segeln, Windsurfen und Gleitschirmfliegen musste er wegen seiner nachlassenden Sehkraft aufgeben. 2006 fand er schließlich zum Triathlon.
Schon einmal hat Lars Kegler den erfolgreichen Parasportler beim Lauf in Kandel begleitet; 2017 war das. Auch bei diesem zweiten gemeinsamen Wettkampf geht es darum, dass Kegler zum einen sportlich mithalten kann - der 53-jährige Arnold peilt eine Zielzeit von unter 1 Stunde 35 Minuten an - und zum anderen bei diesem Tempo auch noch verlässliche Ansagen zu Streckenverlauf, möglichen Hindernissen oder Belagswechseln macht. Das hat 2017 gut geklappt - und soll es jetzt wieder.
Verbunden durch Vertrauen
Gemeinsam trainiert haben die beiden nicht. Dennoch sind die passionierten Läufer sicher: das passt. Für Routinier Kegler wird es bei dem Lauf weniger eine Herausforderung sein, Ralf Arnold mit seiner Stimme zu lotsen, das Schwierigste ist für ihn vielmehr das Band. Das ist "Marke Eigenbau", gefertigt aus 30 Zentimetern einer alten Gleitschirmleine und mit zwei Schlaufen aus Rolladengurt. Während Arnold daran gewöhnt ist, damit zu laufen, ist es für Kegler eine Umstellung, denn der Arm schwingt dann nicht bei der natürlichen Laufbewegung mit. Der Vater zweier Söhne vergleicht es mit dem Laufen mit Buggy - auch dann ist eine Hand am Kinderwagen und nur der freie Arm schwingt mit.
Das Band ist aber wichtig, denn damit kann der Guide den sehbehinderten Läufer wenn nötig in seine Richtung ziehen. Schwierig könnte es nämlich gleich zum Start des Laufes werden, denn dann herrscht das größte "Gewusel". Außerdem folgt recht schnell eine 90 Grad-Rechtskurve. Dann wird es vielleicht auch erforderlich sein, dass Kegler Arnold am Handgelenk fasst - für eine noch bessere Führung. "Erfahrungsgemäß entzerrt sich das Gedränge auf den ersten Kilometern, danach wird es entspannter", erklärt Lars Kegler. Er weiß: Bei diesem Lauf am Sonntag ist die Kommunikation das A und O. Stufen, Absätze, Schlaglöcher, andere Läufer - vieles könnte zum Sturz führen, wenn der Guide Ralf Arnold nicht rechtzeitig warnt. Umgekehrt will natürlich auch Ralf Arnold keinem der Mitläufer in die Hacken treten.
Dass Lars Kegler und er keine eingespieltes Team sind, beunruhigt ihn nicht. "Ich bin daran gewöhnt, mit verschiedenen Guides zu laufen - da reicht es, wenn wir uns beim Einlaufen vorm Wettkampf noch kurz abstimmen", sagt Ralf Arnold. Falls die Temperaturen unter zehn Grad bleiben, dann wäre es aus seiner Sicht nicht einmal erforderlich, eine der Versorgungsstationen anzusteuern. Arnold, der sechs Mal in der Woche Laufen und Radfahren trainiert, freut sich auf den Wettkampf, auf die besondere Kulisse und das Adrenalin. In der Trainingswoche davor nimmt er Intensität raus, trainiert kürzer und weniger hart, um dann am Wettkampftag seine optimale Leistung abrufen zu können.
Die Strecke in Kandel kennt Kegler gut. Mindestens 15 Mal ist er dort bereits gestartet. Er mag die schnelle, flache Strecke mit den breiten Wegen auf Asphalt und Schotter. Hier ist er vor zwei Jahren auch seine persönliche Marathon-Bestzeit von 2 Stunden 43 Minuten gelaufen. Dieses Mal allerdings hat er einen anderen Fokus: Er will seinen Laufkollegen sicher ins Ziel bringen - ohne Sturz, ohne Verletzungen. Und das am Liebsten noch zu dessen Wunschzeit.
Weitere Informationen
Autor:Cornelia Bauer aus Speyer |
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