Kunstprojekt lädt zu Gesprächen ein
Friedhof 2.0 - 3.0
Hauptfriedhof Kaiserslautern. Ganz hinten auf dem Hauptfriedhof, dort ist Thomas Brenners Feld der Gießkannen, die den Fluss des Wassers symbolisieren. Ein passender Ort, denn man ist selbst zur Ruhe gekommen, wenn man dort ankommt, hat zahlreiche Namen gelesen von Menschen, die nicht mehr sind.
Dort treffen sich Friedhofsbesuchende und Menschen, die speziell zu den Kunstaktionen vorbeikommen. Den Weg dorthin schmücken auch einige seltsam beschriftete Einzelgräber mit alten Gemüsesorten, die erst auf den zweiten Blick auffallen. Sie beschreiben und beinhalten Kulturpflanzen, die vom Markt verdrängt wurden und ebenfalls nicht vergessen werden sollen. „Die Radieschen sind schon abgeerntet“, berichtet Thomas Brenner. Die Gräber aus gebrauchten Dielen und täuschend echt wirkenden Grabsteinen aus Alu Dibond-Material halten einen Mindestabstand von zehn Metern zu „normalen Gräbern“ ein, um die Totenruhe zu wahren. Die Samen der alten Gemüsesorten hat Brenner durch einen Kontakt in seinem SlowFood-Netzwerk gefunden.
Wie kam es zur Friedhofsidee?
„Meine Frau Susanne Herzog hat mir die Schönheit dieses Friedhofs gezeigt. Da ich mich in meiner Arbeit schon intensiv mit dem Tod befasst habe, zuletzt 2016 mit den in Trier und weiteren Städten öffentlich aufgestellten Tafeln „Bevor ich sterbe, möchte ich ...“ und mit dem Projekt „Letzte Inszenierung“ war Friedhof 2.0 – 3.0 geradezu ein logisches Folgeprojekt. Auf dem Friedhof kommt man mit so unterschiedlichen Menschen ins Gespräch: jeden Alters, jeder Nationalität und aus allen Schichten.“ Der große Gleichmacher Tod bringt also auch alle Lebenden zusammen. Und Brenner hat sich bei der Planung viele Gedanken gemacht, um das Projekt sozialverträglich und umweltbewusst umzusetzen.
Die eingegrabenen Gießkannen sind bestückt mit „Fluchthilfe-Stöckchen“, einer Ausstiegshilfe für Insekten und weitere Kleintiere, die hineinfallen können. Ein Tipp vom NABU. Und die Kannen sind recycelt – und können wieder im Produktkreislauf aufgehen, sobald sie nicht mehr gebraucht werden.
Nachhaltig eben.
Vernetzungsfolgen
Seine Kontakte in die regionale Künstlerszene ergaben seit Januar eine ganze Reihe an Kunst-Acts, bei denen Menschen miteinander ins Gespräch kommen. Etwa mit Schauspielerin Hannelore Bähr oder Musiker Helmut Engelhardt, der neunte Act war mit den beiden Untieren Marina Tamássy und Wolfgang Marschall, die eher nachdenklich Lyrisches präsentierten, nach dem Motto: Was würde ein Drehbuch mit hier begrabenen Berühmtheiten wie Lina Pfaff hergeben? Am Sonntag, 4. Juni gibt es ab 16 Uhr Musik der Harfenistin Konstanze Licht und des Trompeters Marc Kienle, zwei Wochen später, am 18. Juni um die gleiche Uhrzeit, singt Pauline Ngoc, begleitet vom Pianisten Martin Preiser.
Glaubensfragen zum Leben und Sterben
Ein frisch gewachsenes Format behandelt die fünf Weltreligionen: Welcher Glaube hat welche Antwort auf die allgegenwärtige Frage danach, was uns nach dem Tod erwartet. „Diskurs“ heißt dieses Format, zu welchem ein Religionsexperte von 16 bis 16.45 Uhr die jeweiligen Jenseitsvorstellungen und Bestattungsrituale vorstellt. Am Samstag, 22. Juli mit Dr. Claudia Gross samstags darauf, am 29. Juli mit Kirchenrat Wolfgang Schumacher.
Wie weiter?
Bis Herbst läuft das Projekt, dann wäre es schön, wenn sich ein anderer Friedhof meldet, der Banner, Beetgräber, Gießkannenfeld und Grablichtinstallation für 2024 ausleihen möchte. „Das wäre die Erfüllung des Konzepts vom Leben und Sterben, vom Werden und Vergehen, dass an einer anderen Stelle wieder etwas entsteht,“ wünscht sich Thomas Brenner.
Weitere Informationen:
Infos zum Projekt, dem Gesprächsformat „Diskurs“ und weiteren Kunst-Acts unter www.friedhof2.letzte-inszenierung.de
Autor:Nadja Donauer aus Kaiserslautern |
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