Protest-Fest am Montag im Kulturzentrum Kammgarn
Maif(r)eiertag
Viele Menschen haben am ersten Mai frei: Wie das bei Traditionen häufiger vorkommt, ist in Vergessenheit geraten, was wir am „Tag der Arbeit“ feiern.
Wie viele weltweit bekannte Unternehmen, z. B. die „Big Tech“ hat der internationale Feiertag seinen Ursprung in der US-amerikanischen Wirtschaft. Dort endeten Arbeitsverträge am 30. April, am Folgetag wurden Stellen neu besetzt, was oft mit einem Umzug verbunden war. Also gaben Chefs ihren Arbeitnehmern am ersten Mai frei, um diesen „Moving day“-genannten Tag mit Kistenschleppen und Transportfahrten zu füllen. Einige Leserinnen und Leser, die im Pfälzer Land aufgewachsen sind, erinnern sich vielleicht an den „Wannersch Daach“ am 27. Dezember, wo es ganz ähnlich war: Dann zogen Knechte und Mägde zur nächsten Anstellung vom Bauernhof zu Bauernhof. Aber zurück zum ersten Mai.
Arbeitszeitverkürzung
1860 dauerte in vielen US-Betrieben ein Arbeitstag elf bis 13 Stunden. Und da der „freie“ erste Tag im Mai eine gute Gelegenheit dazu bot, riefen die Gewerkschaften am 1. Mai 1886 zum Generalstreik auf: 400.000 Angestellte folgten dem Aufruf, zwar erhielt nur jeder Zwanzigste den geforderten Acht-Stunden-Tag, aber ein erster Schritt zur Arbeitszeitverkürzung war gemacht.
Am Haymarket Chicago gab es jedoch blutige Ausschreitungen, sieben Polizisten und viele Streikende starben durch einen Bombenanschlag, vier Arbeiterführer wurden dafür gehenkt. Die Proteste wurden erst 1890 wieder aufgenommen, zeitgleich auch in Frankreich und Deutschland, als Demos, Streiks und Maispaziergänge. So schwappte der Kampf für gerechtere Arbeitsbedingungen über den großen Teich. 1889 beschlossen Gewerkschaften und Arbeiterparteien auf dem Zweiten Internationalen Arbeiterkongress in Paris, zum Gedenken an die Opfer von Chicago am 1. Mai zu einer internationalen Demonstration aufzurufen. Zentrale Forderungen waren auch hier der Acht-Stunden-Tag, zudem höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) 1946 verantwortet dieser die Maifeiern und beschließt die Maiparolen.
„Ungebrochen Solidarisch“
… so lautet dieses Jahr die Parole des DGB. Marcel Schulz ist Vorsitzender des DGB Kreis- und Stadtverbands Kaiserslautern und lädt erneut zum Protest-Fest ein:
„In den vergangenen zehn Jahren ist der Ton in den regionalen Betrieben rauer geworden.
Damals waren dreiviertel der Angestellten nach Tarif beschäftigt, heute ist es knapp die Hälfte.“
Die vergangenen Streiks und Tarifverhandlungen haben viele Menschen mobil gemacht. Dennoch sieht Schulz einen Trend des Alltags-Egoismus, bei dem immer weniger Menschen die Verantwortung für ein Ehrenamt im Verein, bei der Feuerwehr oder auf kommunalpolitischer Ebene übernehmen wollen:
„Es funktioniert nicht, alles haben zu wollen und nicht mehr dafür eintreten zu wollen. Gerade in der heutigen Zeit, wo Wandel und Transformation in der Arbeitswelt nötig sind, braucht es Mitbestimmung aus den Betrieben heraus und eine Begleitung durch die Gewerkschaften.“
Forderungen
Zur Maikundgebung gehört, ebenso traditionell, ein Gottesdienst - dieses Jahr mit neuen Gesichtern: Pfarrerin Claudia Kettering sieht viele Übereinstimmungen in den Zielen, Wünschen und Forderungen der christlichen Kirchen und der Gewerkschaften: „Wir treten ein für soziale Gerechtigkeit, denn die vergangenen Krisen haben besonders die Schwächsten der Gesellschaft getroffen. Und wir kämpfen ebenfalls wie die Arbeitnehmervertretungen für menschengerechte Arbeitsstrukturen. Beispielsweise eine sinnvolle Begrenzung der Arbeitszeit: Schon in der Bibel mussten Sklaven wöchentlich einen Tag lang ruhen. Denn der Mensch ist nicht nur für die Arbeit da, sondern darf sein Leben genießen.“
Beim Gottesdienst steht ihr die katholische Kollegin Regina Wilhelm, Referentin des Fachbereichs Arbeitswelt im Bistum Speyer, zur Seite:
„Gemeinsam mit den Gewerkschaften setzen sich die Kirchen für eine solidarische und gerechte Arbeitswelt ein. Gleichzeitig vertreten wir die Ansicht, dass die Verteilung des Einkommens nicht allein dem Markt zu überlassen ist. Einkommensstarke müssten einen höheren Beitrag zu einem funktionierenden Gemeinwesen leisten, damit alle gleichermaßen an der Gesellschaft teilhaben können.“
Die Maikundgebung beginnt um 10 Uhr im Kulturzentrum Kammgarn, Arbeitsminister Alexander Schweizer gestaltet die diesjährige Mairede. Der Eintritt ist frei.
Autor:Nadja Donauer aus Kaiserslautern |
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